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"Pro Bahn": Grube räumt auf

Der Fahrgastverband "Pro Bahn" befürwortet den von dem neuen Bahnchef Rüdiger Grube angekündigten Neuanfang bei der Bahn. Bei einigen Kunden habe die Datenaffäre zu erheblicher Verunsicherung geführt, sagte Verbandschef Karl-Peter Naumann. Deshalb sei es gut, dass Grube jetzt Signale zur völligen Aufklärung gegeben habe.

Karl-Peter Naumann im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jochen Spengler: Die Bahn nach der Ära Mehdorn. Gestern gab der neue Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube bekannt, dass er einen Schlussstrich unter die Datenaffäre ziehen und wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen Führung, Mitarbeitern und Kunden schaffen wolle. Vier Vorstände werden das Unternehmen ebenso verlassen wie der Leiter der Konzernrevision, der Sicherheitschef und der Antikorruptionsbeauftragte. Mein Kollege Jasper Barenberg hatte gestern Abend Gelegenheit, Karl-Peter Naumann, den Vorsitzenden von "Pro Bahn" zu fragen, ob dies wirklich ein Neuanfang ist.

    Karl-Peter Naumann: Ich denke schon. Es sieht so aus, als wenn Herr Grube wirklich aufräumt. Das ist bitter notwendig. Hier hat es ja wohl doch eine ganze Menge Skandale gegeben, hier hat es viel Datenmissbrauch gegeben und gerade wir Kunden schauen natürlich auch skeptisch darauf, wie mit unseren Daten umgegangen wird. Mit denen ist jetzt zwar nichts passiert, aber ein Unternehmen, das schlecht mit Mitarbeiterdaten umgeht, dürfte vermutlich auch schlecht mit Kundendaten umgehen.

    Jasper Barenberg: Sind weitere Schritte aus Ihrer Sicht nötig, oder sind die Aufräumarbeiten, wie Sie es nennen, jetzt beendet?

    Naumann: Ich denke, man muss jetzt auch noch in der zweiten und dritten Reihe nachschauen. Da gibt es mit Sicherheit auch entsprechende Zuarbeiter und die muss man finden und die muss man dann entweder versetzen, oder auch vor die Tür setzen.

    Barenberg: Mit anderen Worten: Sie gehen davon aus, dass wir das ganze Ausmaß der Bespitzelungen und sonstige Machenschaften bei der Bahn, über Jahre und systematisch, dass wir das jetzt alles kennen, dass das auf dem Tisch liegt?

    Naumann: Ich hoffe, dass es jetzt weitestgehend auf dem Tisch liegt. Das eine oder andere mag immer noch im Verborgenen sein. Auf alle Fälle muss es ein ungeheuer massiver Skandal sein. Ich habe heute zufälligerweise in München auf der Transportmesse einen ehemaligen DB-Mitarbeiter gesprochen, der mir berichtete, der schon vor Jahren sich nicht getraut hat, mit bestimmten Leuten über die dienstliche E-Mail zu kommunizieren, sondern dass man da weit außerhalb des Konzerns liegende Mail-Adressen gesucht hat.

    Barenberg: Insofern ist es ja die Aufgabe von Rüdiger Grube als neuer Bahnchef, das Vertrauen zunächst einmal der Mitarbeiter, seiner Mitarbeiter zurückzugewinnen. Wie aber ist es um das Vertrauen von uns, von den Kunden in die Bahn bestellt nach Ihrer Ansicht?

    Naumann: Ich denke, wenn Herr Grube jetzt wirklich aufräumt mit den Skandälchen und Skandalen, die unter seinem Vorgänger passiert sind, dann können die Kunden auch wieder Vertrauen haben, weil Herr Grube ist jemand, der sehr vertrauenerweckend ist und der auch sehr offen ist für die Kunden und der auch schon angekündigt hat, mit uns Kunden wieder in einen Dialog einzutreten.

    Barenberg: Aus dem Bericht der Sonderermittler ist ja auch ersichtlich geworden, dass etwa 800 Mitarbeiter der Bahn Zugriffsrechte auf alle Bahn-PCs hatten. Mit anderen Worten: Wie sehr hat denn das Vertrauen aus Ihrer Sicht der Kunden Schaden genommen?

    Naumann: Ich fürchte, das hat schon bei einigen Kunden sehr großen Schaden genommen. Die Bahn hat ja viele Daten von uns Kunden. Die hat die Kreditkartennummer, die hat die Kontonummer, die hat die Adresse, die kennt unter Umständen jede Fahrkarte, die ich gekauft habe. Also da gibt es schon eine ganze Menge Daten, die die Bahn hat. Ich hoffe nur, dass nichts damit passiert ist, und Herr Grube muss jetzt sehr deutlich machen, dass mit solchen Dingen Schluss ist und dass alle, Mitarbeiter wie Kunden, sich wieder auf die Deutsche Bahn verlassen können.

    Barenberg: Sie haben aber keine Anzeichen dafür oder Informationen darüber, dass Daten von Kunden in irgendeiner Form missbräuchlich benutzt worden sind?

    Naumann: Es gibt bisher keine Informationen darüber, das ist richtig, aber gerade der Datenschutz und der Datenschutz von Kunden - das gilt auch für andere Unternehmen - ist ja eine hoch emotionale Angelegenheit und es reicht schon aus, einen Kunden zu verunsichern, wenn er sich dann nicht mehr richtig sicher fühlt.

    Barenberg: Es gab ja, bevor der Datenskandal publik wurde, eine ganze Reihe von Themen, die uns im Zusammenhang mit der Bahn beschäftigt haben. Ich erwähne mal die Aufregung um den sogenannten Bedienzuschlag an Schaltern bei der Bahn, ich erwähne die Empörung, die es über mögliche Bonuszahlungen für den Fall einer Privatisierung oder Teilprivatisierung geben sollte. Sind das Themen, denen wir uns jetzt wieder zuwenden müssen, oder was steht auf Ihrer Agenda?

    Naumann: Ich denke, es steht jetzt erst mal auf der Agenda, dass die Bahn wieder mit den Kunden und den Kundenvertretern spricht, dass man die Probleme anspricht und sie dann anschließend löst. Herr Grube hat entsprechende Signale ausgesendet und ich hoffe, dass er sie nun auch einlösen wird und dass wir dann gemeinsam, Kunden und Bahn, an einer besseren Bahn arbeiten können.

    Barenberg: Welche Probleme stehen denn bei Ihnen oben auf der Agenda?

    Naumann: Die großen Probleme sind nach wie vor versäumte Anschlüsse bei Verspätungen und vor allen Dingen auch zum Teil miserable und schlechte Informationen.

    Barenberg: Was wäre da in allererster Linie zu verbessern?

    Naumann: Man muss die Mitarbeiter der Bahn motivieren, richtig zu informieren. Häufig kennen sie die Tatsachen, haben aber keine Lust, das richtig zu machen - wie auch immer, das darf nicht sein. Und man muss natürlich auch den Informationsfluss innerhalb des Unternehmens so gestalten, dass jeder, der informieren muss, auch informieren kann.

    Barenberg: "Wir sind auf dem Wege zu einer neuen Unternehmenskultur", hat Rüdiger Grube heute gesagt. Das sehen Sie genauso, wenn ich Sie richtig verstanden habe?

    Naumann: Das sehe ich ganz genauso. Wir hatten auf einer Veranstaltung der "Allianz Pro Schiene" bereits Kontakt mit Herrn Grube und das war eigentlich ein sehr freundschaftliches 60-Sekunden-Gespräch, aber immerhin: Er ist jemand, der sich nicht zurückzieht und der uns nicht als Bahngegner beschimpft, sondern er sagt, mit euch muss ich reden.

    Spengler: Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende von "Pro Bahn", im Gespräch mit meinem Kollegen Jasper Barenberg.