Donnerstag, 09. Mai 2024

Archiv

Präsidentschaftswahl in Rumänien
Wahlkampf ohne Fernseh-Duell

Amtsinhaber Klaus Iohannis geht am Sonntag als Favorit in zweite Runde der Präsidentschaftswahl. Ein TV-Duell mit der Gegenkandidatin Viorica Dăncilă vermied er im Vorfeld der Wahl. Das könnte Iohannis Stimmen kosten.

Von Annett Müller | 22.11.2019
Wahlplakate mit dem Präsidentschaftskandidat Klaus Iohannis bedecken Bauten in Bukarest.
Für ein "normales" Rumänien. Die Kampagne des amtierenden Präsidenten Klaus Iohannis (Deutschlandfunk / Annett Mueller)
In einem Internetvideo wirbt Staatspräsident Klaus Iohannis für seine Wiederwahl am Sonntag: Da trinken junge Menschen unbekümmert Latte Macchiatto, brainstormen in Start-Ups oder warten in blitzblanken Krankenhausfluren. "Liebe Rumänen", verspricht Iohannis zum Schluss, "zusammen bauen wir ein normales Rumänien auf".
Doch viele seiner Landsleute wünschen sich diese Tage mehr als Werbebotschaften, das belegen hunderte von Facebook-Kommentaren. Sie wollen ihren Präsidenten, der der liberal-konservativen PNL nahesteht, im TV-Duell mit seiner politischen Gegnerin sehen: Ex-Regierungschefin Viorica Dăncilă, die die PSD anführt. Ein Streitgespräch sei bei den vorigen Wahlen Normalität gewesen, argumentieren viele Wähler. Iohannis, der seit Jahren im politischen Clinch mit der PSD liegt, sieht das anders:
"Unverschämtheiten" der Gegenkandidatin Dăncilă
"Frau Vasilica Viorica Dăncilă war an allen Unverschämtheiten der PSD aktiv beteiligt. Sie hat aktiv die Versuche unterstützt, die Justiz unter Kontrolle zu bringen. Ich kann eine Debatte mit einer solchen Person nicht akzeptieren."
Die bis vor kurzem regierende PSD bezeichnet sich selbst als sozialdemokratische Partei. Sie hatte in einer Koalition mit der liberalen Partei ALDE in den vergangenen drei Jahren eine umstrittene Justizreform auf den Weg gebracht, auch um eigene Politiker vor Strafermittlungen zu schützen. Ein Teil der umstrittenen Änderungen musste zurückgenommen und überarbeitet werden, weil der Präsident die Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen ließ. Der Bukarester Politikwissenschaftler Cristian Pârvulescu hält das für den größten Erfolg von Staatschef Klaus Iohannis:
"Der direkt gewählte Präsident hatte in seiner gesamten Amtszeit keine parlamentarische Mehrheit an seiner Seite. Und dennoch hat er es geschafft, das Überleben der liberalen Demokratie zu sichern, die in anderen Ländern um uns herum abgebaut wurde. Ohne den Widerstand von Iohannis wäre der Rechtsstaat in Rumänien jetzt demontiert."
Seine innenpolitischen Vorhaben im Bildungs- und Gesundheitsbereich blieben jedoch auf der Strecke. Im semipräsidentiellen System von Rumänien braucht Iohannis dafür eine ihm wohlgesonnene Regierung, wie er sie erst seit November an seiner Seite hat.
Allerdings fehlt der neuen Regierung eine Mehrheit im Parlament, so dass sie innenpolitisch wohl so wenig ausrichten kann wie der Präsident, meint Rechtsexpertin Laura Stefan vom Bukarester Think Tank "Expert Forum" - politische Engpässe, die Iohannis den Wählern stärker erklären sollte:
Sorge um das Einkommen und Sorge um Rechtsstaat
"Als Präsident muss man reden. Das Wort ist das Hauptinstrument, das ein Staatschef in Rumänien hat, wenn wir uns die Verfassung ansehen und die Gesetzgebung, die seine Befugnisse beschreibt."
Medienauftritte von Iohannis waren in den letzten Jahren selten. Trotzdem kommt er bei den Wählern gut an. Sie schätzen, dass er für den Rechtsstaat einsteht und das Land besonnen auf internationalem Parkett vertritt. Am Sonntag geht er als Favorit in die Wahl. Seine Herausforderin Dăncilă punktet vor allem mit Gehalts- und Rentenerhöhungen, die die Koalition unter Führung der PSD umgesetzt hatte. Einen großen Teil der Wähler treibt die Sorge um das Einkommen mehr um als die Sorge um den Rechtsstaat. Rechtsexpertin Laura Stefan hätte sich auch deshalb ein Rededuell zwischen beiden Spitzenkandidaten gewünscht:
"Eine TV-Debatte ist doch eine ganz normale Sache in einer Demokratie. Schließlich hat die Wählerschaft das Recht hat, informiert zur Wahl zu gehen."
Die Wähler könnten am Sonntag deutlich machen, was sie davon halten. Soziologen befürchten die niedrigste Beteiligung bei einer rumänischen Präsidentschaftswahl seit 1990.