Capellan: Private Arbeitsvermittlung, der Schlüssel zum Weg aus der Arbeitsamtsmisere? Am Telefon begrüße ich Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Herr Hundt, diese Idee gefällt Ihnen auch ganz gut.
Hundt:Die deutsche Wirtschaft und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände als der Spitzenverband der deutschen Wirtschaft fordern schon lange eine quantitative und qualitative Verbesserung der Arbeitsvermittlung. Ich begrüße sehr, dass der Kanzler sich diese Forderungen jetzt ebenfalls zu eigen gemacht hat.
Capellan: Da gibt es ja viele, die sagen, diese private Vermittlung, die es ja teilweise schon gibt, funktioniert ausgezeichnet, aber nur bei den jungen, bei den fitten, bei den hochqualifizierten, also bei denen, die sich ja eigentlich selbst vermitteln können. Ist das richtig?
Hundt:Die private Vermittlung in Deutschland funktioniert teilweise in relativ rudimentären Anfängen. Wir müssen diese private Vermittlung in Konkurrenz zur Vermittlung der Bundesanstalt auf einer sehr viel breiteren Basis stellen und sicherstellen, dass dadurch eine Verbesserung der Arbeitsvermittlung stattfindet.
Capellan: Aber ganz verständlich ist ja, wer auf Provision arbeitet wie diese privaten Vermittler, der geht ja zunächst auf die einfachen Fälle ran. Und die Über-50jährigen, die Langzeitarbeitslosen würden dann auf die Strecke bleiben. Wie kann man das verhindern?
Hundt:Da müssen wir Regelungen finden, dass nicht nur die leicht Vermittelbaren, die höher und besser Qualifizierten durch die private Vermittlung betreut werden, sondern dass auch angelernte und nicht oder gering Qualifizierte über die private Vermittlung wieder in den Arbeitsmarkt gebracht werden. Ich meine, dass es dazu brauchbare Modelle gibt. Es war schon von Gutscheinen und vieles andere mehr die Rede. Dieses ist handwerklich sicherlich zu lösen.
Capellan: Das heißt also Sie fordern eine komplette private Vermittlung und wollen nicht, dass für die Arbeitsämter am Ende sozusagen die Drecksarbeit bleibt?
Hundt:Ich fordere eine private Vermittlung in voller Konkurrenz zur Arbeitsverwaltung auf der vollen Breite.
Capellan: Das heißt auch die Arbeitsämter sollten weiterhin aktiv werden?
Hundt:Ich bin zunächst der Meinung, dass wir neben der privaten Vermittlung auch die Vermittlung durch die Arbeitsverwaltung beibehalten sollten. Es gibt Überlegungen, die Vermittlung über die Arbeitsverwaltung überhaupt einzustellen. Ob wir im Endeffekt so weit gehen sollten oder nicht, das müssten erst die Ergebnisse einer wirklichen Konkurrenzsituation auf dem Markt zeigen.
Capellan: Da ist ja der Eindruck entstanden, als sei die Vermittlung das eigentliche Problem bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Gute Vermittler und schon sind die Arbeitslosenzahlen unter 3,5 Millionen gedrückt. So ist es ja wohl nicht.
Hundt:Die Frage der Vermittlung ist sicherlich nicht die alleinige und entscheidende Problematik. Vielmehr haben wir das Problem eines überbürokratisierten Arbeitsmarktes. Wir haben einen viel zu großen Umfang an Arbeitsförderungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen. Wir sollten uns mit aller Entschiedenheit darauf konzentrieren, unsere Arbeitslosen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Wie falsch die gesamte Organisation ist, erkennen Sie daran, dass von der großen Zahl der Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit gerade mal eine Größenordnung von 10 Prozent für die Vermittlung tätig ist. Der Rest erstickt geradezu in bürokratischen Aufgaben.
Capellan: Wenn man mit Mitarbeitern der Arbeitsämter spricht, dann heißt es häufig, sie sind ziemlich wütend, sie sagen nämlich, die Form der Statistik, wie sie da erhoben wurde, war von oben, sie war politisch so gewollt. Und alle haben Bescheid gewusst, auch die Arbeitgebervertreter im Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit. Wie stehen Sie dazu?
Hundt:Ich kann mich zu der Frage der Stellung der Statistiken und zu dem Vorwurf der Manipulation der Statistiken nicht äußern. Die Statistiken liegen außerhalb des Einflussbereiches der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung hat dafür auch nicht die Aufsichtsfunktion. Ich würde sehr begrüßen, dass hier eine rückhaltlose Aufklärung erfolgt, um die entsprechenden Schlüsse für die Zukunft dann ziehen zu können.
Capellan: Also wer ist verantwortlich? Jagoda allein?
Hundt:Nach meiner Beurteilung ist für die Statistiken im Endeffekt der Präsident der Bundesanstalt und in letzter Konsequenz auch der Arbeitsminister verantwortlich.
Capellan: Das wäre genau die Frage. Ist es nicht auch naheliegend, dass es politisch gewollt war, diese Statistiken zu schönen? Denn was da jetzt öffentlich gemacht wurde, wirft nicht gerade ein gutes Licht auf die Erfolge der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Hundt:Ich bedauere die eingetretene Diskussion sehr, und alles schreit geradezu danach, dass hier eine eindeutige Aufklärung erfolgt. Für mich gilt aber zunächst das Unschuldsprinzip. Bevor nicht nachgewiesen ist, wer welche Fehler begangen hat und wer beispielsweise in der Aufsicht versagt hat, sollten keine Urteile gesprochen werden. Im Übrigen hilft uns diese personelle Diskussion nicht weiter, sondern wir müssen in der Sache vorankommen, das heißt Rückführung der Arbeitsförderungsmaßnahmen, Konzentration der Arbeitsverwaltung auf die Vermittlung und im Wettbewerb eine parallele, deutlich ausgebaute private Vermittlung von Arbeitnehmern.
Capellan: Das ist sicherlich unbestritten. Nun interessiert es allerdings dem Bürger schon, ob da ganz bewusst und von oben gewollt, von der Politik gewollt, manipuliert wurde, um zu beschönigen, dass man eben bei der Arbeitsvermittlung nicht so weiterkommt, wie man sich das gerne vorstellt, wie man das nach außen hin präsentiert. Da ist Ihrer Ansicht nach nichts dran?
Hundt:Der Bürger hat in der Tat das uneingeschränkte Recht auf eine vollständige Aufklärung, und deshalb plädiere ich auch dafür, dass diese durchgeführt wird, um hier gegebenenfalls auch die notwendigen Konsequenzen für die Zukunft ziehen zu können.
Capellan: Aber für Sie persönlich kam dieser ganze Skandal völlig überraschend?
Hundt:Für mich persönlich kam der Skandal überraschend. Er kam überhaupt für die Selbstverwaltung überraschend. Ich wiederhole: Nach unseren Gesetzen und organisatorischen Richtlinien entzieht sich die Statistik der Aufsicht der Selbstverwaltung, liegt in der Organisation der Arbeitsverwaltung selbst und untersteht in letzter Konsequenz damit der Oberaufsicht durch den Arbeitsminister.
Capellan: Dann fragt man sich nur, warum ist ein Vertreter der Bundesanstalt für Arbeit, warum sind Vertreter der Gewerkschaften da im Vorstand? Sie müssen doch kontrollieren, auf welche Art und Weise dort Statistiken verfasst werden, oder nicht?
Hundt:Die Selbstverwaltung hat klar definierte Aufgaben, beispielsweise Haushalt der Bundesanstalt, ist aber für die Statistiken nicht zuständig und nicht verantwortlich.
Capellan: Also Sie sind da im Prinzip aus dem Schneider.
Hundt:Die Selbstverwaltung ist in dieser Frage eindeutig aus dem Schneider.
Capellan: Also keine Konsequenzen für Herrn Kannengiesser von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände?
Hundt:Dafür sehe ich nach aktuellem Stand der Dinge keinerlei Veranlassung.
Capellan: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Hundt:Die deutsche Wirtschaft und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände als der Spitzenverband der deutschen Wirtschaft fordern schon lange eine quantitative und qualitative Verbesserung der Arbeitsvermittlung. Ich begrüße sehr, dass der Kanzler sich diese Forderungen jetzt ebenfalls zu eigen gemacht hat.
Capellan: Da gibt es ja viele, die sagen, diese private Vermittlung, die es ja teilweise schon gibt, funktioniert ausgezeichnet, aber nur bei den jungen, bei den fitten, bei den hochqualifizierten, also bei denen, die sich ja eigentlich selbst vermitteln können. Ist das richtig?
Hundt:Die private Vermittlung in Deutschland funktioniert teilweise in relativ rudimentären Anfängen. Wir müssen diese private Vermittlung in Konkurrenz zur Vermittlung der Bundesanstalt auf einer sehr viel breiteren Basis stellen und sicherstellen, dass dadurch eine Verbesserung der Arbeitsvermittlung stattfindet.
Capellan: Aber ganz verständlich ist ja, wer auf Provision arbeitet wie diese privaten Vermittler, der geht ja zunächst auf die einfachen Fälle ran. Und die Über-50jährigen, die Langzeitarbeitslosen würden dann auf die Strecke bleiben. Wie kann man das verhindern?
Hundt:Da müssen wir Regelungen finden, dass nicht nur die leicht Vermittelbaren, die höher und besser Qualifizierten durch die private Vermittlung betreut werden, sondern dass auch angelernte und nicht oder gering Qualifizierte über die private Vermittlung wieder in den Arbeitsmarkt gebracht werden. Ich meine, dass es dazu brauchbare Modelle gibt. Es war schon von Gutscheinen und vieles andere mehr die Rede. Dieses ist handwerklich sicherlich zu lösen.
Capellan: Das heißt also Sie fordern eine komplette private Vermittlung und wollen nicht, dass für die Arbeitsämter am Ende sozusagen die Drecksarbeit bleibt?
Hundt:Ich fordere eine private Vermittlung in voller Konkurrenz zur Arbeitsverwaltung auf der vollen Breite.
Capellan: Das heißt auch die Arbeitsämter sollten weiterhin aktiv werden?
Hundt:Ich bin zunächst der Meinung, dass wir neben der privaten Vermittlung auch die Vermittlung durch die Arbeitsverwaltung beibehalten sollten. Es gibt Überlegungen, die Vermittlung über die Arbeitsverwaltung überhaupt einzustellen. Ob wir im Endeffekt so weit gehen sollten oder nicht, das müssten erst die Ergebnisse einer wirklichen Konkurrenzsituation auf dem Markt zeigen.
Capellan: Da ist ja der Eindruck entstanden, als sei die Vermittlung das eigentliche Problem bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Gute Vermittler und schon sind die Arbeitslosenzahlen unter 3,5 Millionen gedrückt. So ist es ja wohl nicht.
Hundt:Die Frage der Vermittlung ist sicherlich nicht die alleinige und entscheidende Problematik. Vielmehr haben wir das Problem eines überbürokratisierten Arbeitsmarktes. Wir haben einen viel zu großen Umfang an Arbeitsförderungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen. Wir sollten uns mit aller Entschiedenheit darauf konzentrieren, unsere Arbeitslosen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Wie falsch die gesamte Organisation ist, erkennen Sie daran, dass von der großen Zahl der Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit gerade mal eine Größenordnung von 10 Prozent für die Vermittlung tätig ist. Der Rest erstickt geradezu in bürokratischen Aufgaben.
Capellan: Wenn man mit Mitarbeitern der Arbeitsämter spricht, dann heißt es häufig, sie sind ziemlich wütend, sie sagen nämlich, die Form der Statistik, wie sie da erhoben wurde, war von oben, sie war politisch so gewollt. Und alle haben Bescheid gewusst, auch die Arbeitgebervertreter im Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit. Wie stehen Sie dazu?
Hundt:Ich kann mich zu der Frage der Stellung der Statistiken und zu dem Vorwurf der Manipulation der Statistiken nicht äußern. Die Statistiken liegen außerhalb des Einflussbereiches der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung hat dafür auch nicht die Aufsichtsfunktion. Ich würde sehr begrüßen, dass hier eine rückhaltlose Aufklärung erfolgt, um die entsprechenden Schlüsse für die Zukunft dann ziehen zu können.
Capellan: Also wer ist verantwortlich? Jagoda allein?
Hundt:Nach meiner Beurteilung ist für die Statistiken im Endeffekt der Präsident der Bundesanstalt und in letzter Konsequenz auch der Arbeitsminister verantwortlich.
Capellan: Das wäre genau die Frage. Ist es nicht auch naheliegend, dass es politisch gewollt war, diese Statistiken zu schönen? Denn was da jetzt öffentlich gemacht wurde, wirft nicht gerade ein gutes Licht auf die Erfolge der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Hundt:Ich bedauere die eingetretene Diskussion sehr, und alles schreit geradezu danach, dass hier eine eindeutige Aufklärung erfolgt. Für mich gilt aber zunächst das Unschuldsprinzip. Bevor nicht nachgewiesen ist, wer welche Fehler begangen hat und wer beispielsweise in der Aufsicht versagt hat, sollten keine Urteile gesprochen werden. Im Übrigen hilft uns diese personelle Diskussion nicht weiter, sondern wir müssen in der Sache vorankommen, das heißt Rückführung der Arbeitsförderungsmaßnahmen, Konzentration der Arbeitsverwaltung auf die Vermittlung und im Wettbewerb eine parallele, deutlich ausgebaute private Vermittlung von Arbeitnehmern.
Capellan: Das ist sicherlich unbestritten. Nun interessiert es allerdings dem Bürger schon, ob da ganz bewusst und von oben gewollt, von der Politik gewollt, manipuliert wurde, um zu beschönigen, dass man eben bei der Arbeitsvermittlung nicht so weiterkommt, wie man sich das gerne vorstellt, wie man das nach außen hin präsentiert. Da ist Ihrer Ansicht nach nichts dran?
Hundt:Der Bürger hat in der Tat das uneingeschränkte Recht auf eine vollständige Aufklärung, und deshalb plädiere ich auch dafür, dass diese durchgeführt wird, um hier gegebenenfalls auch die notwendigen Konsequenzen für die Zukunft ziehen zu können.
Capellan: Aber für Sie persönlich kam dieser ganze Skandal völlig überraschend?
Hundt:Für mich persönlich kam der Skandal überraschend. Er kam überhaupt für die Selbstverwaltung überraschend. Ich wiederhole: Nach unseren Gesetzen und organisatorischen Richtlinien entzieht sich die Statistik der Aufsicht der Selbstverwaltung, liegt in der Organisation der Arbeitsverwaltung selbst und untersteht in letzter Konsequenz damit der Oberaufsicht durch den Arbeitsminister.
Capellan: Dann fragt man sich nur, warum ist ein Vertreter der Bundesanstalt für Arbeit, warum sind Vertreter der Gewerkschaften da im Vorstand? Sie müssen doch kontrollieren, auf welche Art und Weise dort Statistiken verfasst werden, oder nicht?
Hundt:Die Selbstverwaltung hat klar definierte Aufgaben, beispielsweise Haushalt der Bundesanstalt, ist aber für die Statistiken nicht zuständig und nicht verantwortlich.
Capellan: Also Sie sind da im Prinzip aus dem Schneider.
Hundt:Die Selbstverwaltung ist in dieser Frage eindeutig aus dem Schneider.
Capellan: Also keine Konsequenzen für Herrn Kannengiesser von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände?
Hundt:Dafür sehe ich nach aktuellem Stand der Dinge keinerlei Veranlassung.
Capellan: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio