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Prävention
Schutz vor sexueller Gewalt in Schulen

Wie kann sexuelle Gewalt in Schulen verhindert werden? Und was tun, wenn ein betroffener Schüler sich offenbart? Auf Einladung des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung wurden diese Fragen von Fachleuten und Betroffenen in Berlin diskutiert. Ihr Ziel: ein Schutzkonzept für jede Schule.

Von Claudia van Laak | 15.03.2016
    Ein junges Mädchen blickt am 24.01.2014 in Berlin aus einem Fenster.
    Wie viel Nähe ist wichtig, wie viel Distanz ist nötig? Darüber müsse Klarheit in jeder Schule herrschen, sagt Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts. (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    Ein Schutzkonzept für jede Schule – das wünscht sich der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig. Seit Langem ist er darüber im Gespräch – mit den Bildungsministern der Länder, mit der Kultusministerkonferenz. Jetzt kann Rörig einen ersten Erfolg vermelden:
    "Wir werden ein länderspezifisches Online-Portal zur Verfügung stellen, über das alle 30.000 Schulen in Deutschland konkrete Unterstützung bekommen können, um das Thema Schutz vor sexualisierter Gewalt in ihrer Schule voranzubringen."
    Dem Missbrauchsbeauftragten ist es wichtig, die Erfahrungen und Anliegen der Opfer mit einzubringen – er hat einen Betroffenenrat ins Leben gerufen, dem auch Catarina Beuster angehört. Die Mediatorin und Erziehungswissenschaftlerin wurde als Schülerin von ihrem Lehrer sexuell missbraucht.
    "Ich hab mich als Kind an Erwachsene gewandt und habe darüber gesprochen, dass mir etwas passiert ist, was nicht in Ordnung ist und ich bin auf ganz viel Hilflosigkeit gestoßen."
    Schüler an der Erarbeitung eines Schutzkonzepts beteiligen
    Eine einschneidende Erfahrung für die heute 31-Jährige. Braucht es doch viel Mut, um als Schülerin, als Schüler darüber zu sprechen, wenn man von einem Lehrer bedroht und missbraucht wird. Die Erwachsenen, denen sich Catarina Beuster damals offenbarte, reagierten zwar mit Mitgefühl und Betroffenheit, halfen ihr aber nicht weiter. Und die Schule? Blockte ab, erzählt sie.
    "Was mir gefehlt hat, war ein ganz klares Signal an mich: Dass was passiert ist, war nicht in Ordnung und es muss Konsequenzen geben. Die hat es nicht gegeben. Und mir sitzt bis heute ein Satz im Nacken – und das treibt mich unglaublich an - 'Der Ruf der Schule darf nicht gefährdet werden.'"
    Das deutsche Jugendinstitut hat eine qualitative Untersuchung zum Thema Prävention an Schulen durchgeführt. Ein wichtiges Ergebnis: Die Schülerinnen und Schüler sollten an der Erarbeitung eines Schutzkonzepts beteiligt werden. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts:
    "Es kann und darf keine Top-down-Kultur sein, dass die Fachkräfte sich damit auseinandersetzen, sondern dass die Kinder lernen, natürlich altersentsprechend, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Es bedarf einer bestimmten Art von Sexualpädagogik. Wichtig ist, die normale kindliche Sexualität zu trennen von dem, wo es übergriffig wird und wo sie eine bestimmte Widerstandskraft entwickeln müssen."
    Schutzkonzept regelmäßig überprüfen
    Wie viel Nähe ist wichtig, wie viel Distanz ist nötig? Darüber müsse Klarheit in jeder Schule herrschen, sagt Thomas Rauschenbach. Ebenfalls wichtig: Die Schulleitung und jeder einzelne Lehrer müssten wissen, was zu tun sei, wenn betroffene Schüler sich offenbarten.
    "In dem Zuge müssen Lehrer ein Gespür dafür kriegen, was sie selber leisten können. Da ist dann auch die Schulsozialarbeit gefragt, das muss jetzt nicht der Fachlehrer für Mathematik machen, aber er muss wenigstens wissen, an wen kann ich mich wenden. Wo ist jemand, wenn ein Problem auftritt?"
    Den Schulen, die sich bei diesem Thema überfordert fühlen, rät der Direktor des Deutschen Jugendinstituts Thomas Rauschenbach, sich stärker öffnen, Rat und Hilfe von außen holen. Und wenn ein Schutzkonzept erarbeitet sei: Bitte nicht in der Schublade liegen lassen, sondern regelmäßig überprüfen.