Bettina Klein: Der Freitod des Unternehmers Adolf Merckle hat nicht nur in der Wirtschaftswelt Erschütterung verursacht. Wenn ein Mensch freiwillig aus dem Leben scheidet, löst das viele unterschiedliche Emotionen aus, genauso wie oft viele Faktoren zusammenkommen, wenn ein Mensch sich für den Selbstmord entscheidet. Wir wollen uns deshalb nicht mit dem speziellen Fall beschäftigen, sondern davon ausgehend fragen, in welcher Situation sich Familienunternehmen in der Finanzkrise befinden, wie sie damit und mit persönlicher Verantwortung zurecht kommen oder eben nicht zurecht kommen. - Am Telefon begrüße ich Patrick Adenauer. Er ist. Guten Morgen, Herr Adenauer.
Patrick Adenauer: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Wenn sich ein Unternehmer auch durch eigenes Fehlverhalten wie jetzt auch im Fall Merckle in Schwierigkeiten befindet und vielleicht sein Lebenswerk bedroht sieht, was muss er oder sie sich sagen, um nicht daran zu zerbrechen?
Adenauer: Ich denke, das ist immer wieder eine ganz spezielle individuelle Situation. Man muss sich selbst sagen, dass man schon sein bestes gegeben hat, dass man aber auch als Unternehmer Fehler macht, und die muss man sich einfach zugestehen. Man muss am Ende auch nicht nur sich selbst sehen, sondern ein Stück weit auch natürlich die Verantwortung für Mitarbeiter, für Familie und so den ganzen Kreis ums Unternehmen herum, und schon versuchen, dann auch ein bisschen was von der eigenen Person abgesehen die Themen sachlich zu lösen. Wenn eine Krise da ist und es gibt nur Lösungen, die man vielleicht nicht gerne hätte, muss man sie aber dann vielleicht doch gehen, wenn sie sachlich geboten sind.
Klein: Wenn ein Unternehmer als Patriarch gilt, dem von Banken Intransparenz und von den Gewerkschaften Mangel an Kooperationsbereitschaft vorgeworfen wird, ist das eine Gefahr, weil es Menschen in einer Krise eben erschwert, sich für Hilfe welcher Art auch immer zu öffnen?
Adenauer: Ich denke, wenn solche Vorwürfe kommen, dann hat das auch schon ein bisschen was eine Geschichte. So eine Einschätzung kommt ja nicht aus einer Situation heraus. Ich kann mir vorstellen, dass eine Situation dann aber noch mal auf die Spitze getrieben wird, wenn man sich gegenseitig das dann auch noch mal an den Kopf wirft.
Klein: Der Fall der Firma Merckle ein Solitär, oder nach Ihrer Auffassung symptomatisch für die gegenwärtige Situation?
Adenauer: Ich denke, das ist ein ganz besonderer Fall, und glaube, dass es nicht symptomatisch ist. Sicher: An vielen Stellen ist es sehr, sehr knirsch geworden, aber im überwiegenden Teil der Familienunternehmen glaubt man, dass man die Krise in den Griff kriegt, dass man genug Eigenkapital gebildet hat, um jetzt eine längere Durststrecke auch überstehen zu können.
Klein: Genug Eigenkapital, sagen Sie, aber die Firma Merckle ist ja nun auch nur wiederum durch Kredite gerettet worden und auch um den Preis, dass das Unternehmen im Prinzip zum Teil zerschlagen wird. Die Ratiopharm wird verkauft.
Adenauer: Ja. Ich glaube, was man sich jetzt sagen muss: Wenn man doch auf den speziellen Fall geht, fragt man sich, warum musste dann, nachdem es da ein, zwei tolle Unternehmen gab, noch ein drittes mit gigantischen Schulden gekauft werden. Das ist schon dann ein Zustand oder eine Situation, die man nicht so ohne weiteres nachvollziehen kann.
Klein: Wie kommen solche Entscheidungen zu Stande?
Adenauer: Das ist vielleicht der große Erfolg, den man hat. Dann sieht man, dass man gewisse Marktkenntnis hat und Chancen möglich sind, und dass man dann einen Schritt vielleicht zu weit geht – vielleicht genau den Schritt, den man besser nicht gemacht hätte. Deshalb ist das auch doch ein Stück Mahnung, hier im eigenen Unternehmen immer Maß zu halten, was normalerweise typisch ist für den Familienunternehmer. Er sagt ja nein, ich will mich nicht gigantisch verschulden, um noch größer zu werden, sondern er sagt nein, ich will ja auch einigermaßen ruhig schlafen und will vielleicht Unternehmen auch in die nächste Generation bringen und da kann ich nicht ein solch waghalsiges Spiel betreiben.
Klein: Es gibt nun Überbrückungskredite. Eine Sanierung ist gefordert, für diesen speziellen Fall von den Banken als unumgänglich angesehen. Ist es so schwer, sich mit diesen Erfordernissen abzufinden, während man sich selbst ja nicht unbedingt in einer finanziellen Notlage befindet? Oder anders gefragt: Geht es bei Familienunternehmen auch noch stark um die Frage von Ehre?
Adenauer: Das glaube ich sehr, weil die Motivation, ein Unternehmen zu führen, hängt ja auch damit zusammen, dass man eben unternehmerisch in der Sache erfolgreich ist. Da ist das Geld dann vielleicht in der zweiten Reihe erst mal wichtig, sondern der Erfolg mit den Mitarbeitern, mit den Produkten, das Ansehen, was man dadurch erwirbt. Das ist ja doch eine ganz starke Motivation. Im Übrigen ist bei vielen aber auch das persönliche Schicksal, das Kapital, was im Unternehmen steckt, aber auch oft das private Kapital mit dem Unternehmen verbunden, so dass wir da gar nicht beurteilen können, ob das nicht auf die Privatsphäre durchgeschlagen hätte. Bei vielen anderen tut es das und insofern kommt neben der Verantwortung und dem Stolz und natürlich auch dem Ansehen als Unternehmer, das dann vielleicht verloren geht, dazu auch eine persönliche Existenznot. Insofern muss man schon sehen: Da ist der persönlich selbst haftende oder mit seinem Kapital haftende Unternehmer in einer ganz anderen Situation als ein Manager, der sich dann noch mit Abfindungen in den Ruhestand oder zum nächsten Unternehmen wegbewegt.
Klein: Sie haben vorhin gesagt, Merckle ist ein Solitär. Auf der anderen Seite haften eben Familienunternehmen auch mit eigenem Kapital. Können Sie absehen, in welchen Dimensionen da wirklich Firmen im Augenblick von der Krise betroffen und bedroht sind?
Adenauer: Wir haben bei unseren Verbandsmitgliedern, die auch immerhin 1,8 Millionen Beschäftigte haben und 15 Prozent des Umsatzes in Deutschland machen - über 300 Milliarden -, nachgehört und knapp 20 Prozent klagen über erschwerte Kreditbedingungen. Aktuell bedroht sind weniger. Da kommt es auf die Branchen an. Automobilzulieferer ist dramatisch, teilweise Logistik schwieriger und alles, was just in time ist. Bei anderen kündigt sich das so langsam an. Immerhin 50 bis 55 Prozent sehen Auswirkungen aufs eigene Unternehmen, aber 90 Prozent erwarten doch, dass es in Deutschland schlechter geht in diesem Jahr.
Klein: Nun hören wir heute gerade, dass der Staat wiederum einspringen möchte. Die Bundesregierung plant offensichtlich, Bürgschaften für Kredite zu erstellen, um eben den Kreditfluss zu ermöglichen. Ist das wirklich unabdingbar notwendig? Es klingt im Augenblick so ein bisschen vorauseilend.
Adenauer: Morgen ist ja Mittelstandsgipfel bei der Kanzlerin. Da bin ich dabei und wir hören, was es mit dieser Maßnahme auf sich hat. Oft wird den Regierungen ja vorgeworfen, dass sie zu spät handeln. Wenn es hier Erkenntnisse gibt, so dass sie dann vorsorglich eine solche Möglichkeit schafft, wäre das ja gut, kostet ja erst mal auch kein Geld, wenn die Möglichkeit da ist.
Klein: Aber wenn der Staat bürgt, dann bürgt der Steuerzahler?
Adenauer: Dann bürgt der Steuerzahler. Wir sehen, bei den Banken war das wichtig. Es muss jetzt noch ein weiterer Schritt gegangen werden. Man muss noch für den Interbankenverkehr wahrscheinlich garantieren, wenn man ohnehin für die Banken garantiert. Das ist auch für die Wirtschaft wichtig. Ich bin sehr skeptisch, auch jetzt einzelnen Unternehmen zu helfen, weil man damit ja auch wieder den Wettbewerbern, die vielleicht besser gewirtschaftet haben, schadet. Wenn eine ganze Branche kurzzeitig in eine besondere Schocksituation kommt, muss man darüber nachdenken, dass der Staat hier einen Schirm aufspannt. Das muss er sich aber bezahlen lassen und ich wäre da sehr forsch auch wie die Amerikaner und würde sagen, wenn man irgendwo dem Unternehmen hilft, dann gibt es halt einen stimmrechtslosen Eigenkapitalanteil dafür, und wenn das Unternehmen aus der Krise ist, dann kann der Staat auch diesen Anteil möglicherweise zu besseren Kursen verkaufen als er es gekauft hat und damit auch für den Steuerzahler ein Geschäft machen.
Klein: Gleichwohl, Herr Adenauer, es ist ja eigentlich überhaupt nicht klar, wohin das führt. Der Staat springt ein und dann springt noch mal der Staat ein und dann noch einmal und wir wissen eigentlich nicht, ob das ein Fass ohne Boden ist und wohin wir in den nächsten Monaten und Jahren steuern. Haben Sie eine Vorstellung von der Perspektive für unsere Wirtschaft?
Adenauer: Der Staat, da gebe ich Ihnen völlig Recht, kann das nur in sehr begrenztem Umfange tun, weil er auch sich ja refinanzieren muss und er muss das Geld irgendwo her bekommen und er kann es nicht einfach drucken. Darüber hinaus sind selbst Programme von 10 und 50 Milliarden ja letztlich bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2,2 Billionen, also 2.200 Milliarden, irgendwo nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Staat kann Investitionen vorziehen, die er sowieso tätigen würde; dann hat er auch keine höhere Verschuldung. Er kann für die Unternehmen noch hier und da an den Steuergesetzen etwas tun, was bei der letzten Reform nicht gut gelaufen ist. Das ist alles bekannt. Er sollte für meine Begriffe den Weg gehen und die mittleren Einkommen entlasten – bei der Steuer (alles genannt), kalte Progression und Mittelstandsbauch -, um die Konjunktur anzuregen. Letztlich kann es nur über den Verbraucher und über den normalen Wirtschaftskreislauf gehen und es kann nicht darüber gehen, dass der Staat sich unendlich verschuldet und versucht, mit Staatsnachfrage den Verbrauch wieder anzuregen. Das kann kurzfristig mal ein bisschen helfen, aber nicht langfristig.
Klein: Und Staatsprogramme, staatliche Konjunkturprogramme, sonstige Hilfen standen bislang auch nicht ganz oben auf der Wunschliste von Wirtschaftsverbänden. Da hat es ein ganz klares Umdenken gegeben.
Adenauer: Ja, weil natürlich dieser Einbruch so plötzlich ist und die Nachfrage auch international nachlässt. Ich sage das in begrenztem Umfange. Investitionen, die sowieso nötig sind, wo der Staat bisher nachlässig war, Themen Bildung, Hochschulen, Straßen etc., Infrastruktur, Dinge, die letztendlich der Bevölkerung, der Wirtschaft langfristig nutzen und sowieso getan werden müssen, die kann man vorziehen. Ansonsten: Konjunkturprogramme sind sehr teuer und verpuffen. Sehen Sie die Gutscheine in den USA, wo jeder 500, 600 Dollar bekommen hat, jeder Bürger. Das würde bei uns 40, 50 Milliarden kosten und ist dann weg, verpufft und bringt keinen langfristigen Nutzen.
Klein: Die Meinung von Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes der Familienunternehmer. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Adenauer, und auf Wiederhören.
Adenauer: Gerne, Frau Klein.
Patrick Adenauer: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Wenn sich ein Unternehmer auch durch eigenes Fehlverhalten wie jetzt auch im Fall Merckle in Schwierigkeiten befindet und vielleicht sein Lebenswerk bedroht sieht, was muss er oder sie sich sagen, um nicht daran zu zerbrechen?
Adenauer: Ich denke, das ist immer wieder eine ganz spezielle individuelle Situation. Man muss sich selbst sagen, dass man schon sein bestes gegeben hat, dass man aber auch als Unternehmer Fehler macht, und die muss man sich einfach zugestehen. Man muss am Ende auch nicht nur sich selbst sehen, sondern ein Stück weit auch natürlich die Verantwortung für Mitarbeiter, für Familie und so den ganzen Kreis ums Unternehmen herum, und schon versuchen, dann auch ein bisschen was von der eigenen Person abgesehen die Themen sachlich zu lösen. Wenn eine Krise da ist und es gibt nur Lösungen, die man vielleicht nicht gerne hätte, muss man sie aber dann vielleicht doch gehen, wenn sie sachlich geboten sind.
Klein: Wenn ein Unternehmer als Patriarch gilt, dem von Banken Intransparenz und von den Gewerkschaften Mangel an Kooperationsbereitschaft vorgeworfen wird, ist das eine Gefahr, weil es Menschen in einer Krise eben erschwert, sich für Hilfe welcher Art auch immer zu öffnen?
Adenauer: Ich denke, wenn solche Vorwürfe kommen, dann hat das auch schon ein bisschen was eine Geschichte. So eine Einschätzung kommt ja nicht aus einer Situation heraus. Ich kann mir vorstellen, dass eine Situation dann aber noch mal auf die Spitze getrieben wird, wenn man sich gegenseitig das dann auch noch mal an den Kopf wirft.
Klein: Der Fall der Firma Merckle ein Solitär, oder nach Ihrer Auffassung symptomatisch für die gegenwärtige Situation?
Adenauer: Ich denke, das ist ein ganz besonderer Fall, und glaube, dass es nicht symptomatisch ist. Sicher: An vielen Stellen ist es sehr, sehr knirsch geworden, aber im überwiegenden Teil der Familienunternehmen glaubt man, dass man die Krise in den Griff kriegt, dass man genug Eigenkapital gebildet hat, um jetzt eine längere Durststrecke auch überstehen zu können.
Klein: Genug Eigenkapital, sagen Sie, aber die Firma Merckle ist ja nun auch nur wiederum durch Kredite gerettet worden und auch um den Preis, dass das Unternehmen im Prinzip zum Teil zerschlagen wird. Die Ratiopharm wird verkauft.
Adenauer: Ja. Ich glaube, was man sich jetzt sagen muss: Wenn man doch auf den speziellen Fall geht, fragt man sich, warum musste dann, nachdem es da ein, zwei tolle Unternehmen gab, noch ein drittes mit gigantischen Schulden gekauft werden. Das ist schon dann ein Zustand oder eine Situation, die man nicht so ohne weiteres nachvollziehen kann.
Klein: Wie kommen solche Entscheidungen zu Stande?
Adenauer: Das ist vielleicht der große Erfolg, den man hat. Dann sieht man, dass man gewisse Marktkenntnis hat und Chancen möglich sind, und dass man dann einen Schritt vielleicht zu weit geht – vielleicht genau den Schritt, den man besser nicht gemacht hätte. Deshalb ist das auch doch ein Stück Mahnung, hier im eigenen Unternehmen immer Maß zu halten, was normalerweise typisch ist für den Familienunternehmer. Er sagt ja nein, ich will mich nicht gigantisch verschulden, um noch größer zu werden, sondern er sagt nein, ich will ja auch einigermaßen ruhig schlafen und will vielleicht Unternehmen auch in die nächste Generation bringen und da kann ich nicht ein solch waghalsiges Spiel betreiben.
Klein: Es gibt nun Überbrückungskredite. Eine Sanierung ist gefordert, für diesen speziellen Fall von den Banken als unumgänglich angesehen. Ist es so schwer, sich mit diesen Erfordernissen abzufinden, während man sich selbst ja nicht unbedingt in einer finanziellen Notlage befindet? Oder anders gefragt: Geht es bei Familienunternehmen auch noch stark um die Frage von Ehre?
Adenauer: Das glaube ich sehr, weil die Motivation, ein Unternehmen zu führen, hängt ja auch damit zusammen, dass man eben unternehmerisch in der Sache erfolgreich ist. Da ist das Geld dann vielleicht in der zweiten Reihe erst mal wichtig, sondern der Erfolg mit den Mitarbeitern, mit den Produkten, das Ansehen, was man dadurch erwirbt. Das ist ja doch eine ganz starke Motivation. Im Übrigen ist bei vielen aber auch das persönliche Schicksal, das Kapital, was im Unternehmen steckt, aber auch oft das private Kapital mit dem Unternehmen verbunden, so dass wir da gar nicht beurteilen können, ob das nicht auf die Privatsphäre durchgeschlagen hätte. Bei vielen anderen tut es das und insofern kommt neben der Verantwortung und dem Stolz und natürlich auch dem Ansehen als Unternehmer, das dann vielleicht verloren geht, dazu auch eine persönliche Existenznot. Insofern muss man schon sehen: Da ist der persönlich selbst haftende oder mit seinem Kapital haftende Unternehmer in einer ganz anderen Situation als ein Manager, der sich dann noch mit Abfindungen in den Ruhestand oder zum nächsten Unternehmen wegbewegt.
Klein: Sie haben vorhin gesagt, Merckle ist ein Solitär. Auf der anderen Seite haften eben Familienunternehmen auch mit eigenem Kapital. Können Sie absehen, in welchen Dimensionen da wirklich Firmen im Augenblick von der Krise betroffen und bedroht sind?
Adenauer: Wir haben bei unseren Verbandsmitgliedern, die auch immerhin 1,8 Millionen Beschäftigte haben und 15 Prozent des Umsatzes in Deutschland machen - über 300 Milliarden -, nachgehört und knapp 20 Prozent klagen über erschwerte Kreditbedingungen. Aktuell bedroht sind weniger. Da kommt es auf die Branchen an. Automobilzulieferer ist dramatisch, teilweise Logistik schwieriger und alles, was just in time ist. Bei anderen kündigt sich das so langsam an. Immerhin 50 bis 55 Prozent sehen Auswirkungen aufs eigene Unternehmen, aber 90 Prozent erwarten doch, dass es in Deutschland schlechter geht in diesem Jahr.
Klein: Nun hören wir heute gerade, dass der Staat wiederum einspringen möchte. Die Bundesregierung plant offensichtlich, Bürgschaften für Kredite zu erstellen, um eben den Kreditfluss zu ermöglichen. Ist das wirklich unabdingbar notwendig? Es klingt im Augenblick so ein bisschen vorauseilend.
Adenauer: Morgen ist ja Mittelstandsgipfel bei der Kanzlerin. Da bin ich dabei und wir hören, was es mit dieser Maßnahme auf sich hat. Oft wird den Regierungen ja vorgeworfen, dass sie zu spät handeln. Wenn es hier Erkenntnisse gibt, so dass sie dann vorsorglich eine solche Möglichkeit schafft, wäre das ja gut, kostet ja erst mal auch kein Geld, wenn die Möglichkeit da ist.
Klein: Aber wenn der Staat bürgt, dann bürgt der Steuerzahler?
Adenauer: Dann bürgt der Steuerzahler. Wir sehen, bei den Banken war das wichtig. Es muss jetzt noch ein weiterer Schritt gegangen werden. Man muss noch für den Interbankenverkehr wahrscheinlich garantieren, wenn man ohnehin für die Banken garantiert. Das ist auch für die Wirtschaft wichtig. Ich bin sehr skeptisch, auch jetzt einzelnen Unternehmen zu helfen, weil man damit ja auch wieder den Wettbewerbern, die vielleicht besser gewirtschaftet haben, schadet. Wenn eine ganze Branche kurzzeitig in eine besondere Schocksituation kommt, muss man darüber nachdenken, dass der Staat hier einen Schirm aufspannt. Das muss er sich aber bezahlen lassen und ich wäre da sehr forsch auch wie die Amerikaner und würde sagen, wenn man irgendwo dem Unternehmen hilft, dann gibt es halt einen stimmrechtslosen Eigenkapitalanteil dafür, und wenn das Unternehmen aus der Krise ist, dann kann der Staat auch diesen Anteil möglicherweise zu besseren Kursen verkaufen als er es gekauft hat und damit auch für den Steuerzahler ein Geschäft machen.
Klein: Gleichwohl, Herr Adenauer, es ist ja eigentlich überhaupt nicht klar, wohin das führt. Der Staat springt ein und dann springt noch mal der Staat ein und dann noch einmal und wir wissen eigentlich nicht, ob das ein Fass ohne Boden ist und wohin wir in den nächsten Monaten und Jahren steuern. Haben Sie eine Vorstellung von der Perspektive für unsere Wirtschaft?
Adenauer: Der Staat, da gebe ich Ihnen völlig Recht, kann das nur in sehr begrenztem Umfange tun, weil er auch sich ja refinanzieren muss und er muss das Geld irgendwo her bekommen und er kann es nicht einfach drucken. Darüber hinaus sind selbst Programme von 10 und 50 Milliarden ja letztlich bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2,2 Billionen, also 2.200 Milliarden, irgendwo nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Staat kann Investitionen vorziehen, die er sowieso tätigen würde; dann hat er auch keine höhere Verschuldung. Er kann für die Unternehmen noch hier und da an den Steuergesetzen etwas tun, was bei der letzten Reform nicht gut gelaufen ist. Das ist alles bekannt. Er sollte für meine Begriffe den Weg gehen und die mittleren Einkommen entlasten – bei der Steuer (alles genannt), kalte Progression und Mittelstandsbauch -, um die Konjunktur anzuregen. Letztlich kann es nur über den Verbraucher und über den normalen Wirtschaftskreislauf gehen und es kann nicht darüber gehen, dass der Staat sich unendlich verschuldet und versucht, mit Staatsnachfrage den Verbrauch wieder anzuregen. Das kann kurzfristig mal ein bisschen helfen, aber nicht langfristig.
Klein: Und Staatsprogramme, staatliche Konjunkturprogramme, sonstige Hilfen standen bislang auch nicht ganz oben auf der Wunschliste von Wirtschaftsverbänden. Da hat es ein ganz klares Umdenken gegeben.
Adenauer: Ja, weil natürlich dieser Einbruch so plötzlich ist und die Nachfrage auch international nachlässt. Ich sage das in begrenztem Umfange. Investitionen, die sowieso nötig sind, wo der Staat bisher nachlässig war, Themen Bildung, Hochschulen, Straßen etc., Infrastruktur, Dinge, die letztendlich der Bevölkerung, der Wirtschaft langfristig nutzen und sowieso getan werden müssen, die kann man vorziehen. Ansonsten: Konjunkturprogramme sind sehr teuer und verpuffen. Sehen Sie die Gutscheine in den USA, wo jeder 500, 600 Dollar bekommen hat, jeder Bürger. Das würde bei uns 40, 50 Milliarden kosten und ist dann weg, verpufft und bringt keinen langfristigen Nutzen.
Klein: Die Meinung von Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes der Familienunternehmer. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Adenauer, und auf Wiederhören.
Adenauer: Gerne, Frau Klein.