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"Produktpiraterie ist kein Kavaliersdelikt"

Meurer: Es begann mit der Rückrufaktion der Einzelhandelskette Aldi. Hunderttausende von Brandmeldern funktionierten nicht, müssen wieder eingesammelt werden. Für vier Euro konnte man diesen kleinen weißen Rauchmelder kaufen, vielleicht besonders begehrt jetzt in der Adventszeit mit brennenden Kerzen, die in der Wohnung losschlagen, wenn irgendwo im Haus Rauch entsteht. Hunderttausende Rauchmelder haben den Markt überschwemmt, waren allesamt eine Fälschung. Der Fall hat ein Schlaglicht geworfen auf eine Boombranche, nämlich auf die Produktpiraterie. Am Telefon begrüße ich Horst Prießnitz, er ist der Hauptgeschäftsführer des Markenverbands, der die Interessen der deutschen Markenartikelhersteller vertritt. Guten Tag, Herr Prießnitz.

    Prießnitz: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Wie groß ist das Problem der Produktpiraterie für die Hersteller von Markenartikeln?

    Prießnitz: Ja es ist groß und wird leider immer noch größer, vielleicht kann ich das mal an einer Zahl verdeutlichen. Wir schätzen, dass fünf bis sieben Prozent des gesamten Welthandelvolumens Piratenware ist, so genannte Piratenware. Und in Umsätzen ausgedrückt könnte das die 200 Milliarden Euro leicht überschreiten.

    Meurer: Wie viele gefälschte Produkte kommen in Deutschland auf den Markt?

    Prießnitz: Ja, wir können das natürlich ganz schwer schätzen. Mir liegt hier eine Zahl vor, die Zollbehörden der EU haben letztes Jahr 50 Millionen Produkte beschlagnahmt, die gefälscht waren. Das ist aber nur das Ergebnis von Stichproben bei ein Prozent der Ware. Also das zeigt Ihnen etwa eine Ahnung der Dimension, um die es geht, ein Vielfaches davon.

    Meurer: Welche Waren, Herr Prießnitz, werden vor allen Dingen gefälscht?

    Prießnitz: Hier hat sich ein Wandel gezeigt. Es waren bis vor einigen Jahren eigentlich eher nur Luxusgüter, die Fälscher sind erfindungsreich, entdecken neue Märkte, heute sind das pharmazeutische Produkte, Lebensmittel, Textilien und in ganz großem Umfang auch Spielzeug.

    Meurer: Ist das die neue Qualität jetzt gewesen, im Fall der Rauchmelder, dass Artikel gefälscht wurden, die offenbar im Einkaufspreis nahezu Pfennigware oder Centware sind?

    Prießnitz: Ich weiß nicht, ob das neue Qualität ist, aber für erstaunlich halte ich es jedenfalls nicht.

    Meurer: Aus welchen Ländern kommen vor allen Dingen die Fälschungen?

    Prießnitz: Ja, da gibt es leider ganz bestimmte Kandidaten. Ich nenne das mal die Hauptpiratenländer, China und Hongkong, schätzungsweise für fast zwei Drittel aller Piratenprodukte verantwortlich und dann kann man noch Thailand nehmen und in unserem näheren Umfeld dann die Türkei erwähnen.

    Meurer: Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet diese Branche jetzt boomt oder hängt es vielleicht eben sozusagen mit der allgemeinen Wirtschaftsflaute zusammen, dass dann die Fälschungen boomen?

    Prießnitz: Das glaube ich eher nicht, Herr Meurer, dass das ein Konjunkturphänomen ist, sondern das ist der Versuch eine schnelle Mark zu machen, um es mal sehr volkstümlich auszudrücken. In Staaten, die aufstrebend sind, die noch keine entwickelte Industrie haben, wie das etwa in Deutschland ist, und deswegen finden Sie in Deutschland praktisch keine Piratenware, die vom deutschen Markt kommt.

    Meurer: Müssen sich die Markenartikelhersteller vielleicht selber sagen, nicht ganz unschuldig zu sein, wenn der Verbraucher den Eindruck hat, Markenartikel werden einfach zu völlig überteuerten Preisen angeboten und dann kaufe ich es mir eben billiger gefälscht, aber in derselben Qualität.

    Prießnitz: Ja, das Thema Geizwelle beschäftigt uns ja im Moment sehr intensiv, nein das glaube ich nicht, ich glaube nicht, dass Marken überteuert im Markt sind, ich glaube, dass sie preiswert im Wortsinne sind. Die Schnäppchenmentalität ist natürlich da und stellt eine große Verlockung dar und das ist ein großes Einfallstor für die Produktpiraten.

    Meurer: Was sollte denn Ihrer Meinung nach getan werden gegen die Produktpiraterie?

    Prießnitz: Also erster Punkt aus unserer Sicht des deutschen Markenverbandes der Sumpf China muss ausgetrocknet werden. Hier sehe ich die Bundesregierung und die Europäische Kommission in der Pflicht, dann haben wir sehr gute Zusammenarbeit mit den Zollbehörden, aber Polizei und Staatsanwaltschaft sollten das Thema Produktpiraterie ernster nehmen und lassen Sie mich ruhig noch einen dritten Punkt nehmen, den Verbraucher selber. In der Bevölkerung ist immer noch kein Unrechtsbewusstsein vorhanden, dass der Kauf von Piratenware, ja ein Unrecht ist und die Herstellung schon mal sowieso. Und lassen sie mich ruhig mal plakativ sagen, Produktpiraterie und Erwerb dieser Ware ist kein Kavaliersdelikt.

    Meurer: Ist es strafbar, so was zu kaufen, ganz kurz.

    Prießnitz: Nicht wenn es ein Privatmann zum Eigenverbrauch kauft, nein, dann nicht, gewerblicher Handel und Umgang ja.

    Meurer: Das war Horst Prießnitz der Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes zur Boombranche Produktpiraterie. Vielen Dank Herr Prießnitz, wiederhören.