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"Privatisierung ist kein Allheilmittel"

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sieht den Verkauf städtischer Wohnungen in Dresden nicht als Vorbild für andere Städte " Ich glaube, das ist keine Blaupause, mit der die Kommunen jetzt ihre desolate Finanzkrise lösen könnten", sagte Landsberg. Auch wenn die Dresdner Entscheidung richtig gewesen sei, letztendlich müsse individuell vor Ort beraten werden, welches der beste Weg für eine Gemeinde ist.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Ich möchte das Thema jetzt vertiefen im Gespräch mit Gerd Landsberg, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Guten Morgen, Herr Landsberg!

    Gerd Landsberg: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Das klingt ja erst einmal gerade zu berauschend: Da werden Wohnungen verkauft, und eine ganze Großstadt ist auf einen Schlag schuldenfrei. War das nun ein gutes Geschäft?

    Landsberg: Also zunächst ist natürlich zu begrüßen, wenn endlich mal eine Großstadt in Deutschland schuldenfrei ist. Ob das ein gutes Geschäft war, wird man heute nicht sagen können, sondern langfristig. Man muss natürlich sehen: Schulden sind schlecht, andererseits ist Privatisierung kein Allheilmittel. Man kann eben nur einmal verkaufen, und das haben Sie in dem Bericht ja auch dargestellt, man verliert damit natürlich auch ein kommunales Steuerungselement. Anderseits wird man sagen müssen, wenn man immer mehr Schulden hat, kann man kommunalpolitisch auch wenig steuern. Insofern ist das sicherlich ein interessanter Versuch.

    Heuer: Wieso machen andere Gemeinden das dann nicht einfach auch?

    Landsberg: Ich glaube, das ist keine Blaupause, mit der die Kommunen jetzt ihre desolate Finanzkrise lösen könnten. Zum einen haben die Kommunen keine so schönen Grundstücke und Wohnungen wie offenbar Dresden. Viele haben es nie gehabt, manche haben es gehabt, haben es aber auch verkauft und sind jetzt auch wieder verschuldet. Das geht eben nur in ganz bestimmten Situationen, in besonderen Lagen.

    Heuer: In Halle zum Beispiel ginge es nicht.

    Landsberg: Wahrscheinlich ginge es in Halle nicht, es ginge wahrscheinlich auch in Gelsenkirchen nicht und in Rostock nicht. Da kann man sicherlich verkaufen. Das ist ja auch in der Vergangenheit häufig gemacht worden. Aber ein solches Geschäft ist eben einmalig und hängt auch an einer einmaligen Situation.

    Heuer: Können große Städte eher mit solchen Geschäften sich sanieren als kleine Städte das könnten?

    Landsberg: Ich glaube nicht, dass da ein Unterschied zwischen großen und kleinen Städten ist. Wir haben das ja auch bei den Stadtwerken, dass die einen oder anderen versucht haben, ihre Stadtwerke zu verkaufen. Das hängt immer an der teilweise auch geschichtlichen Entwicklung, ob eben eine Stadt in früheren Jahren besonders reich war, dann natürlich auch das berühmte Tafelsilber angelegt hat. Nur man muss eben immer wissen, Tafelsilber nutzt ja die Kommune in der Regel zur politischen Steuerung, das steht nicht im Schrank wie bei der Oma und glänzt. Und deswegen sagen wir auch immer, Privatisierung muss vor Ort entschieden werden, das kann richtig sein. Aber in vielen Bereichen wollen die Bürger auch, dass Kommunen zum Beispiel Stadtwerke haben, dass sie damit Arbeitsplätze sichern und dass sie damit auch sozial Schwachen helfen. Das heißt nicht, dass das jetzt in Dresden falsch war, aber das muss alles sehr sorgfältig bedacht sein. Und eine Lösung der Finanzkrise der Kommunen in Deutschland ist damit leider nicht verbunden. Dafür braucht man eine Gemeindefinanzreform, dafür braucht man eine Reduzierung der Aufgaben, die Bund und Länder immer noch weiter auf die Kommunen übertragen, und wir brauchen eine Stärkung der kommunalen Investitionskraft.

    Heuer: Es gab ja immer mal wieder andere, kleinere Kommunen, die ihre Schulden auch abbauen konnten. Wie haben die das denn gemacht?

    Landsberg: Es gibt natürlich auch kleinere und mittlere Kommunen, denen es gelungen ist, durch eine geschickte Ansiedlungspolitik, große, erfolgreiche Gewerbebetriebe zu finden, die dort natürlich auch eine ganze Menge Gewerbesteuer bezahlt haben. Dann haben natürlich die Kommunen ihr Leistungsspektrum immer weiter ausgedünnt, freiwillige Leistungen, Büchereien, Schwimmbäder geschlossen, und das hat auch in dem einen oder anderen Fall dazu geführt, dass es Kommunen gelungen ist, sich nicht vielleicht ganz zu entschulden, aber weitgehend, so dass sie erträglich damit leben können. Auch das gibt es selbstverständlich.

    Heuer: Das klingt doch nach einer brauchbaren Blaupause, wie sie sagen, für alle Städte und Gemeinden. Hat Dresden da zu wenig getan, oder hatten die Dresdner einfach keine Chance?

    Landsberg: Ich glaube, die Dresdner hatten keine Chance. Das gilt für ganz viele Städte. Wenn Sie eine Sozialstruktur haben mit vielen Sozialhilfeempfängern, da können Sie sich nicht gegen wehren, Sie haben ja die gesetzliche Verpflichtung, für diese Menschen zu sorgen und da können Sie eine Finanzpolitik machen, die kann die beste der Welt sein, damit entschulden Sie eine Stadt nicht, und das können sie auch an den Kassenkrediten sehen. Viele Städte sind gezwungen, trotz aller Sanierungsmaßnahmen, selbst ihr Personal über Kredite zu bezahlen, und das liegt nicht daran, dass die es nicht können, sondern das liegt einfach, dass wir zu viele Aufgaben immer wieder bekommen haben in der Vergangenheit und eben keinen finanziellen Ausgleich dafür. Und das ist das zentrale Problem zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

    Heuer: Nun hat Dresden plötzlich keine Schulden mehr. Die Dresdner sind sehr erleichtert, und Erleichterung führt ja manchmal zu Übermut. Wie kann man denn der Gefahr vorbauen, dass jetzt statt, dass weiter gespart wird, einfach alles verkauft wird, bis nichts mehr da ist, beziehungsweise, dass neue Schulden gemacht werden?

    Landsberg: Da kann man natürlich nur vor warnen. Ich habe aber auch den Beschluss des Stadtrates so verstanden, dass man das gerade nicht will. Der Erlös geht ja vollständig in die Schuldentilgung. Und man muss jetzt dafür sorgen, dass man sehr vorsichtig mit dem gewonnenen Spielraum vorgeht. Ich meine, es sind ja immerhin 70 Millionen im Jahr, die man an Zinserleichterung hat. Damit kann man in einer Stadt wie Dresden natürlich eine Menge steuern und eine Menge machen. Und dann sollte man natürlich dafür sorgen, dass man mit diesem Geld auch tatsächlich auskommt. Aber auch das wird nur beschränkt an der Entscheidung der Stadt hängen. Es wird an der wirtschaftlichen Entwicklung hängen. Wie entwickelt sich die Arbeitslosigkeit in Dresden? Wenn es besser wird, wird es Dresden schaffen, wenn es sehr viel schlechter werden sollte, wird auch das wieder schwierig sein.

    Heuer: Wir haben vorhin schon über Städte gesprochen, für die das Dresdner Modell aus Ihrer Sicht nicht taugt. Fällt Ihnen eine Stadt ein, oder ein Hand voll von Städten, bei denen es sehr wohl taugen würde?

    Landsberg: Nein, das fällt mir nicht ein. Da haben wir im Prinzip auch keinen Überblick. Das ist so individuell unterschiedlich. Wir haben ja in Deutschland insgesamt 12.500 Städte und Gemeinden. Diesen Überblick hat niemand. Das ist auch nicht entscheidend, weil ich denke, das muss vor Ort abgewogen und entschieden werden, und dann müssen die Bürger mit den Politikern vor Ort damit dann auch leben.

    Heuer: Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Besten Dank für das Gespräch.

    Landsberg: Bitteschön, Frau Heuer.