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Präsidentschaftswahlen in Frankreich
Neuer Aufwind für Emmanuel Macron?

Der unabhängige französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat mit dem erfahrenen Mitte-Politiker François Bayrou einen wichtigen Bündnispartner gewonnen. Der kommt gerade recht, Macron war zuletzt in die Defensive geraten. Die Allianz mit Bayrou kann nun womöglich sogar die Gewichte im Wahlkampf verschieben.

Von Anne Raith | 23.02.2017
    Sie sehen den französischen Politiker und früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, hier auf einer Verantstaltung seiner Bewegung "En Marche" in Paris.
    Emmanuel Macron geht als unabhängiger Präsidentschaftskandidat ins Rennen um den Elysée-Palast. (AFP / Eric Feferberg)
    Emmanuel Macron macht Station in London und Tausende jubeln ihm zu. Die Zahl seiner Anhänger ist in den vergangenen Wochen rasant gestiegen. Bald sollen es nach eigenen Angaben 200.000 sein, die sich in ganz Frankreich und über die Landesgrenzen hinaus für "En Marche!", die Bewegung des parteiunabhängigen Präsidentschaftskandidaten, engagieren. Zu seinen Unterstützern gehören auch prominente Sozialisten, wie der Bürgermeister von Lyon.
    "Macron! Präsident!" skandieren seine Anhänger regelmäßig bei seinen öffentlichen Auftritten und die letzten Umfragen schienen ihnen Recht zu geben. Doch während Macron in London als erster der französischen Präsidentschaftskandidaten von Premierministerin May empfangen wird, machen in der Heimat neue Umfragewerte die Runde, nach denen Macron auf 17 Prozent abrutscht und damit hinter Marine Le Pen und Francois Fillon auf Platz drei landet.
    Viele kritisieren, dass Macron kein Programm habe
    Macron verführe, aber er überzeuge nicht. Wie der ehemalige republikanische Arbeitsminister und Fillon-Unterstützer Éric Woerth kritisieren viele politische Kontrahenten, dass Macron kein Programm habe. Was nicht ganz fair ist. Denn Teile davon hat er schon vorgestellt. Doch da wo er konkret wird, ist er in den vergangenen Tagen zunehmend angeeckt. Was ihn Stimmen gekostet haben könnte.
    Zwei Beispiele. Beispiel eins: Bei seinem Besuch in Algerien verurteilt Emmanuel Macron Frankreichs Kolonialpolitik als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und löst damit eine Welle der Empörung aus. Besonders im Süden des Landes, wo er bei einem Wahlkampfbesuch von Passanten ausgebuht wird. Doch auch seinen politischen Gegnern im rechten Lager liefert er eine willkommene Angriffsfläche. Kurz darauf relativiert er und ruft, in Anlehnung an Charles de Gaulle: "Ich habe euch verstanden".
    Überzeugt hat er der 39jährige Kandidat seine politischen Gegner damit nicht. Unreif sei das gewesen, findet Éric Woerth. Und auch jene, die er mit seiner Kritik an der französischen Kolonialpolitik gewinnen wollte, sind skeptisch: "Ich hätte das nicht gesagt", meint Said, ein gebürtiger Algerier, "diese Geschichte wird von beiden Seiten immer wieder instrumentalisiert". "Das macht er nur, um gewählt zu werden", glaubt Sofia, die vor 50 Jahren aus Marokko eingewandert ist.
    Wendepunkt im Präsidentschaftswahlkampf
    Zweites Beispiel: Die sogenannte "Ehe für alle" war eines der Projekte der sozialistischen Regierung, das landesweite Proteste ausgelöst hat. In einem Zeitungs-Interview zeigte Macron vergangene Woche nun Verständnis, und zwar für jene, die sich von der gleichgeschlechtlichen Ehe "gedemütigt" gefühlt hätten. Wieder sorgen seine Äußerungen für heftigen Widerspruch, wieder relativiert er, es sei ihm um die Art der Umsetzung gegangen.
    "Ich bin für die Ehe für alle. Ich werde sie verteidigen und ich werde sie schützen." Kommende Woche nun will Emmanuel Macron sein Programm vorstellen. Seinen "Vertrag mit der Nation", wie er ihn nennt. Möglicherweise klären sich dann alle noch offenen Fragen. Möglicherweise ist aber auch das Gegenteil der Fall.
    Seit gestern hat Macron immerhin einen prominenten Unterstützer mehr, einen nicht ganz unwichtigen: Der Zentrumspolitiker François Bayrou hat auf eine eigene Kandidatur verzichtet und Macron ein Bündnis angeboten. Der 65-jährige war schon drei Mal Kandidat für das höchste Staatsamt und kam 2012 auf knapp über neun Prozent. Und Macron hat akzeptiert. Das sei ein Wendepunkt im Präsidentschaftswahlkampf.