Burkhard Birke: Eckpunkte sind klar erkennbar, können als Orientierungshilfe gelten. Vielleicht liegt es daran, dass die große Koalition in Berlin sich noch nicht auf die endgültigen Eckpunkte der Gesundheitsreform geeinigt hat, oder aber daran, dass es mit jeder Reformüberlegung schlicht undurchsichtiger wird, was eigentlich geplant ist. Kurzum: gerade auf dem Höhepunkt der Diskussion ist vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr zu sehen. Wir wollen ein bisschen Licht ins Unterholz der Gesundheitsreform bringen und vor allem auch die Ausgangslage für die privaten Krankenversicherer ein wenig beleuchten.
Am Telefon begrüße ich nun Roland Weber. Er ist Vorstand der Debeka-Krankenversicherung, die von sich behauptet, mit zwei Millionen Vollversicherten die größte private Krankenversicherung zu sein. Einen schönen guten Morgen Herr Weber!
Roland Weber: Schönen guten Morgen Herr Birke!
Birke: Herr Weber, was spricht denn eigentlich gegen eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, wie sie offenbar Frau Schmidt, der Gesundheitsministerin, vorschwebt?
Weber: Zweierlei! Zum einen: Sie wird nur kurzfristig der gesetzlichen Krankenversicherung helfen. Schon vor drei Jahren hat man die Beitragsbemessungsgrenze deutlich angehoben und das hat nur ein paar Jahre gehalten, bis die GKV wieder in Schwierigkeiten kam. Der zweite Punkt ist: Man wird damit langfristig das einzige Sozialsystem, das schuldenfrei ist und zukunftsfest ist, nämlich die PKV, austrocknen. Wir brauchen mehr Privatversicherte, nicht weniger! Eigentlich müssten wir von jedem, der für sich selbst vorsorgen kann, verlangen, dass er sich privat absichert. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn beispielsweise ein Ministerpräsident damit kokettiert, gesetzlich krankenversichert zu sein, wo jeder weiß, dass unsere Kinder später für ihn aufkommen müssen.
Birke: Sie bangen aber dann vor allen Dingen um Mitglieder, weil das heißt ja, wenn man die Beitragsbemessungsgrenze von derzeit im Westen 3.262,50 Euro auf 5.250 Euro anhebt, nämlich auf den Wert, der auch für die Rentenversicherung gilt, dass Ihnen einfach dann die möglichen potenziellen Versicherungsnehmer von der Leine gehen?
Weber: Wir bangen um die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens, das heißt um die Arbeitsplätze. Wir haben jedes Jahr bisher 350 Arbeitsplätze zusätzlich angebaut und wir haben 1.200 Ausbildungsplätze. Das könnten wir nicht mehr halten. Aber langfristig bangen wir um die Zukunftssicherheit unseres Systems in Deutschland, unseres Sozialsystems.
Birke: Aber eines Systems, Herr Weber, wenn Sie mir das gestatten, was ja aus Sicht der Privaten eine reine Rosinenpickerei ist. Sie suchen sich die niedrigen Risiken aus, die Leute mit hohen Einkommen und können dann natürlich sehr solide finanziell dastehen, aber die Beteiligung an der solidarisch finanzierten Krankenversicherung findet kaum statt.
Weber: Wenn man es aus Sicht von Herrn Lauterbach sieht, dann würde man es so sagen. Tatsache ist: Die Hälfte aller Privatversicherten sind Beamte und da lehnen wir keinen ab, sondern wir versichern alle. Zwei Millionen Kinder sind bei uns versichert und freiwillig Versicherte, das heißt Personen, die mehr als 3.900 Euro Verdienen, sind nur eine Million bei uns. Bei der GKV sind es mehr als fünf Millionen. Also wir haben nicht die Reichen versichert. Wir haben einen Querschnitt durch die Bevölkerung.
Birke: Was wäre denn aus Sicht der privaten Krankenversicherer ein Kompromiss auf die SPD-Forderung, eben auch die Privatversicherten und die Privatversicherungen mit in die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung einzubeziehen?
Weber: Die PKV ist schon solidarisch, weil nämlich die Privatversicherten das Gesundheitssystem mit rund zehn Milliarden jedes Jahr zusätzlich stützen. Diese zehn Milliarden müssen sonst von den gesetzlich Versicherten aufgebracht werden. Hätten wir nicht 10 Prozent Privatversicherte, sondern 20 Prozent, würden diese Privatversicherten nicht 20 Prozent des Gesundheitssystems, sondern 40 Prozent finanzieren. Dann würde mehr Luft bleiben für die gesetzliche Krankenversicherung. Warum das die SPD nicht einsehen will, ist mir ein Rätsel.
Birke: Wer glauben Sie denn wird sich am Ende durchsetzen? Wir hatten es ja eben gehört: Die SPD fordert die Einbeziehung der Privaten, auch die Beteiligung am Fonds. Die CDU scheint hin- und hergerissen und die CSU lehnt ab. Wer wird am Ende das Rennen machen?
Weber: Ich fürchte es wird einen Kompromiss geben, bei dem keiner glücklich sein wird: weder die gesetzlichen Kassen noch die Privaten, noch unsere Versicherten.
Birke: Jetzt wird ja auch überlegt, die so genannte Risikoüberprüfung auszuschließen. Das heißt wenn Sie einen Vertrag abschließen mit einem akut Gefährdeten, dass er dann entsprechend höhere Beiträge zahlen muss. Haben Sie Angst, dass diese Risikoüberprüfung wirklich wegfällt?
Weber: Wir haben das selbst vorgeschlagen vor zwei Jahren. Damals hat das Gesundheitsministerium nicht darauf reagiert. Wir praktizieren es ja, wie ich vorhin schon gesagt habe, schon beim Beamten. Egal wie krank er ist, jeder Beamte wird genommen. So würden wir es auch machen, sobald jemand die Möglichkeit hat, in die private Krankenversicherung zu kommen, also sich selbständig macht oder über die Versicherungspflichtgrenze kommt. Dann würden wir ihn nicht mehr ablehnen, egal wie krank er ist. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die PKV stabil bleiben, denn wir können nicht ein paar Jahre lang sehr viele Kranke aufnehmen und anschließend trocknet man uns aus.
Birke: Herr Weber, würde denn die auch geplante Übertragbarkeit der Altersrückstellung, die ja jede private Versicherung für ihre Versicherten fürs Alter vornimmt, Ihnen Kunden kosten? Haben Sie davor Angst?
Weber: Die Beiträge würden etwas steigen durch die Übertragbarkeit der Alterungsrückstellung, aber ich glaube die Politik erwartet es von uns, dass wir dieses zukünftig tun, und deshalb haben wir auch hierzu Vorschläge gemacht. Ich glaube langfristig wird es nicht schaden.
Birke: Wenn Sie es auf einen kurzen Nenner bringen: Was erwarten Sie an den Eckpunkten aus Sicht der privaten Krankenversicherungen von der Gesundheitsreform?
Weber: Ich erwarte, dass man das System zukunftssicherer macht. Ich fürchte aber, dass dies nicht erfolgen wird, sondern dass man zunächst einmal kleine Schritte geht, die Versicherungspflichtgrenze erhöht und mehr Belastungen durch Steuererhöhungen auf die Versicherten zukommen.
Birke: Diese Steuererhöhungen scheinen ja nun einen ganz realistischen Hintergrund zu haben. Heute berichtet das "Handelsblatt", dass man bis 2010 den Steuerzuschuss von derzeit 4,2 Milliarden Euro stufenweise bis auf 45 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen soll. Was würde das Ihrer Meinung nach bedeuten?
Weber: Ich fände es richtig, wenn man über zusätzliche Steuermittel die Beitragsfreiheit der Kinder finanziert und wenn man die versicherungsfremden Leistungen über Steuermittel finanziert. Zusätzlich das Gesundheitssystem über Steuermittel zu finanzieren halte ich nicht für sinnvoll. Allerdings wenn man kurzfristig damit die GKV weiter bringen kann, wird es wahrscheinlich die einzige Möglichkeit sein im Rahmen einer großen Koalition, wo man ja einen gemeinsamen Nenner finden muss, wenn man anderen nicht wehtun will.
Birke: Das wäre doch wahrscheinlich auch aus Sicht der Privatkassen ihre Existenzsicherung, denn sonst würden sie doch praktisch nur zu einer Art gesetzlicher Krankenkasse mit privatem Mantel degradiert oder?
Weber: Ich glaube nicht, dass die Einbeziehung der Privaten in das Fondsmodell und zusätzlich die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze oder gar die Aufhebung verfassungsrechtlich sauber wäre. Wir würden dagegen klagen und ich glaube die Politik müsste das zurücknehmen.
Birke: Die Klage ist ernst gemeint? Sie würden also wirklich vors Vorfassungsgericht gehen?
Weber: Die Klage ist ernst gemeint!
Birke: Roland Weber war das zum Thema Gesundheitsreform. Er ist der Vorstand Krankenversicherung bei der Debeka, der größten privaten Krankenversicherung. Vielen Dank und auf Wiederhören!
Weber: Auf Wiederhören!
Am Telefon begrüße ich nun Roland Weber. Er ist Vorstand der Debeka-Krankenversicherung, die von sich behauptet, mit zwei Millionen Vollversicherten die größte private Krankenversicherung zu sein. Einen schönen guten Morgen Herr Weber!
Roland Weber: Schönen guten Morgen Herr Birke!
Birke: Herr Weber, was spricht denn eigentlich gegen eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, wie sie offenbar Frau Schmidt, der Gesundheitsministerin, vorschwebt?
Weber: Zweierlei! Zum einen: Sie wird nur kurzfristig der gesetzlichen Krankenversicherung helfen. Schon vor drei Jahren hat man die Beitragsbemessungsgrenze deutlich angehoben und das hat nur ein paar Jahre gehalten, bis die GKV wieder in Schwierigkeiten kam. Der zweite Punkt ist: Man wird damit langfristig das einzige Sozialsystem, das schuldenfrei ist und zukunftsfest ist, nämlich die PKV, austrocknen. Wir brauchen mehr Privatversicherte, nicht weniger! Eigentlich müssten wir von jedem, der für sich selbst vorsorgen kann, verlangen, dass er sich privat absichert. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn beispielsweise ein Ministerpräsident damit kokettiert, gesetzlich krankenversichert zu sein, wo jeder weiß, dass unsere Kinder später für ihn aufkommen müssen.
Birke: Sie bangen aber dann vor allen Dingen um Mitglieder, weil das heißt ja, wenn man die Beitragsbemessungsgrenze von derzeit im Westen 3.262,50 Euro auf 5.250 Euro anhebt, nämlich auf den Wert, der auch für die Rentenversicherung gilt, dass Ihnen einfach dann die möglichen potenziellen Versicherungsnehmer von der Leine gehen?
Weber: Wir bangen um die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens, das heißt um die Arbeitsplätze. Wir haben jedes Jahr bisher 350 Arbeitsplätze zusätzlich angebaut und wir haben 1.200 Ausbildungsplätze. Das könnten wir nicht mehr halten. Aber langfristig bangen wir um die Zukunftssicherheit unseres Systems in Deutschland, unseres Sozialsystems.
Birke: Aber eines Systems, Herr Weber, wenn Sie mir das gestatten, was ja aus Sicht der Privaten eine reine Rosinenpickerei ist. Sie suchen sich die niedrigen Risiken aus, die Leute mit hohen Einkommen und können dann natürlich sehr solide finanziell dastehen, aber die Beteiligung an der solidarisch finanzierten Krankenversicherung findet kaum statt.
Weber: Wenn man es aus Sicht von Herrn Lauterbach sieht, dann würde man es so sagen. Tatsache ist: Die Hälfte aller Privatversicherten sind Beamte und da lehnen wir keinen ab, sondern wir versichern alle. Zwei Millionen Kinder sind bei uns versichert und freiwillig Versicherte, das heißt Personen, die mehr als 3.900 Euro Verdienen, sind nur eine Million bei uns. Bei der GKV sind es mehr als fünf Millionen. Also wir haben nicht die Reichen versichert. Wir haben einen Querschnitt durch die Bevölkerung.
Birke: Was wäre denn aus Sicht der privaten Krankenversicherer ein Kompromiss auf die SPD-Forderung, eben auch die Privatversicherten und die Privatversicherungen mit in die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung einzubeziehen?
Weber: Die PKV ist schon solidarisch, weil nämlich die Privatversicherten das Gesundheitssystem mit rund zehn Milliarden jedes Jahr zusätzlich stützen. Diese zehn Milliarden müssen sonst von den gesetzlich Versicherten aufgebracht werden. Hätten wir nicht 10 Prozent Privatversicherte, sondern 20 Prozent, würden diese Privatversicherten nicht 20 Prozent des Gesundheitssystems, sondern 40 Prozent finanzieren. Dann würde mehr Luft bleiben für die gesetzliche Krankenversicherung. Warum das die SPD nicht einsehen will, ist mir ein Rätsel.
Birke: Wer glauben Sie denn wird sich am Ende durchsetzen? Wir hatten es ja eben gehört: Die SPD fordert die Einbeziehung der Privaten, auch die Beteiligung am Fonds. Die CDU scheint hin- und hergerissen und die CSU lehnt ab. Wer wird am Ende das Rennen machen?
Weber: Ich fürchte es wird einen Kompromiss geben, bei dem keiner glücklich sein wird: weder die gesetzlichen Kassen noch die Privaten, noch unsere Versicherten.
Birke: Jetzt wird ja auch überlegt, die so genannte Risikoüberprüfung auszuschließen. Das heißt wenn Sie einen Vertrag abschließen mit einem akut Gefährdeten, dass er dann entsprechend höhere Beiträge zahlen muss. Haben Sie Angst, dass diese Risikoüberprüfung wirklich wegfällt?
Weber: Wir haben das selbst vorgeschlagen vor zwei Jahren. Damals hat das Gesundheitsministerium nicht darauf reagiert. Wir praktizieren es ja, wie ich vorhin schon gesagt habe, schon beim Beamten. Egal wie krank er ist, jeder Beamte wird genommen. So würden wir es auch machen, sobald jemand die Möglichkeit hat, in die private Krankenversicherung zu kommen, also sich selbständig macht oder über die Versicherungspflichtgrenze kommt. Dann würden wir ihn nicht mehr ablehnen, egal wie krank er ist. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die PKV stabil bleiben, denn wir können nicht ein paar Jahre lang sehr viele Kranke aufnehmen und anschließend trocknet man uns aus.
Birke: Herr Weber, würde denn die auch geplante Übertragbarkeit der Altersrückstellung, die ja jede private Versicherung für ihre Versicherten fürs Alter vornimmt, Ihnen Kunden kosten? Haben Sie davor Angst?
Weber: Die Beiträge würden etwas steigen durch die Übertragbarkeit der Alterungsrückstellung, aber ich glaube die Politik erwartet es von uns, dass wir dieses zukünftig tun, und deshalb haben wir auch hierzu Vorschläge gemacht. Ich glaube langfristig wird es nicht schaden.
Birke: Wenn Sie es auf einen kurzen Nenner bringen: Was erwarten Sie an den Eckpunkten aus Sicht der privaten Krankenversicherungen von der Gesundheitsreform?
Weber: Ich erwarte, dass man das System zukunftssicherer macht. Ich fürchte aber, dass dies nicht erfolgen wird, sondern dass man zunächst einmal kleine Schritte geht, die Versicherungspflichtgrenze erhöht und mehr Belastungen durch Steuererhöhungen auf die Versicherten zukommen.
Birke: Diese Steuererhöhungen scheinen ja nun einen ganz realistischen Hintergrund zu haben. Heute berichtet das "Handelsblatt", dass man bis 2010 den Steuerzuschuss von derzeit 4,2 Milliarden Euro stufenweise bis auf 45 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen soll. Was würde das Ihrer Meinung nach bedeuten?
Weber: Ich fände es richtig, wenn man über zusätzliche Steuermittel die Beitragsfreiheit der Kinder finanziert und wenn man die versicherungsfremden Leistungen über Steuermittel finanziert. Zusätzlich das Gesundheitssystem über Steuermittel zu finanzieren halte ich nicht für sinnvoll. Allerdings wenn man kurzfristig damit die GKV weiter bringen kann, wird es wahrscheinlich die einzige Möglichkeit sein im Rahmen einer großen Koalition, wo man ja einen gemeinsamen Nenner finden muss, wenn man anderen nicht wehtun will.
Birke: Das wäre doch wahrscheinlich auch aus Sicht der Privatkassen ihre Existenzsicherung, denn sonst würden sie doch praktisch nur zu einer Art gesetzlicher Krankenkasse mit privatem Mantel degradiert oder?
Weber: Ich glaube nicht, dass die Einbeziehung der Privaten in das Fondsmodell und zusätzlich die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze oder gar die Aufhebung verfassungsrechtlich sauber wäre. Wir würden dagegen klagen und ich glaube die Politik müsste das zurücknehmen.
Birke: Die Klage ist ernst gemeint? Sie würden also wirklich vors Vorfassungsgericht gehen?
Weber: Die Klage ist ernst gemeint!
Birke: Roland Weber war das zum Thema Gesundheitsreform. Er ist der Vorstand Krankenversicherung bei der Debeka, der größten privaten Krankenversicherung. Vielen Dank und auf Wiederhören!
Weber: Auf Wiederhören!