Samstag, 11. Mai 2024

Archiv

Post-Punk-Band Messer auf Tour
Hendrik und die Detektive

Die Mitglieder der Gruppe Messer lehnen ihre krachigen Songs am Post-Punk der späten 70er- und frühen 80er-Jahre an. Durch die Texte von Sänger Hendrik Otremba jagen Schurken und Ermittler. Jetzt bringen Messer die Stücke des aktuellen Albums "Jalousie" auf die Konzertbühne.

Von Christoph Reimann | 29.10.2016
    Die Post-Punk-Band "Messer"
    Unangepasst und literarisch: Die Post-Punk-Band "Messer" (Katja Ruge)
    "Es gibt Motivwelten, die man durchschreitet, so habe ich mir das irgendwann mal hingelegt. Das kann ein Gemälde sein, das kann ein Text für Messer sein, das kann ein Roman sein, wo irgendwelche Dinge ans Licht kommen, wo irgendwelche Dinge formuliert werden."
    Für Hendrik Otremba hängt alles mit allem zusammen: das Malen der Aquarellbilder, das Schreiben an seinem Debütroman, das Musikmachen. Wenn ihn ein Thema packt, dann jagt es ihn durch alle Künste. Aktuelles Beispiel: das dritte Album seiner Band Messer, "Jalousie". Was der Blick durch die Lamellen für Motivwelten freilegt?
    Noir-Kulissen und ein undurchsichtiger Ermittler
    "Seid verdammt, seid verdammt, Mördergesindel und Krokodile / Worin hast du dich denn nur verrannt? / Was sind wir jetzt? Detektive."
    Das Setting der Platte: filmreife Noir-Kulissen, angesiedelt im Gauner-Milieu. Und im Mittelpunkt ein undurchsichtiger Ermittler. Das ist auch der Stoff, aus dem Hendrik Otremba sein erstes bisher noch unveröffentlichtes Buch geschaffen hat. Auf seiner Website gibt es dazu die passenden Gemälde. Und eben auch in der Band kam das Thema an:
    "Wir mögen Detektive. Finden das eine interessante Figur, der Detektiv, der irgendwie für das Gute und das Rechte und die Wahrheit eintritt, aber irgendwie auch halbseiden ist. Und irgendwie mit einem Bein auch immer im Gefängnis steht und sich da in so Grenzbereiche bewegt."
    "Das Auto ist nur gestohlen, wie die Fotos, wie die Karten, die Pistolen / Zwei Fliegen tanzen wild ums Licht / Sie tanzen stumm dort bis es erlischt."
    Ein Krimi ist das Album "Jalousie" nicht. Ein Plot wird nicht erkennbar, die Texte bleiben kryptisch. Dabei ist das zwielichtige Detektiv-Szenario mehr als die Erinnerung ans kindliche Räuber-und-Gendarm-Spielen. Es ist die Lust am Unangepassten, am Ausbruch aus der Konformität.
    Anleihen im Post-Punk der späten 70er- und frühen 80er-Jahre
    "Das kommt bestimmt auch daher, dass wir alle irgendwie schon aus Punk-Kontexten kommen, wo man das letztendlich sich selbst beibringt und das so für sich kultiviert. Also, das ist eine Sozialisationsfrage."
    Otremba ist 1984 auf die Welt gekommen. Inzwischen lebt er in Berlin. In Zeiten vom Hyperkapitalismus voll und ganz auf ein Auskommen als Künstler zu setzen - das kann man durchaus als Punk verstehen. Und auch musikalisch schlägt er den Bogen, zum Post-Punk der späten 70er und frühen 80er. Neu dazugekommen sind auf dem dritten Album Anklänge an die experimentellen Einstürzenden Neubauten oder kühle Synthie-Sounds mit Krautrock-Rhythmen.
    "Kommst mir zu nah, wenn du zu Boden gehst / Doch durch den Spiegel kommst du nicht"
    Skepsis an der Politik der Gegenwart
    Als Messer vor ein paar Jahren zusammen mit Bands wie Trümmer oder Die Nerven die Musikzeitschriften eroberten, wurde schnell von einer neuen Szene gesprochen. Die Gruppen sangen alle auf Deutsch, die Politik der Gegenwart betrachteten sie mit Skepsis. Mittlerweile stehen diese Bands für sich selbst und haben ihre eigene Musiksprache entwickelt. Das geteilte Unbehagen etwa gegenüber dem Umgang mit Flüchtlingen ist geblieben. Dafür wird Otremba im Song "Schwarzer Qualm" sogar ungewohnt konkret:
    "Der Grund des Meeres ist ein Loch / Doch du tauchst in die Fluten ein / Wer hier stirbt, der lockt das Leben / Am Ende bist du ganz allein"
    "Da habe ich das Gefühl gehabt, in einer Verantwortung zu stehen als Künstler, der gehört und wahrgenommen wird, sich zu einem Thema zu verhalten. Das heißt, das war ein anderes Schreiben. Da habe ich mich hingesetzt, da habe ich versucht, irgendwie das Nachdenken über etwas mal konkret in eine Form zu bringen."
    "Mann schläft ein in U-Bahn / Speichel tropft von seinem Mund / Plötzlich erschrecktes Erwachen / Panik auf der Flucht / Ich seh' zwei bunte Gesichter / Kein Wort ist zu verstehen / Schimpfen sie auf die Minister / Wollen sie ins Ausland gehen"
    Der Blick durch die Lamellen der titelgebenden Jalousie ist bei Messer kein Seelen-Striptease. Keine Spur von Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Romantik, wie sie etwa AnnenMayKantereit in ihren Millennial-Hymnen propagieren. Messer stellen mehr Fragen, als dass sie Antworten geben, tasten sich vor ins Ungefähre. Genau das macht ihre energiegeladenen Songs so interessant.
    Nächste Konzerte der Tour: 29.10.2016 Bremen (Lagerhaus), 30.10.2016 Bielefeld (Forum), 31.10.2016 Kaiserslautern (Kammgarn), 01.11.2016 Wiesbaden (Schlachthof), 02.11.2016 Köln (Gebäude 9)