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Präsidentschaftswahlen in Polen
Keine Chance für die Linken

Am kommenden Sonntag wählen die Polen einen neuen Präsidenten - eine Präsidentin wird es wohl kaum werden, wenn man den neuesten Umfragen Glauben schenkt. Denn die einzige weibliche Bewerberin um das Amt ist Magdalena Ogorek, die für die linke SLD antritt - und linke Politik hat es in Polen derzeit schwer.

Von Florian Kellermann | 08.05.2015
    Magdalena Ogorek hatte von Anfang an eine miserable Presse. Die Kommentatoren behaupteten, sie sei hübsch und nur deshalb Kandidatin für die Präsidentenwahl geworden. Sie hoben hervor, dass die 36-Jährige kaum politische Erfahrung hat. Trotzdem tritt sie am Sonntag für die größte linke Partei in Polen an - für das "Bündnis der demokratischen Linken", kurz SLD.
    Der Wahlkampf bestätigte die Kritiker. Magdalena Ogorek verunsicherte die SLD-Wähler mit einem extrem wirtschaftsfreundlichen Programm:
    "Ich spreche aus einem bestimmten Grund oft davon, dass wir die Wirtschaft befreien und den Unternehmern helfen müssen. Die Unternehmer haben mir nämlich immer wieder versichert: Wenn sie vom Staat nicht wie potenzielle Verbrecher behandelt werden, sondern wie ein nationales Gut, dann werden sie Arbeitsplätze schaffen. Und zwar Festanstellungen, keine Zeitverträge."
    Die SLD stellte noch vor zehn Jahren die polnische Regierung. Aus ihr stammt der ehemalige Präsident Aleksander Kwasniewski.
    Doch Magdalena Ogorek hat keine Chance auf den Posten. Gerade einmal vier Prozent werden sie übermorgen wählen, sagen Umfragen.
    Die linke Szene rätselt, warum SLD-Chef Leszek Miller auf sie setzte, so auch der Soziologe Maciej Gdula:
    "Es gibt zwei Erklärungen. Zum einen wollte Miller nicht selbst kandidieren, damit ein schlechtes Abschneiden nicht an ihm hängen bleibt. Zum anderen sollte ein schwacher Kandidat eine Geste an die Regierungspartei "Bürgerplattform" sein. Die Kalkulation: Wenn die SLD dem amtierenden Komorowski keine Stimmen wegnimmt, dann werde die Bürgerplattform eine Koalition mit der SLD eingehen. Aber jetzt ist fraglich, ob die SLD bei der Parlamentswahl im Herbst überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde überspringen wird."
    Die SLD speiste sich noch aus Politikern der PZPR, der Staatspartei im kommunistischen Polen. Aber auch neue linke Projekte hatten höchstens kurzfristige Erfolge, so vor vier Jahren die Partei von Janusz Palikot.
    Das ist erstaunlich für ein Land, in dem die meisten Menschen noch immer viel weniger verdienen als der EU-Durchschnitt.
    Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren konservativer geworden
    Ein Grund für das Fehlen einer neuen linken Kraft ist, dass zwei konservative Parteien seit Jahren die öffentliche Debatte beherrschen. Das ist die rechtsliberale "Bürgerplattform", aus der Präsident Komorowski stammt und die rechtskonservative PiS von Jaroslaw Kaczynski. Der Publizist Robert Walenciak:
    "Die Politiker und Fürsprecher der "Bürgerplattform" treten gar nicht mehr auf, um das Programm der Partei zu verteidigen. Sie wollen eigentlich nur die PiS attackieren. Vor fünf bis zehn Jahren haben die Politiker bei uns noch über ihre Absichten, über Ideen gesprochen, das ist vorbei."
    Beide große Parteien nehmen außerdem Elemente einer linken Politik auf, zumindest rhetorisch. Die "Bürgerplattform" gibt sich weltanschaulich liberal, die PiS spricht von sozialer Gerechtigkeit. Einmal an der Macht haben die Parteien aber nur wenig von diesen Programmpunkten umgesetzt.
    Linke Politik hat es in Polen auch deshalb schwer, weil die Gesellschaft in den vergangenen Jahren konservativer geworden ist. Deutlich mehr Menschen wollen etwa, dass der Staat Abtreibung verbietet. Auch Arbeiterproteste stoßen kaum auf Sympathie, das erlebten im Winter die streikenden Bergleute.
    Dieser Trend könne sich aber wieder umkehren, meint der Soziologe Gdula. Dafür brauche es charismatische Politiker.
    "Ein gutes Beispiel dafür, dass die Polen nicht alle erzkonservativ sind, ist der Bürgermeister in Slupsk. Er ist der langjährige Vorsitzender einer Organisation, der für die Rechte Homosexueller kämpft. Slupsk ist eine kleine Stadt an der Ostsee, traditionell geprägt, sollte man meinen, und trotzdem haben sie einen Schwulen gewählt."
    Dennoch: Im Moment sieht es danach aus, dass die polnische Linke nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in diesem Jahr noch einmal von Null beginnen muss.