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Private Kulturförderung
Umstrittenes Kultursponsoring

Museen sind oft auf reiche Spender angewiesen. Was aber, wenn diese ihr Geld auf dubiose Weise verdient haben - wie die Familie Sackler, deren Unternehmen Schmerzmittel mit hoher Suchtwirkung produziert? Die Debatte darüber verschärft sich. Ein Museum in London verzichtet nun auf die Gelder von Sackler.

Von Carsten Probst | 22.03.2019
Der Sacklerflügel mit dem ägyptischen Tempel von Dendur im New Yorker Metropolitan Museum. Die Familie Sackler, Eigentümerin der Firma Purdue Pharma, gehört zu den wichtigsten Förderern von Kunst und Kultur in den USA.
In New York hat die Sackler-Familie das Metropolitan Museum gefördert - das einen ganzen Flügel nach ihr benannt hat (Deutschlandradio / Lorenz Rollhäuser)
Dass der Ruf der privaten Kulturförderung in den letzten Jahren ziemlich gelitten hat, ist kein Zufall. Spätestens seit der Finanzkrise von 2008 entdecken immer mehr Investoren ihre vermeintliche Liebe zur Kunst und sehen darin doch eigentlich nur einen alternativen Markt für Geldanlagen. Und wenn Großkonzerne oder von ihnen abhängige Stiftungen Museen und Universitäten in aller Welt fördern, hat auch dies in der Regel weniger mit rein philanthropischen Motiven zu tun, als mit Öffentlichkeitsarbeit. Auto- oder Zigarettenhersteller, Banken, Rüstungskonzerne oder Pharmafirmen, sie alle haben Imageprobleme, denen man am besten mit der öffentlichen Demonstration edler Gesinnungen begegnet. Volkswagen fördert mit Vorliebe Ausstellungen mit dem Thema Natur und Umwelt. Banken gerieren sich als Wohltäter am Gemeinwesen, Rüstungskonzerne wie Rheinmetall fördern die Völkerverständigung wie etwa durch Sponsoring einer Großausstellung mit europäischer Gegenwartskunst in Peking. Und die private Stiftung der Familie Sackler, die der Pharmabranche nahesteht, fördert großzügig Kunst und Wissenschaft in aller Welt, um den medizinischen Fortschritt in die Nähe anderer kultureller Errungenschaften zu rücken.
Reinwaschen moralischer Vergehen
Das ist zwar legitim – aber andererseits wollen Künstlerinnen und Künstler dieses Spiel, bei dem ihre Werke für öffentliche Gehirnwäsche missbraucht werden, schon länger nicht mehr mitmachen. Vor allem davon zeugt Nan Goldins Protest gegen die Sackler-Spende an die National Portrait Gallery in London. Es gibt vermutlich schlimmere Fälle als den des Missbrauchs eines Schmerzmittels, Fälle jedenfalls, in denen sich Unternehmen oder auch autokratische Staaten wie Saudi-Arabien mit Kultursponsoring von weitaus größeren und offensichtlicheren moralischen Vergehen reinwaschen wollen. Aber dass die National Portrait Gallery und nun auch die Tate Modern in London nun tatsächlich auf so große Spenden verzichten, zeigt: Beim privaten Kultursponsoring ist ein kritischer Moment erreicht, dem sich gerade auch die großen öffentlichen Institutionen nicht mehr entziehen können. Ihr öffentliches Ansehen könnte so nachhaltigen Schaden nehmen, der durch das Spendengeld nicht mehr aufgewogen wird.
Private Kulturförderung nicht grundsätzlich verdächtig
Das scheint vordergründig ein positives Signal zu sein. Nan Goldin hofft nun ja sogar auf einen weltweiten Dominoeffekt des Sponsoringverzichts. Die Frage ist aber, wo für Institutionen künftig Grenze zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Spenden liegen soll. Was ist mit Autoherstellern, Banken oder Energiekonzernen, was ist mit Multikonzernen wie Siemens, die auch in der Rüstung und auch für autokratische Regime arbeiten? Die National Portrait Gallery hat ein mutiges Zeichen gesetzt, aber es kann zu dem Missverständnis verleiten, dass private Kulturförderung grundsätzlich immer verdächtig ist. Das wäre fatal. Weniger Selbstverständlichkeit, mehr Achtsamkeit bei der Auswahl von Förderern und Mäzenen aber kann den Museen und der Wissenschaft weltweit nur gut tun.