Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Projekt für Berufsschullehrer in Sachsen
Rechte Tendenzen erkennen und handeln

Rechte Tendenzen entstehen mitunter auch in der Schule. Doch wie sollten Lehrer damit umgehen, wenn ein Schüler sich plötzlich rechtsextreme Positionen zu eigen macht? Und wie können sie diese erkennen? Ein Modellprojekt der TU Dresden will Lehrer jetzt im Umgang mit rechts unterstützen.

Von Bastian Brandau | 12.04.2016
    Demonstranten bei einer Demo der Partei "Die Rechte" in Essen
    Springerstiefel - altes Klischee, aber immer noch Erkennungszeichen vieler Rechtsextremer. (Deutschlandradio/Jochen Tack)
    Gut Frohberg, ein abgeschiedenes Seminarhaus in der Nähe von Meißen. Projektleiter Rico Behrens, Politikdidaktiker von der TU Dresden begrüßt die 26 Berufsschullehrerinnen und Lehrer aus ganz Sachsen zum zweiten Workshop-Tag des Projekts "Starke Lehrer - Starke Schüler". Einige hier sind noch unter 30, andere gehen auf das Ende ihrer Laufbahn zu. Gemeinschaftskundelehrer, oder auch solche, die junge Menschen in handwerklichen Fächer unterrichten.
    Am Vortag gab es zunächst einen Haufen Infos zum Thema Rechtsextremismus, Fakten zum Thema Asyl. Dann am Abend hat die Gruppe gemeinsam den Film "Die Kriegerin" angeschaut.
    "Ihr habt Beobachtungsaufgaben bekommen, ihr solltet euch mit einzelnen Bestandteilen noch mal beschäftigen, und damit wollen wir heute Morgen beginnen."
    Erkennen, um dann zu handeln
    Aufgeteilt in kleine Gruppen, besprechen die Lehrerinnen und Lehrer den Film von 2011. Er zeigt das Leben einer neonazistischen Clique in der ostdeutschen Provinz. Warum fühlt sich die Hauptfigur Marissa zu rechten Ideen hingezogen? Welche Rolle spielt die Familie, Freunde? Wie werden rechte Musik und Codes thematisiert? Der 28-jährige Sport- und Gemeinschaftskunde-Lehrer Albrecht Kern aus Leipzig:
    "Ich fand’s ganz wichtig, dass man aus diesem Film schließt und daraus Verhaltensmuster erkennen kann, die vielleicht schon besonders wichtig zu erkennen sind in den Schülern vielleicht, wie es die sicherlich gibt, wie man damit umgehen kann. Und dass man manche Sachen vielleicht, die nicht so bewusst sind, dann vielleicht durch gewisse Überspitzung in dem Film ein Stück weit sensibilisiert wird und dann besser erkennen kann."
    Erkennen, um dann zu handeln. Denn viel zu oft sei die Strategie beim Umgang mit rechten Schülern Ignorieren, sagt Projektleiter Rico Behrens:
    "Das hat vielerlei Gründe: dass man es vielleicht nicht wahrnimmt, weil man bestimmte Erkennungszeichen nicht kennt, bis dahin, dass man die Schwerpunkte seiner Arbeit stark auf die Schule, also auf Abschlüsse und auf Prüfungen bezogen legt und dann sagt, das Thema, das kann vielleicht der Politiklehrer machen, ich kann mich jetzt nicht damit beschäftigen. Aber das versuchen wir im Grunde den Lehrern zu zeigen, dass das eine Strategie oder Nicht-Strategie ist, die im Grunde genommen die schlechteste ist."
    Schulen mit Initiativen zusammenbringen
    Aufklärung über die rechtsextreme Szene und die Gefahren für Jugendliche sind in Sachsen wie anderswo kein fester Bestandteil des Lehramts- Studiums. Und an den Schulen hängt der Umgang damit vom Interesse und Engagement einzelner Lehrer ab. Hier setzt das von der Robert-Bosch-Stiftung und dem sächsischen Kultusministerium geförderte Projekt an. Bei der Bildung gegen Rechts seien die Berufsschulen lange durch alle Raster gefallen, sagt Projektleiter Behrens. Dabei seien dies die letzten Jahre, in denen junge Menschen erreichbar seien für schulische Pädagogik. Auf den Workshops sollen die Lehrer ihre Erfahrungen und Wissen austauschen, die Wissenschaftler unterfüttern dies mit ihrem Fachwissen:
    "Darauf kann man Strategien entwickeln, die in der jeweiligen Situation gut funktionieren. Die dann eben vielleicht auch auf Argumentieren beruhen, auf subversivem Argumentieren, vielleicht aber auch auf ganz klaren Grenzen setzen, in der jeweiligen Situation, in der das nötig ist."
    Situationen, wie sie Lehrerin Grit Reimann vom Berufsschulzentrum Vogtland schon erlebt hat: Sieg-Heil-Rufe, Hakenkreuzschmierereien. Wichtig sei, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen:
    "Ich denke, unsere Aufgabe soll sein, individuell auf bestimmte Erscheinungen einzugehen oder das zu erkennen. Und darauf halt schon gezielt vorher einzugehen, bevor da irgendwas Großes vielleicht passiert."
    Im weiteren Verlauf des Projekts sollen die Lehrerinnen und Lehrer mit Supervisoren konkrete, einzelne Fälle besprechen. Außerdem will das Projekt Schulen mit Initiativen zusammenbringen, die sich in Sachsen schon länger gegen Rechtsextremismus einsetzen. Für die weitere Zusammenarbeit soll eine Online-Plattform entstehen. Gleichzeitig werden die Methoden der Workshops ausgewertet und könnten in ähnlichen Projekten bundesweit in der Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus angewendet werden.