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Präventiv in eine stabilere Euro-Zone

Private Gläubiger müssen in Zukunft einen substanziellen Beitrag leisten, fordert Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstands-Union. Man könne die Steuerzahler nicht immer wieder in Bürgschaftssituationen bringen, wenn die Gläubiger "völlig ungeschoren bleiben".

Hans Michelbach im Gespräch mit Christian Bremkamp | 08.04.2011
    Christian Bremkamp: Das Wachstum zieht in Europa wieder an, doch für Entwarnung ist es zu früh. Die Schuldenkrise bedroht weiter Länder wie Griechenland, Irland, oder eben Portugal. Lissabon hat nun eine Entscheidung getroffen und hat ganz offiziell um Unterstützung gebeten, will europäische Milliarden-Hilfen annehmen. Am Telefon begrüße ich jetzt Hans Michelbach, er ist Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion und Mitglied im Bundestags-Finanzausschuss. Guten Tag, Herr Michelbach.

    Hans Michelbach: Guten Tag.

    Bremkamp: Portugal bittet um finanzielle Hilfe - endlich, sagen die einen. Was sagen Sie?

    Michelbach: Ja, es ist natürlich in meiner Seele, in meiner Brust eine geteilte Stimmung. Auf der einen Seite braucht man natürlich im gemeinsamen europäischen Interesse keinen unkontrollierten Zahlungsausfall eines Euro-Staates und damit gravierende Auswirkungen auf die Finanzstabilität der Euro-Zone. Auf der anderen Seite darf es nicht einen vorauseilenden Gehorsam geben, möglichst schnell Portugal ohne klare, strikte Auflagen auch Geld zu geben. Also das muss sehr intensiv geprüft werden. Und der dritte Punkt: Was ist mit einem Mechanismus, überhaupt einen Euro-Staat einmal abzuwickeln, wenn er die Auflagen nicht erfüllt und damit kein Geld aus der Gemeinschaft erhalten kann.

    Bremkamp: Da fehlt also noch was, Ihrer Meinung nach?

    Michelbach: Ja. Wir haben einige Lücken noch in diesem ganzen Paket. Bisher war es ja so: es gab eine Zusage, alle Staatsanleihen würden aus der Gemeinschaft bedient. Wir haben die Lücke auch bei der privaten Gläubigerhaftung. Die privaten Gläubiger müssen einen substanziellen Beitrag in der Zukunft nach meiner Meinung leisten.

    Bremkamp: Damit meinen Sie die Banken, auch die deutschen Banken?

    Michelbach: Selbstverständlich! Wir können natürlich nicht den Steuerzahler immer wieder in die Bürgschaftssituation bringen, wenn die Gläubiger, die das Geschäft gemacht haben, völlig ungeschoren bleiben. Also es gibt mehreren Handlungsbedarf auch nach dem jetzigen Fall Portugal, oder in Verbindung mit dem Fall Portugal. Wir müssen die Einstimmigkeit bei den jetzt anstehenden Mechanismusbeschlüssen natürlich aus deutscher Sicht sehr verantwortungsbewusst wahrnehmen.

    Bremkamp: Bleiben wir mal kurz beim Status quo, sprich Portugal. Da sei Geld genug da, sagt Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker. Also ganz so schlimm ist es im Moment offenbar noch nicht. Oder doch?

    Michelbach: Ja gut, Geld ist zwar natürlich vorgesehen in dem gesamten Paket, aber es ist natürlich immer die Frage: Wir haben jetzt den dritten Fall, also der dritte Dominostein, und was ist, wenn eine Ansteckungsgefahr für den nächsten stattfindet, weil die Märkte natürlich meinen, dass andere Länder ebenfalls in der Schuldenkrise sind. Also es geht darum, dass man präventiv und jetzt im Handeln raus aus der Schuldenfalle kommt, um wieder Stabilität in der gesamten Euro-Zone zu erreichen.

    Bremkamp: Da hätte die Bundesregierung, da hätte die Kanzlerin ja auch Druck machen können. Jetzt haben wir diesen Fall, jetzt ist das dritte Land so verschuldet, dass es Kredite braucht. Hat da die Bundesregierung geschlafen?

    Michelbach: Nein. Die Bundesregierung versucht, eine harte Haltung durchzusetzen. Allerdings sind wir natürlich mehr Länder in der Euro-Zone. Man hat jetzt den Pakt für den Euro beschlossen im letzten Ratsgipfel in der vorletzten Woche des März. Ich glaube, dass wir daran festhalten müssen, dass dieser Pakt für den Euro jetzt auch stärkere verbindliche Sanktionen noch bekommt. Da muss noch mal nachgebessert werden, da konnte man sich nicht gegenüber anderen Ländern durchsetzen. Aber der Fall Portugal zeigt, dass es nach wie vor Handlungsbedarf gibt, sowohl bei den privaten Gläubigern, wie aber auch bei der Sanktionierung von Schuldnerstaaten.

    Bremkamp: Sparansätze gab es ja in Portugal. Letztlich ist darüber sogar die Regierung auseinandergebrochen. Steckt der Fehler nicht im System, im Instrument an sich?

    Michelbach: Ja gut, die Schulden hat Portugal natürlich schon selbst zu verantworten. Man braucht ein gesamtwirtschaftliches Anpassungsprogramm, und der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank müssen hier jetzt hart herangehen. Man muss ja auch feststellen, dass die Defizitquote von den Portugiesen wieder wie bei Griechenland falsch angegeben wurde. Man hat angegeben 7,1 Prozent Defizit, in Wahrheit waren es aber 8,6 Prozent Defizit. Das heißt also, diese Beschönigungen können einfach nicht so weitergehen und man muss hier auch an die EU-Kommission natürlich appellieren, ihrer Aufgabe nachzukommen. Es kann in keinem Fall sein, dass der EU-Präsident Barroso, weil er aus Portugal kommt, hier einen Bonus für sein eigenes Land gewährt.

    Bremkamp: Warum geht das denn immer so weiter? Die Aufregung war groß im letzten Jahr bezüglich Griechenland, alle beschworen, es wird alles besser, es wird alles anders. Nur offenbar ist ja nicht so viel anders geworden.

    Michelbach: Wir kämpfen natürlich um die Instrumente in Europa, und da braucht es natürlich Einstimmigkeit. Wir haben ja auf nationaler Basis ein Banken-Restrukturierungsgesetz auf den Weg gebracht, das bräuchte man auch in der Euro-Zone, um Länder-Restrukturierung durchsetzen zu können. Dagegen steht natürlich die nationale Souveränität dieser Länder. Wir haben also kein Abwicklungsregime wie bei systemischen Banken, die letzten Endes in nationaler Hoheit auch mit dem Durchgriff an die Kandare genommen werden können.

    Bremkamp: Müsste man diese nationale Souveränität nicht vielleicht einfach einschränken, wenn wir jetzt schon den Fall drei haben?

    Michelbach: Man muss sehen, dass hier einfach eine Gemeinschaft vorhanden ist, die keine Haftungsgemeinschaft auf der einen Seite ist, aber doch zumindest eine Solidargemeinschaft, und wenn diese Solidarität, nämlich der Weg aus der Schuldenfalle, mit striktem Anpassungsprogramm nicht gegangen wird, dann muss man letzten Endes härtere Bandagen anlegen und muss sagen, so geht es nicht weiter. Also das ist die große Aufgabe, die hier besteht. Wir wollen auf der einen Seite natürlich die Wirtschafts- und Währungsunion sichern, weil wir davon letzten Endes als Wirtschaftsstandort Deutschland profitieren. Auf der anderen Seite kann es kein unkontrollierter Weg werden, der uns auch in Schwierigkeiten bringt. Wir brauchen natürlich das Triple-A-Rating als Deutschland natürlich im Wesentlichen.

    Bremkamp: Denn irgendwann werden die Menschen das der Regierung wahrscheinlich nicht mehr abnehmen. Wenn es dann heißt, wir beteiligen uns an Bürgschaftsaktionen, werden die Menschen sagen, aber nicht mehr mit uns, wenn es zum Beispiel dann auch noch Spanien trifft.

    Michelbach: Das werden die Menschen natürlich sagen, und es kann nur Geld gegen zielführende Reformen in diesen Schuldnerstaaten geben, damit man wieder auf den Pfad der Tugend zurückkommt und letzten Endes die Lücken der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion schließt.

    Bremkamp: Ist vielleicht zu viel von Krediten die Rede und zu wenig vom Erwirtschaften?

    Michelbach: Zunächst einmal ist klar, dass die Länder, die Schuldnerländer weit über ihre Verhältnisse gelebt haben und natürlich mit billigem Geld aus der Europäischen Zentralbank letzten Endes eine lockere Politik und ihr Wachstum gewissermaßen durch Kredite finanziert haben, und das geht, wie wir wissen, auf Dauer nicht gut. Und die Finanzkrise hat an Brisanz durch dieses Handeln in Europa leider noch nicht verloren und man muss besorgt bleiben. Die Schuldenkrise darf nicht in immer weitere Runden gehen.

    Bremkamp: Hans Michelbach war das, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion und Mitglied im Bundestags-Finanzausschuss. Herr Michelbach, ich danke Ihnen.

    Michelbach: Vielen Dank.

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