Freitag, 29. März 2024

Archiv


Probleme mit dem Burkaverbot

Seit zwei Jahren ist das öffentliche Tragen des Vollschleiers in Frankreich verboten. Seitdem tragen viele Musliminnen gerade wegen dieses Verbots aus Protest eine Burka. Doch die französische Regierung will am Laizismusgebot der Verfassung festhalten.

Von Margit Hillmann | 12.08.2013
    Im Plattenbauviertel "Le Merisier" in Trappes: Polizei-Mannschaftswagen stehen am frühen Abend vor dem Kommissariat. Auf dem Marktplatz und in den Nebenstraßen patrouillieren in kleinen Gruppen bewaffnete CRS-uniformierte Spezialeinheiten der französischen Polizei.

    Zwei junge Frauen Anfang 20 sitzen am Springbrunnen, nur wenige Schritte entfernt von den Polizisten und ihren Mannschaftswagen. Eine der Beiden trägt einen schwarzen schulterlangen Schleier, der nur ein kleines Oval ihres ungeschminkten Gesichts freilässt.

    "Warum sind die noch immer da? Damit provozieren sie nur die Jugendlichen."
    "Die widern mich an. Ich weiß nicht mal, was die hier wollen? Die sind armselig. Die können sich hier so aufspielen, weil sie Waffen haben. Und weil wir keine haben."

    Die Beiden fühlen sich als Musliminnen diskriminiert – von der Polizei und vom Staat. Frauen, die den verbotenen Ganzkörperschleier tragen, bewundern sie.

    "Das ist mutig in einem Land wie Frankreich. Denn, wenn man sich draußen damit zeigt, fühlt man sich ständig verfolgt, unter Druck gesetzt. Die Polizei sollte sich lieber um die hohe Kriminalität kümmern, statt Leute zu verfolgen, die sich nach ihrem Glauben kleiden. Das geht die gar nichts an!"

    In Einwanderervierteln und Banlieues französischer Großstädte ist die Burka zum Symbol gegen den als islamfeindlich empfundenen Staat geworden. Harte Konfrontationen mit der Polizei, die das Burkaverbot durchsetzen soll, häufen sich. Nur wenige Tage nach den Vorfällen in Trappes geraten Polizisten in Marseille mit mehreren Dutzend Bewohnern aneinander, als sie eine Frau in Niqab kontrollieren wollen. Die Beamten werden leicht verletzt, mehrere Personen festgenommen.

    Seit April 2011 ist das öffentliche Tragen des Vollschleiers in Frankreich verboten. Rund 800 Bußgelder wurden laut Innenministerium seither verhängt. Doch das Burkagesetz entpuppt sich zusehends als schlecht durchdacht und in der Praxis kaum anwendbar. Es schafft Probleme, statt sie zu lösen, meint denn auch Agnès De Féo, Soziologin vom Pariser Institut für Sozialwissenschaften.

    In den Gettos sind Burkaträgerinnen nicht nur zahlreicher geworden, konstatiert die Expertin – das Gesetz hat sie radikalisiert.

    "Sie treffen sich jetzt auf entsprechenden Internetseiten, tauschen sich aus mit Salafisten auf Facebook und anderswo. Vor dem Burkagesetz gab es das nicht."

    Burkaträgerinnen hat de Féo für ihre Forschungen regelmäßig getroffen. Zumeist junge, selbstbewusste Französinnen, oft konvertiert zum Islam.

    "Fromme Frauen, die die Entscheidung für den Vollschleier ohne Zutun anderer getroffen haben. Erst nach Verabschiedung des Gesetzes haben sie begonnen, sich zu organisieren, Pro-Burka-Vereine gegründet. Das Gesetz hat aus ihnen frustrierte Frauen gemacht, die sich von der Gesellschaft schlecht behandelt fühlen. Sie sind heute nicht mehr auf einem individuellen religiösen Trip. Es ist ein Djihad. Das Burkatragen ist für sie zum Kampf geworden."

    Was in Trappes wirklich geschehen ist, gilt mittlerweile als umstritten. Hat sich die Polizei bei der Ausweiskontrolle der Burkaträgerinnen korrekt verhalten? Oder sind – wie zahlreiche Zeugen behaupten – die Beamten tatsächlich besonders aggressiv vorgegangen. Noch steht Aussage gegen Aussage.

    Doch Frankreichs Innenminister Manuel Valls – vehementer Verteidiger des Burkaverbots – will keine Zweifel aufkommen lassen. Er stehe hinter der Polizei und werde an seiner harten Linie festhalten, beteuerte der Minister mehrfach. Getreu dem Laizismusgebot der französischen Verfassung – der strikten Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften:

    "Jeder soll es wissen: Diejenigen, die das Gesetz der Republik nicht akzeptieren und ihre Sicht der Dinge aufzwingen wollen, für die gibt es in Frankreich keinen Platz. Das gilt ins besonders, wenn es um einen der schönsten Werte unseres Landes geht, der uns verbindet: den Laizismus."

    Für Frankreichs muslimische Gemeinde ist der Laizismus längst zu einem Reizwort geworden. Die reagiert dieser Tage denn auch dünnhäutig auf die Forderung des staatlichen Integrationsrats nach mehr Laizismus an den Universitäten: Ein grundsätzliches Kopftuchverbot – wie es vor knapp zehn Jahren in Frankreichs Schulen eingeführt wurde – müsse auch auf dem Campus gelten. Dalil Boubakeur, Vorsitzender des muslimischen Rats Frankreichs, warnte in einem Fernsehinterview vor neuen Gesetzesverschärfungen.

    "Das würde die Muslime Frankreichs nur noch zusätzlich stigmatisieren. Ich habe Mühe diese Art von permanentem Verdacht gegen die Muslime zu begreifen, der – aus meiner Sicht - nicht gerechtfertigt ist."