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Profiligen in Deutschland
Dopingbekämpfung nur formal

Volleyball, Basketball, Handball – Teamsportarten, die in Deutschland nicht unbedingt wegen Dopingfällen im Fokus stehen. Ligen und Verbände sehen sich im Kampf gegen Sportbetrug gut aufgestellt. Doch Recherchen der ARD-Dopingredaktion zeigen: Ernsthafter Kampf gegen Doping existiert dort nur auf dem Papier.

Von Josef Opfermann | 06.12.2020
Ein Dopingkontrolleur der NADA (Nationale Anti Doping Agentur) bestellt einen Spieler zur Dopingprobe.
Sven Laforce erhebt Vorwürfe in Richtung des Anti-Dopingkampfes. (imago sportfotodienst)
Theo Timmermann (Volleyball): "Ich bin jetzt seit sieben Jahren in der ersten Liga tätig und wurde noch nicht einmal auf Doping getestet."
Lasse Svan (Handball): "Von deutschen Kontrolleuren war keiner bei mir zuhause"
Benjamin Patch (Volleyball): "I’ve never been tested in Germany"
Stichproben-Aussagen aus deutschen Teamsportarten. Und doch keine Einzelfälle. Recherchen der ARD-Dopingredaktion zeigen: Gerade einmal elf Prozent aller männlichen Profis der deutschen Topligen in Handball, Basketball und Volleyball waren zum Zeitpunkt der Anfrage vor wenigen Wochen in einem Testpool gelistet. Die Recherchen belegen also: 89 Prozent aller Profis bleiben außerhalb der Wettkämpfe ganz oder weitgehend unbehelligt von Deutschlands Dopingfahndern.
Eine Laborantin dekantiert am 16.02.2004 im Institut für Biochemie in der Sporthochschule in Köln eine Urin-Dopingprobe. 
Anti-Doping-Forschung - Auch der Kampf gegen Doping leidet unter Corona
Geschlossene Doping-Kontroll-Labore, weniger Kontrollen – der Anti-Dopingkampf leidet unter der Corona-Pandemie. Auch die Forschung nach neuen Nachweismethoden ist zeitweise gestoppt oder verzögert worden.
Denn: nur Mannschaftssportler, die in den sogenannten Testpools aufgeführt sind, können zu jeder Tageszeit von einem Dopingkontrolleur aufgesucht werden. Wir haben der Vorstandsvorsitzenden der Nationalen Anti-Doping-Agentur, Andrea Gotzmann, unsere Ergebnisse gezeigt. Sie räumt ein:
"Ja, das ist eine gewisse Ausrechenbarkeit, weil wir uns hier nur auf einen bestimmten Kreis von Spielerinnen und Spielern fokussieren können. Die Unberechenbarkeit der Kontrollen außerhalb des Wettkampfes ist natürlich für uns eingeschränkt."
Die Vorstandsvorsitzende der NADA, Andrea Gotzmann, äußert sich am 01.06.2016 in Berlin vor Journalisten. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) stellt im Otto Bock Science-Center in Berlin ihre Bilanz für das Jahr 2015 vor
Die Vorstandsvorsitzende der NADA, Andrea Gotzmann (picture alliance / dpa Alexander Heinl)
Weil die jetzigen Testpools keine Spieler außerhalb der Nationalkader erfassen. Mehr Dopingtests kosten aber mehr Geld. Die Finanzierung und Zuständigkeit jedoch ist ungeklärt. Nach unseren Informationen wollte die NADA ein verbessertes Kontrollsystem einführen.
Seit 2017 nichts passiert
Etwa im Basketball 2017. Alle aktiven Athleten sollten in einem Teamtestpool erfasst werden. NADA-Chefin Gotzmann bestätigt uns die Kontaktaufnahme zum Basketball – sowie zum Handball und Volleyball. Passiert ist seitdem offenbar nichts. Beim Deutschen Basketballbund gibt man sich unwissend. DBB-Präsident Ingo Weiß:
"Kann ich nur sagen, dass ist bei mir nicht angekommen. Ich habe weder von der Nada irgendein Schreiben, noch irgendein Telefonat noch sonst etwas bekommen. Jetzt muss ich aber auch fairehalber sagen, dass es sein kann, dass das auf Mitarbeiterebene läuft"
Ingo Weiss (links), Präsident des Deutschen Basketball Bundes, und Deutschlands Trainer Henrik Rödl gehen nach einem WM-Spiel durch die Mixed-Zone.
Ingo Weiss (links), Präsident des Deutschen Basketball Bundes, und Bundestrainer Henrik Rödl (Archivfoto). (dpa / Pförtner)
Im Basketball prägen hierzulande internationale Topstars die Liga. Unsere Recherchen zeigen aber: ausländische Topspieler haben in Deutschland kaum oder gar nicht zu befürchten, außerhalb der Wettkämpfe getestet zu werden. So teilte uns die überwiegende Mehrheit ausländischer Doping-Kontroll-Agenturen mit, sie hätten im vergangenen Jahr Spieler ihrer Nationalitäten nicht in Deutschland getestet. Sie fühlten sich dafür teilweise nicht einmal zuständig.
"Wollen ein vernünftiges System"
Für Kaderathleten, wie den deutschen Handball-Nationaltorhüter Johannes Bitter, herrscht da ein Ungleichgewicht. Er kann und wird als Nationalspieler regelmäßig getestet, engagiert sich als Spielergewerkschaftler. Bitter fordert entschiedenere Maßnahmen:
"Wir wollen einfach ein vernünftiges System, wo der Athlet nahezu gläsern ist, da spiel ich mit, ist kein Problem, weil ich dafür sorge, dass mein Sport weiterhin sauber durchgeführt wird."
Der deutsche Nationaltorhüter Johannes Bitter am 5. November 2020 in Düsseldorf
Der deutsche Nationaltorhüter Johannes Bitter. (www.imago-images.de)
Ein Lösungsansatz wären sogenannte Teamtestpools. Die gibt es in Deutschland bereits im Fußball und Eishockey. Damit können Spieler unabhängig von ihrer Nationalität durch die NADA im Training getestet werden.
"Geben eindeutig Anlass zur Sorge"
Doch wird wenigstens im Wettkampf kontrolliert? Auch da gibt es ernüchternde Statistiken für 2019, die uns vorliegen. Im Basketball waren bei insgesamt 340 Partien der Topklubs auf nationaler Ebene nur 21 Mal Dopingkontrolleure im Einsatz. Heißt: in 94 Prozent der Spiele gab es keine Dopingtests. Mit unseren Recherchen konfrontiert sagte der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur Witold Banka:
"Das ist beunruhigend. Ich kenne die Ergebnisse nicht im Detail. Aber auf den ersten Blick geben sie eindeutig Anlass zur Sorge. Ich werde dieses Problem gegenüber dem WADA-Management zur Sprache bringen."
Witold Banka, designierter WADA-Chef
Witold Banka, WADA-Chef (www.imago-images.de)
Einen Verdacht auf Doping gibt es in den deutschen Top-Basketball-, Handball- und Volleyball-Ligen zwar nicht. Aber: wer nicht testet, kann eben auch nichts finden.