Jochen Spengler: Chaostage in Israel. Ein Untersuchungsausschuss zum Libanon-Krieg übt vernichtende Kritik an Verteidigungsminister Perez und an Regierungschef Olmert. Es gibt neue Korruptionsvorwürfe gegen Olmert. Seine Parteifreundin und Außenministerin Livni fordert offen seinen Rücktritt, will selbst an die Spitze der Regierung und später alles nicht so gemeint haben. Olmert selbst lehnt einen Rücktritt ab und gestern Abend erhält er überraschend Rückendeckung von der Mehrheit seiner Kadima-Fraktion. Als wäre das alles noch nicht genug der Kabale, gibt es da noch einen israelischen Staatspräsidenten namens Katzav, der seit Januar sein Amt ruhen lässt, weil es gegen ihn Vergewaltigungsvorwürfe gibt, der sich aber weigert zurückzutreten. - Am Telefon ist der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland und jetzige Leiter des Instituts für europäische Studien Avi Primor. Einen schönen guten Morgen Herr Primor.
Avi Primor: Guten Morgen Herr Spengler.
Spengler: Herr Primor, ist das nur eine Regierungskrise, oder ist das schon eine Staatskrise?
Primor: Sowohl als auch. Aber beginnen wir zunächst mit der Regierungskrise. Diese Regierung ist eine sehr schwache, wackelige Regierung, eine unsichere Regierung und deshalb nicht seit gestern, sondern schon fast seit sie die Wahlen gewonnen hat vor knapp über einem Jahr traut sie sich keine Initiativen zu ergreifen, keine Politik zu führen, kämpft nur ums Überleben und vielleicht könnte das jetzt die Lösung sein.
Spengler: Was?
Primor: Ja, wenn diese Krise irgendwie so ausgeht, dass es einen Wechsel an der Macht gibt, vor allem einen Wechsel an der Spitze der Macht. Wahrscheinlich wird der Ministerpräsident zurücktreten müssen, wenn nicht in den kommenden Tagen, und wir müssen auch abwarten und sehen, was heute Abend passiert, weil heute wird eine sehr große Demonstration vorbereitet. Wenn die wirklich mächtig ist, dann kann er nicht mehr im Amt bleiben. Sollte er dennoch im Amt bleiben, dann kommt der zweite Teil des Berichtes des Untersuchungsausschusses etwa im Juli heraus und das wird bestimmt bedeuten, dass er zurücktreten muss.
Spengler: Die deutschen Schlagzeilen sehen heute etwa so aus: Israels Regierung vor dem Rücktritt. Aber wir waren dann alle etwas überrascht, dass er gestern Abend von seiner Kadima-Fraktion doch noch Rückendeckung bekommen hat. Sind Sie auch überrascht?
Primor: Nein, ich bin überhaupt nicht überrascht. Das war auch zu erwarten, weil die Partei noch nicht bereit ist um einen Machtwechsel. Man weiß noch nicht, wer ihn ersetzen soll. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die heutige Außenministerin Livni ist eine Möglichkeit. Es gibt auch den ehemaligen Verteidigungsminister Mofas ist auch ein Kandidat. Ich spreche nur von Kandidaten innerhalb der Kadima-Partei. Und es gibt den ewigen Schimon Peres, der auch Kandidat ist. Er ist Vizepremier. Das müssen sie zunächst einmal innerhalb der Partei ausbügeln. Die Partei selber wird es entscheiden, weil die Mehrheit der Abgeordneten keine vorgezogenen Wahlen haben will, denn sie sind ja im Parlament erst seit einem Jahr und wissen, dass die meisten nicht zurückkommen, wenn vorgezogene Wahlen stattfinden sollten. Also wird die Koalition wahrscheinlich zusammenhalten und der Wechsel wird innerhalb der Hauptpartei der Koalition, der Kadima-Partei, stattfinden.
Spengler: Hat sich die Außenministerin, die sich ja nun selbst ins Gespräch gebracht hat, damit desavouiert für das Amt?
Primor: Ja natürlich und das ist ja nicht neu. Man weiß das schon seit geraumer Zeit, dass sie diesen Ehrgeiz hegt, und viele Leute stehen hinter ihr, aber nicht alle. Es gibt eben viele Abgeordnete der Kadima-Partei, die einen anderen Nachfolger wollen, und so lange sie sich nicht einig sind, wer eigentlich der Nachfolger sein wird, bleibt Olmert vorübergehend in seinem Amt.
Spengler: Es heißt der Verteidigungsminister Perez, der ja auch sehr kritisiert worden ist in dem Bericht, erwäge seinen Rücktritt. Würde er damit den Druck von Olmert wegnehmen, oder würde er den Druck erhöhen?
Primor: Nein, weder noch, weil zunächst einmal hat der Verteidigungsminister Perez schon seit zwei Monaten gesagt, Ende Mai tritt er zurück. Also ist das gar nicht neu. Er hat sowieso die Absicht gehabt, das Amt niederzulegen. Er strebt das Finanzministerium an. Zweitens ist er nicht Teil der Kadima-Partei, sondern der zweiten Partei. Er ist Vorsitzender der Arbeitspartei, die in der Koalition mitmacht, und auch er steht noch vor Wahlen Ende des Monats in seiner eigenen Partei. Also das hat mit Olmert nichts zu tun.
Spengler: Dann kommen wir jetzt mal auf die Staatskrise. Wie erklären Sie sich, dass Staatspräsident Katzav so hartnäckig festhält an seinem Amt?
Primor: Das ist eine Nebensächlichkeit. Das ist eher eine Anekdote. Katzav hat nie eine große Bedeutung gehabt. Wissen Sie der Staatspräsident bei uns hat die Befugnisse mehr oder weniger wie der Bundespräsident in Deutschland. Also geht es eher um seine Persönlichkeit. Wenn er eine starke Person ist, eine große Persönlichkeit hat, dann hat er eine Wirkung. Katzav hat das eben nicht. So hat man ihn eigentlich nie wirklich ernst genommen und jetzt mit seinen Geschichten wird er eher belächelt. Das gilt als Anekdote und nicht als Staatskrise.
Spengler: Herr Primor, haben Sie eine Erklärung dafür, woran es liegt, dass viele politische Führer in Israel, Scharon, Netanjahu, Olmert, Katzav, irgendwie auch immer mit dem Strafrecht in Verbindung kommen?
Primor: Das hat fast immer mit den Politikern aus derselben Partei zu tun, mit der Likud-Partei, weil die Likud-Partei eben auf einer anderen Basis stand. Das wäre ein bisschen zu kompliziert zu erklären. Wenn Sie all diese Leute in Betracht ziehen, dann werden Sie sehen: entweder sind sie alle im Likud oder waren sie im Likud. Die sind vom Likud in die Kadima-Partei gekommen. Diese Partei versucht man jetzt zu sanieren, damit solche Sachen nicht mehr vorkommen, denn das war wirklich mit einer Partei verbunden.
Spengler: Das war Avi Primor, der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland und jetzige Leiter des Instituts für europäische Studien. Danke für den Nachhilfeunterricht, Herr Primor.
Primor: Guten Tag Herr Spengler!
Avi Primor: Guten Morgen Herr Spengler.
Spengler: Herr Primor, ist das nur eine Regierungskrise, oder ist das schon eine Staatskrise?
Primor: Sowohl als auch. Aber beginnen wir zunächst mit der Regierungskrise. Diese Regierung ist eine sehr schwache, wackelige Regierung, eine unsichere Regierung und deshalb nicht seit gestern, sondern schon fast seit sie die Wahlen gewonnen hat vor knapp über einem Jahr traut sie sich keine Initiativen zu ergreifen, keine Politik zu führen, kämpft nur ums Überleben und vielleicht könnte das jetzt die Lösung sein.
Spengler: Was?
Primor: Ja, wenn diese Krise irgendwie so ausgeht, dass es einen Wechsel an der Macht gibt, vor allem einen Wechsel an der Spitze der Macht. Wahrscheinlich wird der Ministerpräsident zurücktreten müssen, wenn nicht in den kommenden Tagen, und wir müssen auch abwarten und sehen, was heute Abend passiert, weil heute wird eine sehr große Demonstration vorbereitet. Wenn die wirklich mächtig ist, dann kann er nicht mehr im Amt bleiben. Sollte er dennoch im Amt bleiben, dann kommt der zweite Teil des Berichtes des Untersuchungsausschusses etwa im Juli heraus und das wird bestimmt bedeuten, dass er zurücktreten muss.
Spengler: Die deutschen Schlagzeilen sehen heute etwa so aus: Israels Regierung vor dem Rücktritt. Aber wir waren dann alle etwas überrascht, dass er gestern Abend von seiner Kadima-Fraktion doch noch Rückendeckung bekommen hat. Sind Sie auch überrascht?
Primor: Nein, ich bin überhaupt nicht überrascht. Das war auch zu erwarten, weil die Partei noch nicht bereit ist um einen Machtwechsel. Man weiß noch nicht, wer ihn ersetzen soll. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die heutige Außenministerin Livni ist eine Möglichkeit. Es gibt auch den ehemaligen Verteidigungsminister Mofas ist auch ein Kandidat. Ich spreche nur von Kandidaten innerhalb der Kadima-Partei. Und es gibt den ewigen Schimon Peres, der auch Kandidat ist. Er ist Vizepremier. Das müssen sie zunächst einmal innerhalb der Partei ausbügeln. Die Partei selber wird es entscheiden, weil die Mehrheit der Abgeordneten keine vorgezogenen Wahlen haben will, denn sie sind ja im Parlament erst seit einem Jahr und wissen, dass die meisten nicht zurückkommen, wenn vorgezogene Wahlen stattfinden sollten. Also wird die Koalition wahrscheinlich zusammenhalten und der Wechsel wird innerhalb der Hauptpartei der Koalition, der Kadima-Partei, stattfinden.
Spengler: Hat sich die Außenministerin, die sich ja nun selbst ins Gespräch gebracht hat, damit desavouiert für das Amt?
Primor: Ja natürlich und das ist ja nicht neu. Man weiß das schon seit geraumer Zeit, dass sie diesen Ehrgeiz hegt, und viele Leute stehen hinter ihr, aber nicht alle. Es gibt eben viele Abgeordnete der Kadima-Partei, die einen anderen Nachfolger wollen, und so lange sie sich nicht einig sind, wer eigentlich der Nachfolger sein wird, bleibt Olmert vorübergehend in seinem Amt.
Spengler: Es heißt der Verteidigungsminister Perez, der ja auch sehr kritisiert worden ist in dem Bericht, erwäge seinen Rücktritt. Würde er damit den Druck von Olmert wegnehmen, oder würde er den Druck erhöhen?
Primor: Nein, weder noch, weil zunächst einmal hat der Verteidigungsminister Perez schon seit zwei Monaten gesagt, Ende Mai tritt er zurück. Also ist das gar nicht neu. Er hat sowieso die Absicht gehabt, das Amt niederzulegen. Er strebt das Finanzministerium an. Zweitens ist er nicht Teil der Kadima-Partei, sondern der zweiten Partei. Er ist Vorsitzender der Arbeitspartei, die in der Koalition mitmacht, und auch er steht noch vor Wahlen Ende des Monats in seiner eigenen Partei. Also das hat mit Olmert nichts zu tun.
Spengler: Dann kommen wir jetzt mal auf die Staatskrise. Wie erklären Sie sich, dass Staatspräsident Katzav so hartnäckig festhält an seinem Amt?
Primor: Das ist eine Nebensächlichkeit. Das ist eher eine Anekdote. Katzav hat nie eine große Bedeutung gehabt. Wissen Sie der Staatspräsident bei uns hat die Befugnisse mehr oder weniger wie der Bundespräsident in Deutschland. Also geht es eher um seine Persönlichkeit. Wenn er eine starke Person ist, eine große Persönlichkeit hat, dann hat er eine Wirkung. Katzav hat das eben nicht. So hat man ihn eigentlich nie wirklich ernst genommen und jetzt mit seinen Geschichten wird er eher belächelt. Das gilt als Anekdote und nicht als Staatskrise.
Spengler: Herr Primor, haben Sie eine Erklärung dafür, woran es liegt, dass viele politische Führer in Israel, Scharon, Netanjahu, Olmert, Katzav, irgendwie auch immer mit dem Strafrecht in Verbindung kommen?
Primor: Das hat fast immer mit den Politikern aus derselben Partei zu tun, mit der Likud-Partei, weil die Likud-Partei eben auf einer anderen Basis stand. Das wäre ein bisschen zu kompliziert zu erklären. Wenn Sie all diese Leute in Betracht ziehen, dann werden Sie sehen: entweder sind sie alle im Likud oder waren sie im Likud. Die sind vom Likud in die Kadima-Partei gekommen. Diese Partei versucht man jetzt zu sanieren, damit solche Sachen nicht mehr vorkommen, denn das war wirklich mit einer Partei verbunden.
Spengler: Das war Avi Primor, der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland und jetzige Leiter des Instituts für europäische Studien. Danke für den Nachhilfeunterricht, Herr Primor.
Primor: Guten Tag Herr Spengler!