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Presselieferanten
Grosso-System vor dem Umbruch

66 Grossisten bringen in Deutschland Zeitungen und Magazine zu ihren Lesern. Die Preise werden auf Bundesebene von Branchenverbänden verhandelt. Das könnte sich nun ändern: Nachdem der Bauer-Verlag erfolgreich gegen die bisherige Praxis klagte, steht die Branche vor einem Umbruch.

Von Michael Meyer | 01.03.2014
    "Ja wir sind sehr enttäuscht, insbesondere darüber, dass der Vorsitzende Richter die Revision nicht zugelassen hat."
    Sagt Kai-Christian Albrecht, Geschäftsführer des Bundesverbands Presso-Grosso:
    "Wir meinen, das kann ein schwarzer Tag für die Presselandschaft in Deutschland sein, die Folgen sind noch nicht absehbar, wenn es dabei bliebe, am Ende des Tages wäre in jedem Fall der Marktzugang für mittelständische Verlage, sowie für kleinere und mittlere Titel deutlich erschwert, noch sind wir wie gesagt nicht soweit, wir werden alle juristischen Mittel da auch ausschöpfen."
    Beim Presse-Grosso Verband ist man naturgemäß wenig erfreut über das Urteil, bedeutet es doch nichts weniger als eine völlige Neuausrichtung des Systems. Um es anschaulich zu sagen: Wenn jeder Verlag einzeln mit den Grossisten verhandeln kann, dann kann es in der Zukunft durchaus sein, dass in manchen Verkaufsstellen vornehmlich beispielsweise Bauer-Zeitschriften prominent ausliegen - und solche anderer Verlage weniger. Denn die großen Verlage können den Grossisten schon aus rein wirtschaftlicher Kraft ganz andere Konditionen abringen. Im Sinne der Pressevielfalt ist das wohl kaum. Noch schlimmer, so Kai-Christian Albrecht, ist die Situation für Neulinge auf dem Markt. In Großbritannien oder den USA müssen erst einmal Markteintritts-Gebühren entrichtet werden - kaum hilfreich bei der Etablierung neuer Titel. Albrecht erklärt:
    "Wenn Sie eine neue Publikation auf den Markt bringen würden, dann wäre nach diesem Urteil, wenn es dabei bliebe, es nicht mehr möglich dass es eine zentrale Anlaufstelle gibt, sondern sie müssten als junger Verleger mit jedem Presse-Großhändler verhandeln über den Marktzugang und da wir dann in einem Wettbewerb stünden, wäre auch, es nicht so, dass der Großhändler verpflichtet wäre, alle Titel aufzunehmen und auch alle Verkaufsstellen zu beliefern."
    Die Zeiten könnten also gerade für kleine, avantgardistische Magazine härter werden, denn wer wagt sich noch an ein solches Projekt, wenn durch den Vertrieb noch höhere Kosten entstehen, als ohnehin schon?
    Kleine Magazine könnten es bald schwerer haben
    Beim Bauer-Verlag war man auf Anfrage nicht zu sprechen, nur soviel: Geschäftsführer Andreas Schoo sagte in einem Fachdienst-Interview, dass man das System nicht zerstören wolle, sondern dass man zu den Essentials stehe, aber nun bessere Marktkonditionen verhandeln könne. Im Klartext: Einzelne Grossisten kann man nun dazu bringen, Bauers bunte Blätter prominenter zu platzieren, sodass sich die Auflage erhöht. Aber ist das im Sinne der Leser? Torsten Brandt, Sprecher des Arbeitskreises Vertrieb im Zeitschriftenverlegerverband VDZ meint, dass der Bauer-Verlag lieber auf die Vorteile des bisherigen Systems hätte schauen sollen:
    "Natürlich ist es so, dass auch andere Verlage oder wir als Verlegerverband berechtigte Kritik am Grosso äußern, das heißt aber nicht, dass wir das gesamte System infrage stellen. Das eine ist ein Stück weit immanent, wir haben 66 Grosso-Firmen in Deutschland, und da hat man leistungsstarke Firmen und leistungsschwächere Firmen, und das ist schon die erste Kritik, unser Wunsch wäre dass die leistungsschwächeren Firmen sich den leistungsstärkeren angleichen, das ist natürlich ein wichtiger Punkt."
    Ein weiterer Punkt, bei dem manche Verleger unzufrieden sind: Da der klassische Kiosk ein aussterbendes Gewerbe ist, sind andere, auch neue Verkaufsstellen gefragt: Tankstellen, Supermärkte, kleine Geschäfte usw. Kein Leser wird erst mal kilometerweit fahren, um sich seine Zeitschrift zu besorgen. Doch gerade in diesem Punkt tut sich in manchen Gebieten zu wenig klagen die Verleger.
    Was das Urteil konkret bedeutet, wird man sehen, in der nächsten Zeit wird sich sicher erst mal gar nichts ändern - die Frage ist auch, ob die bis 2018 ausgehandelten Konditionen weiter gelten können. Klar ist: Angesichts von zwei Milliarden Euro Umsatz des Bauer-Verlags muss man nicht lange raten, wer da die stärkere Verhandlungsmacht hat. Kai-Christian Albrecht vom Presse-Grosso meint, dass man sich angesichts immer stärkerer marktliberaler Tendenzen grundsätzliche Gedanken machen sollte:
    "Presse ist so wie das Buch Kulturgut, und die Frage, die sich eine Zivilgesellschaft stellen muss, ist, ob man das Kulturgut einem ordoliberalen absoluten Wettbewerb unterstellt, dann wird aber das Kulturgut auf Dauer seinen Stellenwert in der Gesellschaft ein Stück weit verlieren."