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Presseausweise beim G20-Gipfel
"Eine gewisse Privilegierung"

Journalisten müssten sich ungehindert ein eigenes Bild machen können, fordert der DJV-Vorsitzende Frank Überall im Dlf, "um unabhängig berichten zu können". Zugleich betonte er vor dem G20-Gipfel, dass Journalisten keine Aktivisten sein können.

Frank Überall im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 05.07.2017
    Frank Überall, Bundesvorsitzender des DJV (Deutscher Journalisten Verband), aufgenommen 26.04.2016 in der Bundesgeschäftsstelle der Interessenvertretung der Journalisten in Berlin
    Frank Überall ist Bundesvorsitzender des DJV (Deutscher Journalisten Verband). (Michael Kappeler/dpa)
    Sebastian Wellendorf: Wie frei dürfen sich Journalisten bewegen auf Demonstrationen, haben sie besondere Rechte, wenn sie einen Presseausweis zum Beispiel vorzeigen, der sie möglicherweise auch vor polizeilichen Maßnahmen schützen sollte? Darüber will ich jetzt mit dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall sprechen. Guten Tag, Herr Überall!
    Frank Überall: Schönen guten Tag, Herr Wellendorf!
    Wellendorf: Wer einen Presseausweis hat, also sich als Journalistin oder Journalist ausweist, besitzt der- oder diejenige eine Art Immunität?
    Überall: Nein, sicherlich keine Immunität. Wir müssen auch ganz klar unterscheiden, wer als Aktivist auftaucht, der schon alleine nach dem Pressekodex, aber auch insgesamt vom Berufsethos her, kann nicht gleichzeitig als Journalist oder Journalistin unterwegs sein. Das ist manchmal etwas schwierig. Presseausweis ist ja auch nicht gleich Presseausweis. Es gibt Menschen, die da irgendwas Selbstgebasteltes aus dem Farbdrucker haben oder irgendwelche Leseausweise von irgendwelchen Zeitungen. Auch das sind nicht die Menschen, die eben tatsächlich hauptberuflich von Ereignissen berichten, aber es ist natürlich schon so, dass diejenigen, die das hauptberuflich machen, die also die, ich sage mal: offiziellen Presseausweise haben, eine gewisse Privilegierung haben.
    Wellendorf: Reden wir mal über diejenigen, die tatsächlich Journalisten sind und auch Presseausweise besitzen. Gelten da zum Beispiel auch polizeiliche Absperrungen? Wenn wir jetzt mal über das Thema Demonstrationen sprechen oder Räumbefehle. Die Pressefreiheit müsste Journalistinnen und Journalisten da doch eigentlich schützen, dass die auch jenseits der Absperrung berichten können und Einblick haben.
    Überall: In der Tat, es muss ja Mittler zur Öffentlichkeit geben. Nicht tausende Menschen können dort als einfache Bürger sich auch mal anschauen, wie die Demonstration so verläuft. Da muss es eben Kommunikatoren geben. Das sind Journalistinnen und Journalisten. Trotzdem: eine Polizeiabsperrung gilt erst einmal, und dann weist man sich aus, fragt nach der Durchlassstelle, also da, wo dann eben die Presse entsprechend durchgelassen wird, vorgelassen wird zur Demonstration und sich dann ein Bild vor Ort von der Lage machen kann. Der Kollege hat es ja vorhin erläutert, es gibt sehr unterschiedliche Schilderungen dann. Man muss sich vor Ort ein Bild machen können, um berichten zu können, um unabhängig, um objektiv berichten zu können, und dafür gibt es eben dann diese Sonderrechte, das heißt, in Zusammenarbeit oder in Absprache mit der Polizeibehörde gibt es bestimmte Stellen, wo man dann eben durchkommt, und da ist dann auch das Konfliktpotential. Wo sind diese Stellen, darf man an jeder Stelle durch oder nicht, und in der Tat, wenn Gefahr in Verzug ist, dann kann es auch schon mal sein, wenn dringend geräumt werden muss, zum Beispiel, weil ein Feuer ausbricht oder ähnliches, dass man einen bestimmten Bereich, der vielleicht sogar vorher zugewiesen worden ist, dann eben nicht mehr kann. Trotzdem in den meisten Polizeibehörden ist das relativ klar und eindeutig, aber aus Hamburg haben wir eben auch schon den einen oder anderen Fall gehört, wo es da auch zu Streitigkeiten gekommen ist.
    Wellendorf: Ja, unter dem Hashtag "Entenwerder" beschweren sich bei Twitter derzeit mehrere Journalistinnen und Journalisten über gewalttätiges Vorgehen seitens der Polizei. Die hat per Twitter reagiert und sagt – das ist der Stand von gestern Abend –, ihr sei nichts bekannt von solchen Vorfällen. Aus Ihrer Sicht: Gibt es da ein grundsätzliches, möglicherweise zu klärendes Problem zwischen Staatsorganen und Presse?
    Überall: Ja, mein Appell ist, wie immer in solchen Situationen, ganz dringend, dass in den Einsatzbesprechungen, eigentlich sogar schon im Einsatzbefehl, der Umgang mit Medienvertreterinnen und -vertretern vor Ort klar geregelt wird, denn wir müssen sehen, da kommt Polizei aus allen Bundesländern zusammen, und es muss eben für diese Veranstaltung, in diesem Bundesland, in dieser Stadt auch klar geklärt werden, wie wollen wir mit denen umgehen, was ist hier die Linie, und da muss deutlich gemacht werden, was sind zum Beispiel offiziell anerkannte Presseausweise und was nicht, und wo darf wer hin. Das scheint mir an der einen oder anderen Stelle nicht ganz in Hamburg so kommuniziert zu sein. Da ist noch Nachholbedarf. Unser Landesverband Hamburg vom Deutschen Journalistenverband ist da auch im Gespräch mit der Polizei und guckt sich im Moment auch die Fälle an, die gemeldet worden sind. Das sind bisher sehr wenige, aber es gibt einen ganz konkreten, wo auch angeblich ein Presseausweis aus der Hand geschlagen sein worden soll. Das sind Dinge, die geklärt werden müssen und wo wir als DJV auch ganz klar die Polizei auffordern, das nicht abzutun, sondern es tatsächlich zu klären, um daraus zu lernen, um dann eben auch die Pressefreiheit weiterhin zu garantieren.
    Wellendorf: Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall zur Frage, welche Rechte Journalistinnen und Journalisten auf Demonstrationen des G20-Gipfels haben. Danke, Herr Überall!
    Überall: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.