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Premierminister Blair angeschlagen

Stefan Heinlein: Am Telefon ist nun Professor Charlie Jeffrey. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Birmingham. Guten Morgen.

    Charlie Jeffrey: Guten Morgen.

    Heinlein: Jubel im Parlament, Blair hat, wenn auch knapp, gewonnen. Was ist denn dieser Sieg wert?

    Jeffrey: Es ist ein sehr knapper Sieg für Tony Blair und einer, der eigentlich seine Autorität schwächt. Der Sieg wurde eigentlich von Vertrauten des Finanzministers Brown geliefert und wir haben im letzten Jahrzehnt gesehen, dass Gordon Brown und Tony Blair eine starke Rivalität haben und dass Brown Ambitionen auf das Amt des Premierministers hat. Man könnte glauben, er ist ein bisschen näher drangekommen, indem er diesen Sieg für Blair lieferte.

    Heinlein: Auf dem Papier ist es ein Sieg für Tony Blair, aber dennoch haben die Labour-Traditionalisten, der linke Flügel der Partei, gezeigt, dass man mit ihnen rechnen muss und Blair auch in Zukunft auf sie Rücksicht nimmt.

    Jeffrey: Das stimmt, Blair hat diese Politik der Studiengebühren vorbereitet ohne die Mitbestimmung von vielen im Parlament. Aber es geht nicht nur um den linken Flügel. Blair ist schon sieben Jahre im Amt und hat in diesen sieben Jahren natürlich einige Minister entlassen und es gibt eine Koalition der Entlassenen, die nicht mehr in der Regierung sind und wahrscheinlich nicht mehr reinkommen und die haben auch ihre Frustration in dieser Sache der Studiengebühren ausgedrückt.

    Heinlein: Ist Blair durch diese Mischung aus Enttäuschung und Parteilinken erpressbar geworden?

    Jeffrey: Ja, sicherlich ein bisschen. Mit einem so knappen Sieg von fünf Sitzen, wenn er im Prinzip eine Mehrheit von mehr als 170 hat. Das zeigt, dass er ein Problem damit hat, seine Partei im Parlament für seine Politik zu gewinnen. Er ist eigentlich kein Labour-Traditionalist, er ist für Lösungen, die mit privatwirtschaftlichen Methoden arbeiten, offen, und das ist problematisch für viele in der Partei.

    Heinlein: Ist damit dieser privatwirtschaftliche Kurs, das ganze Projekt New Labour, gefährdet durch die angeschlagene Autorität des Premierministers?

    Jeffrey: Er muss sicherlich ein bisschen vorsichtiger sein. Er hat vor einigen Monaten auch eine Abstimmung zur Frage von privaten Finanzen im Gesundheitswesen mit geschwächter Mehrheit gehabt. Es wird allmählich zu einem problematischen Muster für Blair, dass er hart kämpfen muss, um seine Mehrheit im Parlament zu mobilisieren.

    Heinlein: Ist es auch ein Preis, den Blair für seinen Kurs in der Außenpolitik zahlen muss, sprich seine Zustimmung zum Irakkrieg?

    Jeffrey: Das trägt sicherlich dazu bei, weil er seine eigene Partei nicht überzeugt hat, dass die militärische Aktion im Irak nötig war und es hat natürlich auch mit der Kelly-Affäre zu tun. Das hat sicher dazu beigetragen, seine Autorität zu unterminieren.

    Heinlein: In wenigen Stunden wird Lord Hutton seinen Bericht zur Kelly-Affäre vorlegen. Was steht denn für Tony Blair auf dem Spiel?

    Jeffrey: Seine Zukunft als Premierminister. Wenn Lord Hutton ihn scharf kritisiert, hat er eigentlich keine Wahl und muss zurücktreten. Ich glaube aber nicht, dass Lord Hutton ihn so scharf kritisieren wird, weil er ein bisschen entfernt von den detaillierten Entscheidungen war, die zu dieser tragischen Affäre beitrugen.

    Heinlein: Was erwarten Sie, wird der Hutton-Bericht endgültig Aufschluss darüber geben, welche Rolle Tony Blair in der Kelly-Affäre hatte oder bleibt da vieles im Dunkeln?

    Jeffrey: Es wird keine scharfe Unterscheidung von schwarz und weiß sein, es wird ein bisschen grau sein und Blair wird wahrscheinlich, wie es in unseren Zeitungen heute schon berichtet wird, glimpflich davonkommen, ein bisschen schärfer kritisiert werden wahrscheinlich vor allem die BBC und Verteidigungsminister Geoff Hoon.

    Heinlein: Es geht ja nicht nur um die Kelly-Affäre sondern indirekt auch um die Rolle, die Blair und sein Verteidigungsminister gespielt haben im Vorfeld dieses Krieges. Glauben Sie, dass man zumindest zwischen den Zeilen wird lesen können, ob Blair die irakische Bedrohung übertrieben hat, um dann in den Krieg ziehen zu können?

    Jeffrey: Das würde ich nicht einfach so sagen. Man ist in so einer Position von den Intelligence-Berichten abhängig und diese sind selten sehr klar definiert. Man muss abwägen, was richtig, wahrscheinlich und unwahrscheinlich ist und das ist für jeden Premierminister ein schwieriges Problem und ich glaube nicht, dass Blair mit Absicht übertrieben hat.

    Heinlein: Tony Blair wird auch diesen Tag heute politisch überleben?

    Jeffrey: Ja.

    Heinlein: Professor Charlie Jeffrey, Politikwissenschaftler an der Universität Birmingham. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Jeffrey: Auf Wiederhören.