Probst: Sind die Studiengebühren in Österreich vier Jahre nach der Einführung überhaupt noch ein Thema, ein kontroverses zumal?
Kolland: Also in der Öffentlichkeit nicht mehr. Es gibt eine Partei, die Sozialdemokratische Partei, die nach wie vor in ihrem Programm hat, sollte sie bei den nächsten Wahlen wieder gewählt werden, dann würde sie diese Studiengebühr, bei uns heißt das ja Studienbeitrag, wieder in Frage stellen. Aber an sich, in der Öffentlichkeit gibt es keine Diskussion mehr dazu. Also ich würde sagen, es gibt eine hohe Akzeptanz.
Probst: Und wie hoch ist dieser Beitrag?
Kolland: Er beträgt 363 Euro in etwa...
Probst: Pro Semester oder pro Jahr?
Kolland: Pro Semester. Der alte Schillingbetrag ist sozusagen transferiert worden, darum ist es ein ungerader und ein etwas schiefer Betrag.
Probst: Ja, und der Betrag ist einheitlich für alle Studiengänge, das ist ja auch hier so ein kontroverser Punkt, dass die Mediziner eigentlich mehr bräuchten, als beispielsweise Historiker.
Kolland: Es ist noch einheitlich für alle Studiengänge für alle Hochschulen und es gibt noch kein eindeutiges Signal, dass das Ministerium, beziehungsweise der Staat hier sagt, also die Universitäten könnten jetzt je individuell ihre eigenen Beitragshöhe festlegen, aber diese Diskussion gibt es und es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis das dann auch tatsächlich kommt, weil 2007 die Universitäten in der Vollautonomie sind und dann kommt das mit Sicherheit, dass dann eine Differenzierung nach Hochschulen und nach Standorten erfolgt.
Probst: Die Benachteiligung von Studienbewerbern aus den unteren Einkommensschichten, das ist eines der kontroversen Argumente hier, war es sicher auch bei Ihnen vor der Einführung, gibt es schon Erfahrungen, ob deren Zahl tatsächlich zurückgegangen ist oder ist die Zeit dafür noch zu kurz?
Kolland: Wir haben zwei Probleme. Das eine ist, die Hochschulen sind an sich sozialselektiv, also das muss man schon auch sagen, dass unsere Universitäten trotz des offenen Zugangs eine Selektivität haben, die Sache haben wir auch in den letzten 15 Jahren festgestellt, sicher abnehmend, aber es ist eine als solche vorhanden. Die Studienbeiträge oder Studiengebühren zeigen einen Effekt, dass es eine leichte Zunahme dieser Selektivität gibt. Das ist wahrscheinlich der einzige tatsächliche Schwachpunkt, den man jetzt aus der sozialwissenschaftlichen Sicht sieht in Bezug aus der Studiengebühr, also, dass doch die Angehörigen unterer sozialer Schichten dann etwas rückläufig sind. Es ist aber nicht dramatisch, also es ist nicht ein großer Rückgang. Wir haben insgesamt schon einen starken Rückgang der Studierenden um zehn Prozent gehabt 2001, aber der ist inzwischen wieder ausgeglichen, wir sind wieder bei den Studierendenzahlen wie vor der Einführung der Studienbeiträge.
Probst: Also das war dann nicht ursächlich unbedingt auf die Einführung dieser Beiträge zurückzuführen und...
Kolland: So ist es, also das sind sehr stark studieninaktive Personen, die sich...
Probst: Karteileichen.
Kolland: Ja, so sage ich das nicht als Sozialwissenschaftler. Wir sprechen von prüfungsinaktiven, studieninaktiven Personen, die haben sicher aufgehört und die haben deutlich zu dieser Lücke oder zu diesem Abschwung beigetragen.
Probst: Aber es gibt doch sicherlich auch Auffang- oder Förderprogramme für die sozial Schwachen?
Kolland: Ja das ist etwas gewesen, das 2001 ganz massiv angehoben wurde. Also die Studienbeihilfen, -förderungen, das kann man schon sagen, das war ja auch im Vorfeld eine vehemente Kritik, dass es zu dieser sozialselektiven Wirkung kommt und hier sind die Studienbeihilfen, Grenzen verbessert worden, dass auch Personen aus unteren sozialen Schichten mehr Zugang haben und jedenfalls diejenigen, die eine Studienbeihilfe bekommen, sind von dem Studienbeitrag, den Studiengebühren ausgenommen. Die wird sozusagen refundiert beziehungsweise die ist von diesen Personen nicht zu bezahlen.
Probst: Eine der großen Sorgen hierzulande, Herr Kolland, ist, dass die Gebühren, wenn sie dann kommen, nicht den Universitäten zugute käme. Wie ist das bei Ihnen, ist das sichergestellt?
Kolland: Ja das war 2001, das war an Beginn an den Hochschulen ein hoher oder großer Unmut an den Universitäten, dass die Studienbeiträge in Gänze dem Staat zugeflossen sind und seit 2003, seit dem Sommersemester 2003 bekommen die Universitäten in Gänze den Studienbeitrag. Also das führt auch dazu, was ich für einen interessanten und guten Zugang halte. Die Studierenden können heute über die Verwendung des Studienbeitrags bestimmen. Es gibt also eine eigene Möglichkeit hier an unserer Universität, wo die Studierenden sagen können, es sollte für Erasmusprogramme, es sollte für Dienstleistungen, es sollte in der Lehre, es sollte in der Forschung, hier haben Sie also ein Auswahlschema und danach können sie sozusagen bestimmen, mit welchem Prozentsatz, wie viel für bestimmte Bereiche ausgegeben werden soll.
Probst: Insgesamt akzeptiert, haben Sie zu Beginn gesagt, das Schlusswort dann zum Schluss, insgesamt die Bilanz dann auch positiv?
Kolland: Also ich würde sagen, es ist eine positive Bilanz. Es hat dazu geführt, dass die Studierenden aktiver sind. Also wir haben eine höhere Prüfungsaktivität, wir haben also durch die Studiengebühren mitbedingt eine höhere Abschlussquote, also wir haben ja eine enorm lange Studiendauer gehabt. Das war ja der eigentliche Grund, warum wir die Studiengebühren eingeführt haben. Nicht so wie ich...ich habe gestern in einer Diskussion im Norddeutschen Rundfunk gehört, dass bei Ihnen sehr stark die Diskussion Wettbewerb eine Rolle spielt, das spielt bei uns eine geringe Rolle, hier war es die lange Studiendauer und die Dropout-Quote. Das war, das ist schon seit Jahren eine heftige Diskussion gewesen und da gibt es positive Wirkungen. Diese Ziele sind positiv erreicht worden.
Probst: Wir müssen es dabei belassen, danke schön, das war Franz Kolland vom Institut für Soziologie an der Universität Wien.