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Premiere
Erneuerbare Energien haben Nase vorn

Zum ersten Mal schaffte die erneuerbare Wind-, Sonnen-, Wasser- und Bioenergie zusammen fast 28 Prozent der Stromversorgung in Deutschland. Allerdings geht der Ausbau der Erneuerbaren mittlerweile nur noch langsam voran, die Bundesregierung will damit den Anstieg der Strompreise bremsen.

Von Söhnke Gäthke | 13.10.2014
    Arbeiter installieren Solarzellen auf einem Dach, aufgenommen am 06.03.2012 in Igersheim.
    Die Bundesregierung ringt um Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). (dpa picture alliance / Daniel Kalker)
    Seit Jahren springt die Umlage für die Finanzierung Erneuerbarer Stromerzeuger jedes Jahr höher. Der Grund schien der rasant steigende Ausbau vor allem der Fotovoltaik zu sein: Mehr Solarzellen gleich höhere Umlage. Doch der Schein trügt, die Rechnung geht schon lange nicht mehr auf: Denn in einem gemeinsamen Takt stiegen Umlage und Einspeisevergütung nur bis 2009 - bis zu diesem Jahr verkauften die Stromversorger den erneuerbaren Strom, die Differenz zur Summe der Einspeisevergütung wurde auf die Stromkunden umgelegt.
    "Und dieser Mechanismus war zum damaligen Zeitpunkt, da man die Prognosen der Erneuerbaren noch nicht so ausgefeilt hatte, relativ simpel gestrickt, er hat es möglich gemacht, damit monatlich umzugehen."
    erklärt Eva Hauser vom IZES in Saarbrücken. Nach diesem alten Verfahren betrug die EEG-Umlage 2009 gerade einmal 1,33 Cent pro Kilowattstunde - genug, um den Anlagenbesitzern 10,45 Milliarden Euro auszuzahlen.
    "Und dann hatte man ab 2010 diese Berechnung der EEG-Umlage, geändert. Und nun hat man zwei Teile, ganz grob gesagt, zwei Teile daraus gemacht: Der erste Teil sind die Erlöse des Stroms aus dem Verkauf auf dem Spotmarkt der Leipziger EPEX."
    Börsenpreis stark gefallen
    Das übernehmen jetzt die Übertragungsnetzbetreiber. Der zweite Teil ist wiederum ein Ausgleich der Differenz zwischen den Einnahmen aus dem Verkauf des Erneuerbaren Stroms - jetzt an der Börse - und der Auszahlung an die Anlagenbesitzer. Diese Summe wird wieder auf die Stromkunden umgelegt. Der Börsenpreis ist jedoch in den vergangenen Jahren stark gefallen. Dies muss durch eine höhere Umlage ausgeglichen werden. Nach dem neuen Verfahren müssen die Stromkunden für knapp 22 Milliarden Euro Einspeisevergütung mehr als sechs Cent pro Kilowattstunde aufbringen. Die Umlage ist damit gut viereinhalb Mal so hoch wie 2009, obwohl die Anlagenbesitzer nur knapp zweimal so viel ausgezahlt bekommen. Eva Hauser:
    "Das konnte man vorhersehen, definitiv. Das ist jetzt nicht so, dass das absolut unerklärbar gewesen wäre, im Voraus, es gab auch durchaus wissenschaftliche Berichte, die darauf hingewiesen haben."
    Das Ausmaß des Preisverfalls allerdings hat die Experten überrascht. Zum einen war 2009 der rasante Ausbau der Fotovoltaik noch nicht angelaufen, zum anderen der rapide Preisverfall für die CO2-Zertifikate der Kohlekraftwerke noch nicht absehbar.
    "Eine weitere Ursache ist auch, dass wir einfach eine Überkapazität an Kraftwerken im Markt haben, also es wurden auch viele Konventionelle Kraftwerke zugebaut und nicht genügend andere abgeschaltet, das ist auch einfach ein Überangebot."
    Ergänzt Johannes Mayer vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Die Börse ist allerdings nicht der einzige Preistreiber - auch die seit 2010 deutlich ausgeweiteten Ausnahmen von der Umlage für die Industrie ließen jene auf unvorhersehbare Weise weiter steigen - ohne, dass dafür eine erneuerbare Kilowattstunde mehr ins Netz floss.
    Umlage bewusst höher angesetzt
    Dass sich die erste Große Koalition unter Angela Merkel trotzdem für dieses Verfahren entschied, liegt daran, dass es deutlich transparenter sein sollte als das alte.
    "Die Transparenz ist definitiv da. Dafür haben wir jetzt in der Tat andere Fragestellungen."
    Die Frage ist, wie die Umlage stabil gehalten werden kann, wenn ein Bremsen des Ausbaus von Wind- und Solaranlagen kaum noch einen Einfluss auf ihre Höhe hat.
    Dass die Umlage 2015 sinkt, hat denn auch nichts mit den atmenden Deckeln zu tun, die seit 2012 den Ausbau der Fotovoltaik scharf abbremsen: Die Umlage für dieses Jahr wurde bewusst zu hoch angesetzt - damit am Ende des Jahres ein sattes Plus auf dem Konto steht.