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Profit statt Menschenrechte

Die Würde des Menschen, heißt es im Grundgesetz, ist unantastbar. Allerdings stammt das Grundgesetz aus einer Zeit, als es noch keine Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar", kurz DSDS, gab: eine Show, die jedem, der in der Badewanne trällert, das Gefühl suggeriert, er oder sie habe das Zeug zum Superstar. Dann zerrt man diese Irrgläubigen vor die Kamera und lässt sie sich dort bis auf die Knochen blamieren.

Von Klaus Deuse | 23.02.2008
    Mit solchen erbarmungslosen Bloßstellungen erzielt der Privatsender RTL nicht nur Traumquoten von über 20 Prozent, sondern vor allem satte Einnahmen aus der Werbung, Telefon-Mitmachaktionen sowie aus dem Verkauf von CDs und Fanpostillen. Die bisherigen Staffeln spülten dem Sender und der Dachgesellschaft jeweils weit über 100 Millionen Euro in die Kassen. der helle Wahnsinn.

    Den Rest an Wahnsinn besorgt eine Jury, die noch nichts von der Wahrung der Menschenwürde gehört zu haben scheint, weil sie Kandidaten vor einem Millionenpublikum erst dümmlich auf- und dann gnadenlos vor die Wand laufen lässt. Dutzenden von jungen Menschen entgleiten dabei zu ungelenken Bewegungen Laute, die auf der Tonleiter kein Zuhause haben. Doch gerade aus dieser Häme saugt DSDS den Quoten steigernden Unterhaltungswert. Branchenprofis wie Dieter Bohlen, der den Zoten-Terminator gibt, üben sich als Unschuldsengel und behaupteten tolldreist, sie würden mit ihre vernichtenden Bemerkungen die Schlachtopfer auf dem Quotenalter vor noch schlimmeren Enttäuschungen in ihrem Leben bewahren wollen. Was für ein Hohn: Ja, um Himmels willen, kann man das diesen bemitleidenswerten Menschen nicht sagen, bevor sie die Kamera der Lächerlichkeit preis gibt? Aber dann wäre das Konzept im Eimer.

    Nun verstößt DSDS nach Überzeugung der KJM, der Kommission für Jugendmedienschutz, gegen so ziemlich alle Jugendschutzbestimmungen, da in dieser Casting-Show antisoziales Verhalten als Normalfall daherkomme.. Also sei ein Bußgeld von 100.000 Euro mehr als angemessen. Da lachen im medialen Geschäft aber die Hühner. Vorerst fließt nämlich kein einziger Cent, da RTL dazu erst einmal angehört werden muss, ganz abgesehen davon, dass der Sender bei dem finanziellen Erfolg dieses Formats die Strafe lächelnd aus der Portokasse aus der Portokasse abzweigen könnte, wird es allmählich lächerlich. Aus heiterem Himmel verlangt RTL doch tatsächlich die Begutachtung der verbleibenden Folgen. Was für eine dreiste Scheinheiligkeit, denn in dieser finalen Phase werden die ausgesiebten Kandidaten von den Juroren nur noch gehätschelt - und vom Publikum per Telefonabstimmung abgewählt. Da wird kein Fernsehwächter bei den Kommentaren von Bohlen und Co. auch nur ein Haar in der Suppe finden. Eine Schmierenkomödie ohnegleichen, von der nur RTL profitiert. Und das obendrein noch kostenlos. Die angedrohte Strafe in Kombination mit der reuigen Bereitschaft, sich den Fernsehwächtern zu stellen, beschert dem Privatsender nur noch höhere Einschaltquoten.

    Egal, welcher musikalischer Minimalist im Finale durchdudeln sollte. So sackt man satte Gewinne ein- und verkaspert dabei auf einen Streich Fernsehkontrolleure als auch die Zuschauer. Beim Privatfernsehen geht es ja ums Geld und nicht um Menschenrechte.