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Private Nutzung von Bonus-Meilen

Durak: Am Telefon ist Steffi Lemke, sie ist parlamentarische Geschäftsführerein der Bündnisgrünen im Bundestag. Frau Lemke, was wir hier so hören - Aluminiumrollkoffer für soundsoviel Euro, aber er wurde ja für Akten genutzt - und vieles andere mehr. Wenn es nicht so ernst wäre müsste man fast lachen. Ist das eine Sache das Wahlkampfes?

    Lemke: Es gibt mit der Nutzung von Bonusmeilen, die die Abgeordneten über Dienstflüge erzielen können ein grundsätzliches Problem. Der Bundestag hat sich bereits 1997 darum bemüht eine Trennung zwischen dienstlichen und privaten Bonusmeile zu erzielen. Das ist gegenüber der Lufthansa damals nicht gelungen, das heißt die Abgeordneten haben diese Gutschriften gemeinsam auf einem Konto und dieses strukturelle Problem hat der Bundestag dann damals gelöst indem erklärt worden ist, dass diese dienstlich genutzten Meilen nicht für Privatflüge verwendet werden dürfen und die Abgeordneten dieses auch jeweils bestätigen. Das Problem ist jedoch, dass es eine Vermischung auf einem Konto gibt und das offensichtlich bei mehreren Abgeordneten aus allen Fraktionen im übrigen dazu geführt hat, dass sie sich nicht korrekt verhalten haben.

    Durak: Das hört sich so an als wären die Umstände schuld: 'strukturelle Schwierigkeiten'. Frau Lemke, wenn ich auf meinem Privatkonto Zugänge auch von anderen Personen haben, die das Geld aber kriegen sollen, dann kann ich das doch auch fein säuberlich auseinanderhalten. Weshalb also können Abgeordnete dann nicht Buch führen und sagen: dies sind meine persönliche und das sind die dienstlichen Meilen?

    Lemke: Nein, ich will überhaupt nichts mit irgendwelchen Umständen entschuldigen. Es gibt Abgeordnete, die sich bei diesem Abrechnungssystem nicht korrekt verhalten haben. Ich wollte darauf hinweisen, dass es ein strukturelle Problem gibt, das die Abrechnungsmodalitäten wie Sie sie eben beschrieben haben für die Abgeordneten sehr erschwert hat und der Bundestag dies damals in einem einfachen transparenten Verfahren lösen wollte indem gesagt worden ist, die dienstlichen Meilen werden gar nicht den Abgeordneten persönlich gutgeschrieben sondern sofort dem Bundestag. Das ist damals nicht gelungen, deshalb hat es unkorrektes Verhalten von Abgeordneten gegeben.

    Durak: Frau Lemke, unkorrektes Verhalten von Abgeordneten ergibt sich aber aus dem Nachdenken der Abgeordneten, was sie tun und unterlassen. Das liegt doch nicht an dem Umständen.

    Lemke: Das ist richtig. Ich möchte die Abgeordneten, die diese Meilen für private Riesen verwendet haben damit auch nicht entschuldigen aber sinnvoll wäre gewesen, wenn man von Anfang an eine Trennung zwischen Dienst- und Privatreisen für die Abgeordneten ermöglicht hätte.

    Durak: Wo liegt die Verantwortung der Abgeordneten?

    Lemke: Die Verantwortung für den einzelnen Abgeordneten liegt darin, dass er diese Meilen nicht für Privatflüge verwendet. Da gibt es überhaupt kein herumreden, das will ich nicht entschuldigen, beschönigen oder wie auch immer. Wir werden versuchen, diese Vorfälle zu lösen, die Abgeordneten können diese falsch genutzten Bonusmeilen erstatten und ich halte es aber für sinnvoll um nicht so eine Grauzone entstehen zu lassen, wenn man prinzipiell eine Trennung erzielen kann.

    Durak: Das ist ja eine Frage der Ehre und Ehre und Moral und Anstand werden von den Abgeordneten ganz besonders gefordert. Zurecht?

    Lemke: Das ist zurecht. Die Abgeordneten sind Vertreter des deutschen Volkes wenn sei im Bundestag Politik machen. Wir haben dort sehr wohl eine besondere Verantwortung und Verpflichtung solche Regeln einzuhalten. Ich finde es nicht richtig, wenn jetzt aufgrund dieser Diskussionen, die entstanden sind - ich halte es im übrigen auch für richtig, wenn man den Abgeordneten jetzt erst mal die Möglichkeit zur Stellungnahme und Recherche einräumt ehe man sie verurteilt - dass jetzt der gesamte deutsche Bundestag für unkorrektes Verhalten in Haftung genommen wird.

    Durak: Das glaube ich wird man auch nicht tun aber es fragt sich natürlich mancher, was die Abgeordneten und ihre zuständigen Gremien für Konsequenzen ziehen. Was also ist zu tun jetzt als nächster Schritt?

    Lemke: Deshalb hatte ich eingangs darauf hingewiesen, dass der Bundestag damals bereits durch diese Grauzone hat auftauchen sehen und sich von vornherein bemüht hat sie auszuräumen. Das damals im Hinblick auf die Fluglinien nicht möglich gewesen, darauf wird es jetzt einen neuen Anlauf geben. Die Abgeordneten werden erneut darauf hingewiesen wie sie sich korrekt zu verhalten haben und ich möchte, dass in Zukunft private Reisen und Dienstreisen getrennt werden, was das Ansammeln von Bonusmeilen angeht.

    Durak: Das lässt sich ja, Frau Lemke, ganz sicherlich leicht bewerkstelligen wenn man keine persönliche Vielfliegerkarte bekommt sondern eine Firmenkarte für Firmenflüge.

    Lemke: Richtig. Darum hat sich der Bundestag bereits bemüht.

    Durak: Woran scheiterte das?

    Lemke: An den betroffenen Fluglinien.

    Durak: Das heißt also, wenn jemand eine persönliche miles&more-Karte hat und eine Firmenkarte kriegt, das wollte man nicht?

    Lemke: Es war damals nicht möglich, diese Meilen dem Bundestag direkt zuzuschreiben, damit der Abgeordnete als Privatperson darauf gar keinen Zugriff hat beziehungsweise nicht nach allen Flügen die einzelnen Meilen auseinanderrechnen und trennen muss und welcher Bonus wofür einzusetzen ist. Diese Vermischung halte ich für falsch ohne damit die Verantwortung der einzelnen Abgeordneten herunterreden zu wollen.

    Durak: Welche Konsequenzen sollten denn die Abgeordneten und die Parteien für sich selbst ziehen? Und Ihre Partei ist ja besonders betroffen, ob nun durch besondere Nutzung der Freiflüge oder weil sie so ehrlich ist und es zugibt oder es einfach aufgedeckt wird, je nachdem?

    Lemke: Ich bin immer dafür, den Abgeordneten zunächst die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, weil ich mir vorstellen kann, dass in der momentanen Situation auch unberechtigte Vorwürfe erhoben werden. Dass unsere Fraktion derzeit besonders im Gerede ist mag daran liegen, wie zur Zeit recherchiert wird. Ich habe aus allen Fraktionen gehört, dass es Abgeordnete gibt, die diese Meilen privat genutzt haben. Die Trennung muss her, der Ältestenrat wird sich erneut damit beschäftigen und versuchen, eine prinzipielle Regelung zu erzielen, die den Steuerzahlern diese Gutschriften der Dienstreisen ermöglicht und den Abgeordneten, in Zukunft besser zwischen Dienst- und Privatreisen trennen zu können.

    Durak: Frau Lemke, Sie gehören dem Ältestenrat an, sind außerdem Parlamentarierin. Die Frage an Sie: haben die Grünen tatsächlich ihr Unschuld verloren wie es Ihr Kollege Oswald Metzger meint?

    Lemke: Ich glaube, dass man die Äußerung vom Kollegen Metzger im Moment aus der Situation, in der er sich befindet, betrachten muss, da er von der Partei bei der Listenaufstellung nicht berücksichtigt worden ist. Ich glaube nicht, dass man deshalb davon sprechen kann, dass die Grünen ihre Unschuld verloren haben. Wir haben uns immer für Korruptionsbekämpfung eingesetzt. Es ist eine andere Diskussion, die wir im Moment führen, was Verfehlungen von einzelnen Abgeordneten anbelangt. Die Partei wird deshalb keineswegs aufhören, den Finger in die Wunden von Steuerhinterziehung, Korruptionsfällen, Verquickung von Firmeninteressen, Verbandsinteresse mit politischen Interessen zu führen.

    Durak: Frau Lemke, angenommen es würde sich ergeben, dass jemand, egal aus welcher Partei, im Ministerrang oder ähnliches sozusagen unrechtmäßig diese Bonusmeilen genutzt hat, möglicherweise noch ausgiebig... Sollten da nicht Konsequenzen gezogen werden, die über das hinausgehen, was Abgeordnete betrifft? Ich denke mal an Cem Özdemir, der deshalb aus dem Bundestag ausgetreten ist.

    Lemke: Ich denke, dass zunächst alle Abgeordneten, die im Moment mit Vorwürfen der Bild-Zeitung konfrontiert sind, die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommen und es auch ausräumen können müssen. Cem Özdemir ist wegen der Verbindung von zwei Verhalten, die nicht korrekt gewesen sind, zurückgetreten. Er wird seine Kandidatur nicht wieder aufnehmen. Er hat das nicht wegen der miles&more-Geschichte getan, ich glaube, dass die einzelnen Fälle individuell zu prüfen sind.

    Durak: Für den Fall, dass Minister oder entsprechender Rang so etwas getan haben soll, müsste er oder sie dann zurücktreten?

    Lemke: Wenn ein einzelner Minister solche Meilen entgegen den Vorschriften privat genutzt hat, dann denke ich soll er die Möglichkeit haben, dieses zu bereinigen. Ein Rücktritt würde ich deshalb nicht nahe legen. Wenn die Meilen zurückerstattet werden können, wir haben die Diskussion um Gregor Gysi gehabt, ich glaube, dass so wie er gehandelt hat, eine Möglichkeit besteht, den Vorfall aus der Welt zu räumen.

    Durak: Eine Spende?

    Lemke: Nein, diese Meilen zurückzuerstatten. Und was unsere Fraktion im Ältestenrat als kurzfristige Konsequenz vorschlagen wird, ist, dass die jeweiligen Abgeordneten dem Bundestag ihre jeweiligen Kodex-Nummern so angeben, dass dort ein besserer Zugriff auf diese Meilen möglich ist.

    Durak: Steffi Lemke, die parlamentarische Geschäftsführerin der Bündnisgrünen Im Bundestag. Schönen Dank, Frau Lemke, für das Gespräch.

    Lemke: Auf Wiederhören.