Fromm: Guten Morgen.
Engels: Dieses Programm hatte Innenminister Schily ja bereits Mitte Februar angekündigt. Warum kommt es erst jetzt?
Fromm: Das bedurfte einiger Vorbereitungen, sowohl in technischer Hinsicht als auch in personeller Hinsicht. Wir mussten entsprechendes Personal natürlich auch hierfür zur Verfügung stellen und uns dafür vorbereiten. So etwas dauert erfahrungsgemäß eine Weile. Den Gedanken, ein solches Aussteigerprogramm aufzulegen, hatten wir Ende vergangenen Jahres. Der Bundesinnenminister hat das akzeptiert, und wir haben dann die Vorbereitungen getroffen, wozu im übrigen auch die Abstimmung mit den Ländern gehörte.
Engels: Was erhoffen Sie sich im Detail von diesem Programm? Es wird eine Telefon-Hotline geschaltet; was erwarten Sie sich?
Fromm: Also, zunächst ist zu sagen, dass das Programm aus zwei Teilen besteht, einem aktiven Teil, mit dem wir zur Zeit erste Erfahrungen machen und der beinhaltet, dass wir von uns aus auf Rechtsextremisten zugehen und mit ihnen darüber sprechen, ob es für sie in Betracht kommt, die rechtsextremistische Szene zu verlassen. Und das Zweite - das ist das, was Sie angesprochen haben und was jetzt beginnt -: Das ist der passive Teil, so nennen wir das. Das ist die Schaltung einer Telefonleitung, einer sogenannten Hotline, bei der sich ausstiegswillige und zweifelnde Leute melden können, und denen wir dann mit Rat, vielleicht auch mit Tat, zur Seite stehen können, wenn sie ihren bisherigen Weg verlassen wollen.
Engels: 'Rat und Tat' sagen Sie. Machen wir es ganz konkret: Ein Aussteigewilliger ruft an, was bekommt er geboten?
Fromm: Er bekommt zunächst mal Fragen geboten. Wir müssen zunächst einmal den Sachverhalt aufklären. Wir müssen sehen, um wen es sich handelt, welche Probleme sich möglicherweise bei einem eventuellen Ausstieg ergeben. Und daran würden sich unsere Hilfsangebote orientieren. Das kann, wie gesagt, sich darauf beschränken, dass man bestimmte Ratschläge erteilt. Es kann darin bestehen, dass wir den Kontakt zu Behörden vermitteln, wenn das notwendig ist. Es kann auch darin bestehen, dass wir jemanden verweisen an ein Programm, was es in dem jeweiligen Land gibt - möglicherweise. Und das kann zuletzt auch darin bestehen, dass wir materielle Hilfe gewähren, etwa wenn es darum geht, aus der gewohnten Umgebung wegzugehen, einen Umzug zu machen oder den Arbeitsplatz zu wechseln.
Engels: Welche Größenordnungen könnten solche finanziellen Hilfen annehmen?
Fromm: Das kann sehr unterschiedlich sein. Das können kleinere Beträge sein, etwa wenn es um einen Umzug geht - eine Hilfe, um die Möbel zu transportieren. Das kostet ja Geld. Das kann auch mal mehr sein, je nach dem, wie es sich im Einzelfall darstellt. Wir haben mit einer solchen Sache, mit einer solchen Hotline mit derartiger Zielrichtung bisher keine Erfahrungen. Die müssen wir jetzt erst machen.
Engels: Würde er auch eine Prämie dafür bekommen, dass er überhaupt aussteigt?
Fromm: Nein. Das ist vielfach missverstanden worden im Vorfeld, als nur dieses Aussteigerprogramm diskutiert worden ist - zum Teil ja auch kritisch diskutiert worden ist. Da hat es ja Äußerungen gegeben, die dahin gingen, man muss erst Rechtsextremist werden, um dann hinterher für den Ausstieg belohnt zu werden. Daran ist nicht gedacht. Diejenigen, die das Programm so kritisiert haben, haben sich leider nicht die Mühe gemacht, das Programm mal zur Kenntnis zu nehmen. Also es wird keine Prämien in dem Sinne geben. Man wird also nicht damit verdienen können, dass man Rechtsextremist ist oder gewesen ist.
Engels: Kann denn ein Anrufer hoffen, vielleicht einer strafrechtlichen Verfolgung wegen eines früheren Deliktes nun zu entgehen?
Fromm: Nein, darüber verfügen wir ja nicht. Wir sind ja keine Strafverfolgungsbehörde und schon gar kein Gericht. Darüber entscheiden Gerichte, wie Sie wissen. Was wir tun können, ist - und das meinte ich vorhin auch mit der Kontaktaufnahme zu anderen Behörden -, dass wir mit Polizei und Staatsanwaltschaften sprechen, auf den Umstand, dass jemand aussteigt, hinweisen und dann auch versuchen, dass sich das mindestens strafmildernd auswirkt. Vielleicht ist es in Einzelfällen auch möglich, dass eingeleitete Verfahren eingestellt werden.
Engels: Einzelne Bundesländer haben bereits regionale Telefonleitungen für Rechtsextremismus-Aussteiger geschaltet. Bis jetzt war die Resonanz dort im Schnitt mäßig. Braucht man nun diese zusätzliche Hotline des Verfassungsschutzes überhaupt noch?
Fromm: Das weiß ich nicht, das werden wir sehen. Wir denken aber, dass auch der Bund hier seine Verantwortung wahrnehmen sollte. Es ist im übrigen ja auch so, dass dieses Aussteigerprogramm, was von Ländern gemacht wird, was aber wir jetzt auch beginnen, dass das nur ein Teil in der Reihe von Maßnahmen ist, die dazu dienen können, den Rechtsextremismus einzudämmen. Wir haben keine übersteigerten Erwartungen, aber ich glaube, wir sind geradezu verpflichtet, auch ein solches Angebot zu machen. Wenn es dann nicht in dem erhofften Maß in Anspruch genommen wird, dann können wir es nicht ändern. Aber wir sollten es zumindest versuchen.
Engels: Sie haben es zu Anfang angesprochen. Teil des Projektes ist auch, die Ihnen bekannten Rechtsextremisten anzusprechen, die der Szene nahestehen, und ihnen konkrete Angebote zu machen. Erhoffen Sie sich da mehr Resonanz?
Fromm: Auch das lässt sich schwer prognostizieren. Wir werden diesen Versuch unternehmen in einer ganzen Reihe von Fällen, und wir werden das mit den Möglichkeiten tun, die wir haben. Unsere Mitarbeiter sind auf solche Kontakte ja eingestellt. Sie haben eine gute Ausbildung, um sich in diesem Feld zu bewegen. Das tun sie ja übrigens sonst ja auch in anderer Zielrichtung, das gehört zu ihrem Job. Und von daher glaube ich schon, dass es uns in dem einen oder anderen Fall durchaus gelingen kann, möglicherweise vorhandene Zweifel - und wir wissen, dass es bei einzelnen Leuten mittlerweile solche Zweifel und auch Skepsis gibt -, dass sie das verstärken können und dass wir dem einen oder anderen helfen können, dann doch auszusteigen. Es hat ja auch in der Vergangenheit, ohne dass es ein solches Angebot gab, solche Fälle gegeben. Es gibt eine private Organisation, die Ihnen vielleicht bekannt ist - 'Exit' -, die sich mit solchen Dingen befasst. Und nun werden wir versuchen, dieses zu ergänzen. Wir werden sehen, wie weit wir damit kommen.
Engels: Was entgegnen Sie der Kritik aus der Bevölkerung, die ja auch zum Teil gekommen ist, die da lautet, dass jetzt Rechtsextreme doch noch mit Samthandschuhen angefasst werden, dass sie vielleicht auch doch belohnt werden?
Fromm: Nein, davon kann überhaupt keine Rede sein. Es gibt keine Belohnung, und wir sind die Letzten, die Veranlassung haben, Samthandschuhe anzuziehen. Eine solche Annahme wäre völlig verfehlt. Es geht uns um einen ganz nüchternen Ansatz hier, der dazu beitragen soll, den Rechtsextremismus einzudämmen. Und ich glaube, ein solcher Versuch gehört einfach mit dazu, wenn man sich auf breiter Front diesem gewachsenen und in der letzten Zeit immer wichtiger gewordenen Problem stellen möchte.
Engels: Wir sprachen mit Heinz Fromm, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zur Hotline, die heute geschaltet wird für Aussteigewillige aus der rechtsextremen Szene. Vielen Dank Herr Fromm.
Fromm: Gern geschehen.
Link: Interview als RealAudio
Engels: Dieses Programm hatte Innenminister Schily ja bereits Mitte Februar angekündigt. Warum kommt es erst jetzt?
Fromm: Das bedurfte einiger Vorbereitungen, sowohl in technischer Hinsicht als auch in personeller Hinsicht. Wir mussten entsprechendes Personal natürlich auch hierfür zur Verfügung stellen und uns dafür vorbereiten. So etwas dauert erfahrungsgemäß eine Weile. Den Gedanken, ein solches Aussteigerprogramm aufzulegen, hatten wir Ende vergangenen Jahres. Der Bundesinnenminister hat das akzeptiert, und wir haben dann die Vorbereitungen getroffen, wozu im übrigen auch die Abstimmung mit den Ländern gehörte.
Engels: Was erhoffen Sie sich im Detail von diesem Programm? Es wird eine Telefon-Hotline geschaltet; was erwarten Sie sich?
Fromm: Also, zunächst ist zu sagen, dass das Programm aus zwei Teilen besteht, einem aktiven Teil, mit dem wir zur Zeit erste Erfahrungen machen und der beinhaltet, dass wir von uns aus auf Rechtsextremisten zugehen und mit ihnen darüber sprechen, ob es für sie in Betracht kommt, die rechtsextremistische Szene zu verlassen. Und das Zweite - das ist das, was Sie angesprochen haben und was jetzt beginnt -: Das ist der passive Teil, so nennen wir das. Das ist die Schaltung einer Telefonleitung, einer sogenannten Hotline, bei der sich ausstiegswillige und zweifelnde Leute melden können, und denen wir dann mit Rat, vielleicht auch mit Tat, zur Seite stehen können, wenn sie ihren bisherigen Weg verlassen wollen.
Engels: 'Rat und Tat' sagen Sie. Machen wir es ganz konkret: Ein Aussteigewilliger ruft an, was bekommt er geboten?
Fromm: Er bekommt zunächst mal Fragen geboten. Wir müssen zunächst einmal den Sachverhalt aufklären. Wir müssen sehen, um wen es sich handelt, welche Probleme sich möglicherweise bei einem eventuellen Ausstieg ergeben. Und daran würden sich unsere Hilfsangebote orientieren. Das kann, wie gesagt, sich darauf beschränken, dass man bestimmte Ratschläge erteilt. Es kann darin bestehen, dass wir den Kontakt zu Behörden vermitteln, wenn das notwendig ist. Es kann auch darin bestehen, dass wir jemanden verweisen an ein Programm, was es in dem jeweiligen Land gibt - möglicherweise. Und das kann zuletzt auch darin bestehen, dass wir materielle Hilfe gewähren, etwa wenn es darum geht, aus der gewohnten Umgebung wegzugehen, einen Umzug zu machen oder den Arbeitsplatz zu wechseln.
Engels: Welche Größenordnungen könnten solche finanziellen Hilfen annehmen?
Fromm: Das kann sehr unterschiedlich sein. Das können kleinere Beträge sein, etwa wenn es um einen Umzug geht - eine Hilfe, um die Möbel zu transportieren. Das kostet ja Geld. Das kann auch mal mehr sein, je nach dem, wie es sich im Einzelfall darstellt. Wir haben mit einer solchen Sache, mit einer solchen Hotline mit derartiger Zielrichtung bisher keine Erfahrungen. Die müssen wir jetzt erst machen.
Engels: Würde er auch eine Prämie dafür bekommen, dass er überhaupt aussteigt?
Fromm: Nein. Das ist vielfach missverstanden worden im Vorfeld, als nur dieses Aussteigerprogramm diskutiert worden ist - zum Teil ja auch kritisch diskutiert worden ist. Da hat es ja Äußerungen gegeben, die dahin gingen, man muss erst Rechtsextremist werden, um dann hinterher für den Ausstieg belohnt zu werden. Daran ist nicht gedacht. Diejenigen, die das Programm so kritisiert haben, haben sich leider nicht die Mühe gemacht, das Programm mal zur Kenntnis zu nehmen. Also es wird keine Prämien in dem Sinne geben. Man wird also nicht damit verdienen können, dass man Rechtsextremist ist oder gewesen ist.
Engels: Kann denn ein Anrufer hoffen, vielleicht einer strafrechtlichen Verfolgung wegen eines früheren Deliktes nun zu entgehen?
Fromm: Nein, darüber verfügen wir ja nicht. Wir sind ja keine Strafverfolgungsbehörde und schon gar kein Gericht. Darüber entscheiden Gerichte, wie Sie wissen. Was wir tun können, ist - und das meinte ich vorhin auch mit der Kontaktaufnahme zu anderen Behörden -, dass wir mit Polizei und Staatsanwaltschaften sprechen, auf den Umstand, dass jemand aussteigt, hinweisen und dann auch versuchen, dass sich das mindestens strafmildernd auswirkt. Vielleicht ist es in Einzelfällen auch möglich, dass eingeleitete Verfahren eingestellt werden.
Engels: Einzelne Bundesländer haben bereits regionale Telefonleitungen für Rechtsextremismus-Aussteiger geschaltet. Bis jetzt war die Resonanz dort im Schnitt mäßig. Braucht man nun diese zusätzliche Hotline des Verfassungsschutzes überhaupt noch?
Fromm: Das weiß ich nicht, das werden wir sehen. Wir denken aber, dass auch der Bund hier seine Verantwortung wahrnehmen sollte. Es ist im übrigen ja auch so, dass dieses Aussteigerprogramm, was von Ländern gemacht wird, was aber wir jetzt auch beginnen, dass das nur ein Teil in der Reihe von Maßnahmen ist, die dazu dienen können, den Rechtsextremismus einzudämmen. Wir haben keine übersteigerten Erwartungen, aber ich glaube, wir sind geradezu verpflichtet, auch ein solches Angebot zu machen. Wenn es dann nicht in dem erhofften Maß in Anspruch genommen wird, dann können wir es nicht ändern. Aber wir sollten es zumindest versuchen.
Engels: Sie haben es zu Anfang angesprochen. Teil des Projektes ist auch, die Ihnen bekannten Rechtsextremisten anzusprechen, die der Szene nahestehen, und ihnen konkrete Angebote zu machen. Erhoffen Sie sich da mehr Resonanz?
Fromm: Auch das lässt sich schwer prognostizieren. Wir werden diesen Versuch unternehmen in einer ganzen Reihe von Fällen, und wir werden das mit den Möglichkeiten tun, die wir haben. Unsere Mitarbeiter sind auf solche Kontakte ja eingestellt. Sie haben eine gute Ausbildung, um sich in diesem Feld zu bewegen. Das tun sie ja übrigens sonst ja auch in anderer Zielrichtung, das gehört zu ihrem Job. Und von daher glaube ich schon, dass es uns in dem einen oder anderen Fall durchaus gelingen kann, möglicherweise vorhandene Zweifel - und wir wissen, dass es bei einzelnen Leuten mittlerweile solche Zweifel und auch Skepsis gibt -, dass sie das verstärken können und dass wir dem einen oder anderen helfen können, dann doch auszusteigen. Es hat ja auch in der Vergangenheit, ohne dass es ein solches Angebot gab, solche Fälle gegeben. Es gibt eine private Organisation, die Ihnen vielleicht bekannt ist - 'Exit' -, die sich mit solchen Dingen befasst. Und nun werden wir versuchen, dieses zu ergänzen. Wir werden sehen, wie weit wir damit kommen.
Engels: Was entgegnen Sie der Kritik aus der Bevölkerung, die ja auch zum Teil gekommen ist, die da lautet, dass jetzt Rechtsextreme doch noch mit Samthandschuhen angefasst werden, dass sie vielleicht auch doch belohnt werden?
Fromm: Nein, davon kann überhaupt keine Rede sein. Es gibt keine Belohnung, und wir sind die Letzten, die Veranlassung haben, Samthandschuhe anzuziehen. Eine solche Annahme wäre völlig verfehlt. Es geht uns um einen ganz nüchternen Ansatz hier, der dazu beitragen soll, den Rechtsextremismus einzudämmen. Und ich glaube, ein solcher Versuch gehört einfach mit dazu, wenn man sich auf breiter Front diesem gewachsenen und in der letzten Zeit immer wichtiger gewordenen Problem stellen möchte.
Engels: Wir sprachen mit Heinz Fromm, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zur Hotline, die heute geschaltet wird für Aussteigewillige aus der rechtsextremen Szene. Vielen Dank Herr Fromm.
Fromm: Gern geschehen.
Link: Interview als RealAudio