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Profiteure der Griechenland-Krise sollen zahlen

FDP-Staatsminister Werner Hoyer bittet nach den beschlossenen EU-Nothilfen Spekulanten zur Kasse: "Speziell auch diejenigen, die jetzt einen Profit schlagen", sollten sich an der Finanzierung des Rettungspakets beteiligen.

Werner Hoyer im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 08.05.2010
    Jürgen Zurheide: Das war Andreas Reuter über die aktuelle Krise in der Europäischen Union und wie man damit umgehen will. Wir wollen jetzt den Spannungsbogen schlagen von der Vergangenheit, was man lernen kann zur aktuellen Krise, und das alles wollen wir tun mit Werner Hoyer, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Hoyer!

    Werner Hoyer: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Hoyer, gehen wir zunächst mal in die Vergangenheit. In der Tat, wir haben gerade Robert Schuman gehört, wir haben gehört, wie Männer irgendwann mal sehr mutig vorangegangen sind, denn das war ja damals eine ganz schwierige Zeit am Ende des Zweiten Weltkrieges, die Ruhrbesatzung aufzugeben, die Keimzelle der Europäischen Union anzulegen und das zu überwinden, was gegeneinanderstand. Wenn man das heute so noch mal auf sich wirken lässt, was bewegt Sie dann?

    Hoyer: Es macht selbst so gigantische Probleme, wie wir sie gegenwärtig mit der Bewahrung des Euro und der Stabilität unserer Währung haben, noch etwas kleiner gegenüber der großartigen Leistung, die damals vollbracht worden ist. Nur fünf Jahre nach dem Ende der größten Katastrophe, des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts, dieses Angebot auch zu machen, Frankreich und Deutschland, Frankreich gegenüber Deutschland, nämlich gemeinsam mit den anderen Partnern ein neues Friedenswerk aufzubauen in Europa, denn das war es ja in erster Linie. Es war darüber hinaus natürlich ein Samen, der ausgebracht worden ist für ein großes Wohlstandswerk in Europa, aber damals war das zunächst einmal eine große Friedensbotschaft. Wir dürfen heute nicht vergessen, wir können es uns kaum vorstellen, in welchem Zustand Europa damals war und welcher, welche Verzweiflung, auch welcher Hass doch von dem gerade beendeten Zweiten Weltkrieg übergeblieben war. Und deswegen war das eine gigantische Leistung, die Robert Schuman damals mit anderen gemeinsam erbracht hat.

    Zurheide: In der Tat, manche Diskussionen heute wirken kleinmütig – auf der anderen Seite sind wir nun mal heute und wir sind nicht in der Vergangenheit. Wie kann man das Alte wach halten, was da notwendig ist, ohne jetzt die aktuellen Probleme immer nur in den Hintergrund zu drängen?

    Hoyer: Nein, nein das will ich überhaupt nicht. Die aktuellen Probleme müssen gelöst und entschlossen angepackt werden. Vielleicht ist das Wort entschlossen der richtige Begriff, denn es braucht offenbar Entschlossenheit, um auch so unglaublich starke Bewegung auf den Märkten auch zu kontern, um, wenn man eine Währung retten will. Entschlossenheit war es ja damals auch, und was wir lernen können aus der damaligen Situation, ist, dass es um übergeordnete Ziele geht, die man erreichen muss. Das ist in erster Linie ein Friedensziel gewesen damals und ich sage auch heute und darüber hinaus, das Ziel, diesen Kontinent, der es in der Globalisierung ja jetzt auch nicht leichter haben wird in den nächsten Jahrzehnten, seinen Wohlstand zu wahren.

    Zurheide: Wir kommen gleich noch auf diese aktuelle Debatte. Ich will noch mal auf Griechenland kommen, auch das Abschichten, zu dem, was wir da gerade gehört haben. Wenn wir die Griechenlanddebatte noch mal auf uns wirken lassen und dann das noch mal in den Blick nehmen, was der Boulevard sich da zum Teil geleistet hat – ich will das bewusst so formulieren –, dann hat man ja das Gefühl, dass wir politisch eher rückständiger werden, oder?

    Hoyer: Es hat manche Äußerungen gegeben, für die man sich auch durchaus schämen musste. Denn es ist nicht nur unklug gewesen, sondern teilweise auch unanständig. Unklug deshalb, weil es ja in dieser Debatte darum geht, auch unsere ureigenen Interessen zu wahren. Das sind ja nicht irgendwelche abstrakten Ziele, die hier verfolgt werden, sondern es geht darum, unsere eigene Sicherheit in der Zukunft innerhalb der Europäischen Union zu gewährleisten und mit der europäischen Integration zu gewährleisten. Aber darüber hinaus ist es auch eine Frage des Anstands, wie man mit anderen umgeht. Ich glaube, bei aller Kritik an dem, was Politiker in Griechenland in den letzten Jahren, in dem letzten Jahrzehnt falsch gemacht haben, so muss man doch anerkennen, was für eine schwierige Situation für die Menschen in Griechenland entstanden ist. Und wenn in einer solchen Situation die Menschen in Griechenland das Gefühl haben, dass sie von den Partnern in Europa geradezu gedemütigt werden und runtergeredet werden, dann ist das menschlich nicht in Ordnung.

    Zurheide: Auf der anderen Seite, Sie haben es gesagt, die Probleme in Griechenland sind eben schon lange angelegt und da taucht natürlich auch die Frage auf, wie kann es eigentlich passieren, dass heute bestimmte Maßnahmen als alternativlos bezeichnet werden – das kann man ja sehen und die Kanzlerin hat es gesagt, sie sind im Moment alternativlos, aber sie sind natürlich auch deshalb alternativlos, weil man in der Vergangenheit vielleicht nicht genau genug hingeschaut hat. Das ärgert die Menschen wiederum. Wie kriegt man das in der Zukunft besser hin?

    Hoyer: Indem man entsprechende Mechanismen einbaut, die sozusagen die roten Lampen früher aufleuchten lassen. Allerdings in der konkreten Frage Griechenland ist es ja nicht so gewesen, dass man überrascht worden wäre jetzt …

    Zurheide: Eben, eben.

    Hoyer: Ich erinnere mich an die Debatte damals über die Aufnahme Griechenlands in den Euro, als weitsichtige Politiker, ich denke zum Beispiel an Otto Graf Lambsdorff damals, der davor gewarnt hat, die fundamentalen Daten Griechenlands zu übersehen, und da ist sehr viel schöngeredet worden. Ich erinnere mich daran, wie debattiert worden ist, als Griechenland aufgenommen worden ist von der damaligen Bundesregierung, von Hans Eichel und Gerhard Schröder, ich erinnere mich daran, wie argumentiert worden ist, als Deutschland gemeinsam mit Frankreich als erstes Land den Antrag erstellt hat, den Sanktionsmechanismus des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu suspendieren. Also da sind Fehler gemacht worden, die weiß Gott nicht nur in Griechenland gemacht worden sind, sondern sowohl was Blindheit auf einem Auge gemacht worden sind in Deutschland und im Rest Europas, aber auch im Hinblick auf eigenes Fehlverhalten in der Zeit damals gemacht worden ist, als die Stabilitätskultur, die wir mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt angesteuert haben, ausgerechnet in den Ländern gebrochen worden ist, die damals geglaubt haben, die brauchen den Stabilitätsmechanismus, den Stabilitätspakt, um sich gegen vermeintlich Schwächere zu schützen.

    Zurheide: Ja man könnte auch sagen, die Politik nimmt die Realitäten oft nicht zur Kenntnis, weil man nur sehen will, was man sehen möchte.

    Hoyer: Ja und weil man erst mal ein Kurzfristproblem lösen will und dabei vergisst, dass es sich um ein Langfristproblem handelt.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal auf die Spekulation. Der Gipfel hat ja das Signal gegeben, wir müssen härter gegen die Spekulanten vorgehen. Da wird man auch wieder den Beifall des Boulevards natürlich bekommen, aber das Grundproblem der Spekulationen ist doch, dass da Ursachen da sind. Reicht es also "nur", in Anführungszeichen, gegen die Spekulation vorzugehen, so notwendig das sein mag?

    Hoyer: Man muss beides tun. Man muss auf der einen Seite gucken, welche Mechanismen hat ein Gesetzgeber in der Hand, der immerhin ja die Regeln setzt für das, was auf den Märkten losgeht, um zu verhindern, dass zum Beispiel durch ein fast risikoloses Spekulationsansatz gigantische Bewegungen ausgelöst werden können, die die Märkte und möglicherweise dann eine Währung zerstören könne. Das ist das Eine, was ein Gesetzgeber gemeinsam, international angehen muss; auf der anderen Seite muss man die Grundfragen stellen, wie können wir zum Beispiel durch eine entschlossene Wachstumspolitik dafür sorgen, dass in Deutschland auch mal gesehen wird, dass wir nicht nur Exportweltmeister sind oder es zumindest bis vor Kurzem waren, sondern auch Importweltmeister. Das heißt, ein Wachstumsprozess in Deutschland führt auch dazu, dass durch unsere Importtätigkeit sich Schwierigkeiten vieler anderer Länder auch wieder entschärfen lassen. Also ich glaube, man muss diese Dinge in einem sehr komplexen Zusammenhang sehen und auch entschlossen angehen.

    Zurheide: Jetzt sagen viele, diese Fesseln für Spekulanten müssen her, auch möglicherweise neue Steuern – da tun Sie sich als FDP allerdings immer noch sehr schwer mit, auch nach diesen jüngsten Ereignissen?

    Hoyer: Man muss genau gucken, was man da gegebenenfalls steuert. Also ich habe schon auch eine große Lust daran, nicht nur den Sektor, den Finanzsektor insgesamt an der Finanzierung der Herausforderung zu beteiligen, sondern speziell auch diejenigen, die jetzt einen Profit schlagen, einen sehr großen sogar, aus dieser Situation. Man muss halt nur aufpassen, dass man nicht durch eine allgemeine Steuer jetzt ausgerechnet denjenigen noch zusätzlich besteuert, der mit seiner Riesterrente, und damit auch Finanztransaktionen, einen kleinen Beitrag zur Verbesserung seiner Lebenssituation im Alter leisten will.

    Zurheide: Wie schnell wird so was kommen?

    Hoyer: Ich denke, das wird jetzt relativ schnell gehen, nicht so schnell wie das Paket, was in dieser Woche durch den Bundestag und den Bundesrat gegangen ist, aber wir werden international schneller vorankommen müssen. Es ist wirklich beklagenswert, dass seit dem Gipfel in Pittsburgh eigentlich nichts geschehen ist. Damals war man sich auf der G20-Ebene einig, dass es so nicht weitergehen kann, dass bestimmte Geschäfte auf den Finanzmärkten auch unterbunden werden müssten und dass es eine sehr viel höhere Transparenz auf den Märkten geben muss und sehr viel heftigere Haftungsregeln; bisher ist davon nichts umgesetzt und das ist der eigentliche Skandal.

    Zurheide: Darüber ärgern sich die Menschen ja ganz besonders, also warum soll es jetzt besser werden?

    Hoyer: Ja weil man jetzt endlich begriffen hat, dass man handeln muss, sonst wird der Zorn der Menschen auch nicht verrauchen, und zwar zurecht.

    Zurheide: Ich bedanke mich für das Gespräch. Das war Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, zu der großen Brücke zwischen Kriegsende, Schumanplan und den aktuellen Ereignissen. Danke für das Gespräch!

    Hoyer: Vielen Dank!