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Präsidentenwahl
Russlandfreundlicher Oppositionskandidat gewinnt in Bulgarien

Der russlandfreundliche Kandidat der Opposition, Rumen Radew, hat die Stichwahl für den Präsidentenposten in Bulgarien gewonnen. Fast 60 Prozent der Wähler gaben dem Ex-General ihre Stimme. Ministerpräsident Boiko Borisov erklärte direkt nach der Niederlage seiner EU-freundlichen Kandidatin Zezka Zatschewa den Rücktritt des Kabinetts.

Von Stephan Ozsváth | 14.11.2016
    Rumen Radew steht vor einer Schar von Journalisten, die ihm Mikrofone entgegenstrecken.
    Rumen Radew will die Beziehung von Bulgarien zu Russland verbessern. Der ehemaligen Luftwaffengeneral fordert unter anderem die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland. (NIKOLAY DOYCHINOV / AFP)
    Sieg, Sieg, riefen die Unterstützer von Rumen Radew, als am Abend die ersten Prognosen veröffentlicht wurden: Fast 60 Prozent der Wähler hatten dem ehemaligen Luftwaffen-General ihre Stimmen gegeben.
    "Heute hat die Demokratie in Bulgarien Apathie und Angst besiegt. Trotz des Regierungsbluffs und der Angstmache habt ihr die Veränderung gewählt," rief der Gewählte seinen Anhängern zu. "Die Wähler haben der Regierung eine schlechte Zensur gegeben."
    Radew will ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland
    Radew war als Kandidat der oppositionellen Sozialisten angetreten. Im Wahlkampf hatte sich der 53-Jährige für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland stark gemacht. Auch die Flüchtlingspolitik spielte eine Rolle im Wahlkampf. Radews Kontrahentin Zatscheva wurde von den Wählern abgestraft. Nur etwa ein Drittel stimmte für sie. Regierungschef Borisov hatte für den Fall ihrer Niederlage seinen Rücktritt angekündigt. Am Abend sagte er folgerichtig:
    "Nach dem Willen des Volkes sind wir jetzt Opposition. Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Regierungskoalition über keine Mehrheit mehr verfügt. Also werden wir am ersten Arbeitstag des Parlaments den Rücktritt dieses Kabinetts erklären."
    Neuwahlen im Frühjahr sind wahrscheinlich
    Der scheidende Präsident Plewneliew betonte, der Rücktritt der Regierung bedeute nicht zwingend eine parlamentarische Krise. Er werde mit allen Parteien im Parlament über eine Regierungsbildung verhandeln, kündigte er an. Wahrscheinlicher sind aber Neuwahlen im Frühjahr. Denn an Borisov als Chef der größten Partei GERB käme keine neue Regierung vorbei. Und er hatte eine Regierungsbildung unter diesen Umständen ausgeschlossen. Wahlsieger Radew teilte noch am Wahlabend gegen den Premier aus:
    "Borisov ist zwar ein Staatsmann", sagte der frischgewählte Präsident. Aber er verhalte sich nicht so. Er habe das Schicksal seines Kabinetts und Bulgariens mit seinem Ego verknüpft. Ein Staatsmann müsse aber sein Ego überwinden und die Macht teilen können. Es habe Borisov wohl erschreckt, mit jemand arbeiten zu müssen, den er nicht kontrollieren könne.
    Bulgarien ist das ärmste EU-Mitglied
    Schuld an der Zatscheva-Niederlage trägt auch Borisov selbst, werfen ihm Kritiker vor. Denn er hatte erst wenige Wochen vor der Wahl seine Kandidatin präsentiert. Die Befürworterin eines EU-Kurses blieb insgesamt sehr blass. Wahlsieger Radew sagte am Abend:
    "Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Dies ist der Beginn der wichtigsten Mission in meinem Leben: für ein sicheres und friedliches Bulgarien in Wohlstand zu arbeiten, in dem die Einheit den Hass und die Trennung der Vergangenheit besiegt wird."
    Wie es weiter geht, ist noch offen. In den letzten drei Jahren hatten die Bulgaren bereits dreimal eine neue Regierung wählen müssen. Das Land ist das ärmste EU-Mitglied.