Archiv


Pro Asyl: Abschiebungen nach Afghanistan stoppen

Bernd Mesovic von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat die in Stuttgart tagenden Innenminister aufgefordert, Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen. Die Sicherheitssituation dort habe sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. Dass die Innenminister keine Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge aus dem Kosovo, nicht einmal für hier aufgewachsene Kinder und ihre Eltern, beschlossen hätten, sei nach den Worten Mesovics ein Armutszeugnis.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Wir bleiben beim Thema und zwar beim Thema Abschiebung oder Rückführung von Flüchtlingen. Gestern gab es in Stuttgart, dort wo die Innenministerkonferenz tagte, Demonstrationen für ein Bleiberecht langjährig geduldeter Ausländer. Dabei war dort auch Bernd Mesovic von der Hilfsorganisation Pro Asyl. Herr Mesovic, Sie haben eben den Ausführungen des Innenministers von Rheinland-Pfalz folgen können. Sind Sie einigermaßen zufrieden gestellt?

    Bernd Mesovic: Wir sind überhaupt nicht zufrieden. Die Ausführungen von Herr Minister Bruch waren auch ein wenig unklar. Nach meiner Kenntnis hat die Innenministerkonferenz beschlossen, im Wesentlichen so weiterzumachen wie bisher.

    Spengler: Wie wäre denn das dann?

    Mesovic: Das heißt, es wird Abschiebungen nach Afghanistan in verstärktem Maße geben, wie das Hamburg ja schon betrieben hat in einer gewissen Vorreiterrolle - ungeachtet der Sicherheitssituation und ungeachtet der Tatsache, dass heute in den Medien steht, wie prekär die Sicherheitssituation ist, dass es die härtesten Angriffe gegeben hat in großen Teilen des Landes seit Monaten. Die Sicherheitssituation hat sich ja nicht verbessert, sondern verschlechtert. Das halten wir für ein Unding, dass die Innenministerkonferenz hier nicht klare Worte gefunden hat.

    Spengler: Klare Worte, Herr Mesovic, klare Worte, das wären ein prinzipieller Abschiebestopp nach Afghanistan?

    Mesovic: Afghanistan war die Forderung auf jeden Fall klar. Auch bezüglich des Kosovo hätten wir uns etwas mehr erwartet, denn die Situation der Minderheiten, um die es hier geht, das sind im Moment die so genannten Kosovo-Ägypter, eine sehr kleine Gruppe, und die Ashkali, eine sehr viel größere Gruppe, doch mehr als 10.000 in der Bundesrepublik, die würden in eine Situation abgeschoben - und so passiert das ja Tag für Tag -, in der ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist. Hier wird gerade von UNMIK auch insbesondere im Vorgriff auf die Statusverhandlungen im Kosovo sehr viel schön geredet und ich sehe jetzt, die Innenminister scheinen das zu übernehmen. Immerhin hat der Bruch ja angedeutet, eine Bleiberechtsregelung gibt es am Horizont, aber da hatten wir ja gestern schon sehr viel klarere Worte in Hinsicht auf eine mögliche Bleiberechtsregelung wenigstens für die hier aufgewachsenen oder lange hier lebenden Kindern und damit ihre Eltern - das ist ja nun innerhalb eines Tages leider völlig von der Agenda verschwunden, sehr bedauerlich - und das waren ja viele derer, die in Stuttgart auf dem Marktplatz auch demonstriert haben für ihr eigenes Schicksal, Kinder, Jugendliche, die kein anderes Land kennen als die Bundesrepublik und völlig integriert sind. Also das ist schon ein gewisses Armutszeugnis der Innenministerkonferenz, ...

    Spengler: Herr Mesovic, wenn ich den Herrn Bruch verstanden habe, soll es aber nicht bei einer generellen Abschiebung und einer pauschalen Fallbeurteilung bleiben, sondern es soll jeder Einzelfall angeschaut werden.

    Mesovic: Ähnliche Behauptungen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder vonseiten der Innenministerkonferenz, der Verweis auf eine Einzelfallprüfung. Wir haben festgestellt, dass in der Regel diese Einzelfallprüfungen nie wirklich stattgefunden haben, sondern dass schlicht Abschiebe-Business as usual durchgeführt wurde. Wir haben ja diese tragischen Fälle Tag für Tag, Woche für Woche, wo Kinder mit ihren Eltern abgeschoben werden, 15, 16 Jahre alt, die Familie acht, neun, manchmal zwölf Jahre im Bundesgebiet, das ist eine ganz tragische Situation und wir haben uns bemüht, auch ungeachtet aller Parteizugehörigkeiten mit diesem Aktionsbündnis, was in Stuttgart war, diese Situation deutlich zu machen. Es gibt eine Fülle von Aktionen, drei Innenminister haben diese Veranstaltungen gestern kurzfristig besucht, und wir sind schon in gewisser Weise enttäuscht, dass hier nicht einmal ein Einstieg gesucht worden ist. Gerade auch von christlichen Parteien wäre ja vielleicht doch das Stichwort zu erwarten gewesen, ...

    Spengler: Sie fordern, Herr Mesovic, für die Flüchtlinge nicht nur ein dauerhaftes Bleiberecht, sondern auch einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Schürt das nicht noch Vorbehalte angesichts der großen Zahl von Arbeitslosen?

    Mesovic: Nein, es ging bei dieser Forderung ja um die hier im Lande Aufhältlichen insbesondere. Die haben zum Teil durch eine bedauerliche Neuregelung des Zuwanderungsgesetzes teilweise Arbeitsplätze, die sie längst haben, verloren. Und wenn man jetzt an Bleiberecht für bestimmte Personengruppen künftig denkt, dann müssen die ja auch unabhängig von Sozialhilfe sein können. Das heißt, man muss ihnen auch die Chance geben, sich eine Arbeit zu suchen oder ihre Arbeitsplätze, die sie haben, zu behalten. Darauf richteten sich insbesondere unsere Forderungen, das ist gemeint mit dem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.