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Präventionsgesetz
Noch nicht in der Praxis der Suchtprävention angekommen

Mit dem Präventionsgesetz sollen durch Impfschutz, Früherkennungsuntersuchung und generell Gesundheitsförderung Krankheiten vermieden werden, bevor sie überhaupt entstehen. In Sachen Suchtprävention läuft die Umsetzung allerdings noch nicht optimal.

Von Christina Sartori | 29.11.2016
    Viele Schnapsflaschen stehen vor einer beleuchteten, farbigen Wand in einem Restaurant in Leipzig.
    Um zum Beispiel den Alkoholkonsum von Jugendlichen zu verringern reicht es nicht, einige Plakate aufzuhängen oder mit einigen Schülern zu sprechen. (pa/dpa/Heinz)
    Gut Ding will Weile haben, sagt man – aber irgendwann sollte dann die Weile auch zu Ende sein, findet Wolfgang Schmidt-Rosengarten, Geschäftsführer der hessischen Landesstelle für Suchtfragen in Frankfurt.
    "Anderthalb Jahre nach Verabschiedung des Präventionsgesetzes gibt es immer noch zu wenig konkrete Vorgaben, Vorstellungen, die Regularien sind noch nicht ausgearbeitet, sodass wir im Moment überhaupt noch nicht wissen: Was ist über das Präventionsgesetz zukünftig für die Suchtprävention konkret finanzierbar."
    Zögerliche Umsetzung in der Suchtprävention
    Dr. Thomas Steffens, von der Diakonie Deutschland, zuständig für medizinische Rehabilitation, Prävention und Selbsthilfe, sieht das ähnlich:
    "Bislang sieht es so aus, dass die Umsetzung sehr zögerlich, sehr schwierig, sehr problematisch doch ist. Vielleicht kann man es auf den Punkt bringen: Es läuft bislang weiter wie es bislang auch schon gelaufen ist, etwas Neues ist nicht geschehen."
    Dementsprechend läuft bei der Förderung von Maßnahmen für Suchtprävention alles wie bisher, beschreibt Wolfgang Schmidt-Rosengarten:
    "Im Moment heißt das Prozedere für die Praxis, das einzelne Träger bei Krankenkassen Anträge stellen können für Präventionsaktivitäten und die Krankenkassen das in vielen Fällen auch finanzieren, weil auch die Mittel in dem Präventionstopf erhöht wurden durch dieses Gesetz, aber abgestimmte, übergreifende Präventionsmaßnahmen im Moment überhaupt noch nicht greifen."
    Erhofft hatte man sich von dem Präventionsgesetz auch einen längeren Atem, denn dort wird betont, dass die Lebensverhältnisse geändert werden sollen, um Gesundheit zu fördern. Um zum Beispiel den Alkoholkonsum von Jugendlichen zu verringern reicht es nicht, einige Plakate aufzuhängen oder mit einigen Schülern zu sprechen. Dazu bedarf es einer regelmäßigen Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schulen und Betrieben. Mit den bisher üblichen Förderdauern von ein, zwei oder drei Jahren sei das nicht möglich, kritisiert Schmidt-Rosengarten. Doch anscheinend wird es in diesem Punkt keine wesentliche Verbesserung geben, befürchtet er:
    "Bis jetzt gibt es Aussagen seitens der Krankenkassen, dass sie Präventionsmaßnahmen, Projekte, maximal drei bis vier Jahre fördern würden. In drei bis vier Jahren kann ich aber keine Strukturen ändern. Unsere Befürchtung ist es dass diese Projektitis, wie wir sie nennen, die in den letzten Jahren in der Suchtprävention Standard geworden ist, sich einfach weiter fortsetzt. Und grundlegende, langfristige, kontinuierliche Präventionsarbeit dadurch nicht unterstützt wird."
    Krankenkassen finanzieren die Umsetzung
    Den Krankenkassen kommt eine sehr bedeutende Rolle zu bei der Umsetzung des Präventionsgesetzes, weil sie die Umsetzung finanzieren. Das sei wahrscheinlich eine der Ursachen, warum es bisher nicht so optimal mit der Umsetzung des Gesetzes läuft, vermutet Thomas Steffens von der Diakonie Deutschland:
    "Der erste Fehler ist der, dass nur die Krankenkassen, aber nicht andere Sozialleitungsträger, auch der Bund nur in ganz geringem Maße, auch die Länder, auch die Kommunen, nicht mit finanziellen Beiträgen sich beteiligen müssen. Da kommt so eine Schieflage rein, ein Handlungsdruck der auf Krankenkassen lastet, die aber zunächst einmal nur sich und ihren Versicherten verpflichtet sind und nicht die Perspektive haben, mit anderen gemeinsam gute Projekte zu machen."
    Auch fehlende Transparenz und fehlende Mitbestimmung derjenigen, die wirklich in der Suchtprävention arbeiten, tragen nach Meinung von Thomas Steffens dazu bei, dass das Präventionsgesetz bisher in der Praxis noch nicht angekommen ist. Wie das Gesetz praktisch umgesetzt wird, formuliert jedes Bundesland in einem eigenen Rahmenplan. Hessen war das erste Bundesland, das einen solchen Plan erstellte – doch noch lange nicht alle Länder sind anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Präventionsgesetzes so weit. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Umsetzung des Präventionsgesetzes in der Suchtprävention in den nächsten anderthalb Jahren besser läuft.