Freitag, 29. März 2024

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Prokrastination
Das Leid mit dem Aufschub

An etlichen Hochschulen gab es jetzt bereits zum zweiten Mal die "Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten" unter dem Motto "Du bist nicht allein". Eine Nacht vollgepackt mit Vorträgen zu den Ursachen für ineffektives Zeit- und Lernmanagement.

Von Doro Blome-Müller | 07.03.2014
    Von herkömmlichen Bibliotheksbesuchern sind die Teilnehmer der Nacht der aufgeschobenen Hausarbeit – zumindest rein optisch – nicht zu unterscheiden. Wie alle haben Sie ein Körbchen mit Wasser, Proviant und Arbeitsmaterialien dabei. Erkennbar sind sie nur an den Programmflyern. Viele von ihnen brauchen nur Tipps für den letzten Schliff bei der Abschlussarbeit, andere sind verzweifelt, weil sie ständig alles vor sich herschieben.
    "Ich merke schon, es muss so auf’s Ende zugehen, ich brauch ein bisschen Druck, damit ich schreiben kann, aber ansonsten habe ich damit eigentlich keine Probleme, zum Glück nicht. Ich würde nur Informationen von wegen wie kann man das planen, an meine Bachelor zu arbeiten und auch meine Master, also das ist nicht konkret. Allgemein für Studenten das ist so: Ich mache das so, also schieben, schieben, schieben und das ist nicht gut, also man will an einem Tag alles machen, das schafft man nicht, eigentlich. Ich muss halt irgendwie anfangen, ich hab halt einfach nur ein paar Ansätze für meine Hausarbeiten, von denen ich schon ein paar aufgeschoben hab. Und ich muss halt irgendwie damit weiter kommen - hach ja. "
    Früher hieß es, der aufschiebende Mensch ist einfach: faul. Diese Zeiten sind vorbei. Prokrastination, Aufschieberitis ist mittlerweile ein bekanntes Phänomen und ein anerkanntes und ziemlich weit verbreitetes Problem, sagt Angelika Wuttke, psychologische Beraterin des Studierendenservice in Düsseldorf:
    "Es gibt verschiedene Faktoren, die das begünstigen. Ein Faktor ist: Je unstrukturierter die Aufgabe ist, desto eher wird aufgeschoben, aber ein anderer Faktor ist auch, je mehr Perfektionismus erwartet wird, je höher die Erwartung an sich selbst und damit auch der Druck ist, desto eher wird auch aufgeschoben."
    Arbeit in kleine Schritte einteilen, kann helfen
    Eine Depression kann ebenfalls Ursache sein oder ein ineffektives Zeit- und Lernmanagement. Bei einer psychischen Erkrankung ist die Aufschieberei ein Symptom, da gelte es, zunächst die Ursache anzugehen, sagt die Psychologin. Liege keine psychische Erkrankung vor, gebe es zunächst eine Grundregel:
    "Realistisches Planen. Sich einen Überblick zu verschaffen, was muss ich in welcher Zeit machen, in welchen Etappen kann ich das machen, das heißt, diese riesige Arbeit wird in kleine Schritte, die auch zeitlich genau geplant sind, unterteilt und dann mache ich den einen zeitlichen Schritt, hab das gemacht und weiß, das reicht für heute, wenn ich in dem Zeitrahmen bleibe, dann werde ich die Arbeit auch schaffen."
    Sicherheit schaffen, also, das Gefühl loswerden, allem hinterher zu hecheln. Und an sich selbst nicht zu hohe Erwartungen stellen:
    "Alles, was sie anfangen, sind Sie Anfänger. Das heißt, ich kann schon ein Studium hinter mir haben, schon die Abschlussprüfung wunderbar gemacht haben, muss aber noch die Bachelor- oder Masterarbeit machen. Und da fang ich wieder von vorne an."
    "Nacht der aufgeschobenen Hausarbeit" als Motivationshilfe
    Es gibt jede Menge Strategien, wie das umzusetzen ist. Welche die richtige ist, dazu gibt es Rat in der psychologischen Beratung der Studierendenservices. Darüber hinaus gibt es an allen Unis auch ganz praktische Hilfen - nicht nur bei Spezialveranstaltungen wie einer Nacht der aufgeschobenen Hausarbeit, sagt Ulrike Scholle von der Uni Duisburg-Essen.
    "Neben den Angeboten der UB, also alles rund um Recherche, systematische Literaturbeschaffung, auch verarbeiten von Literatur mit Literaturverwaltungsprogrammen, gibt es die Schreibwerkstatt, bei der man auch eine individuelle Beratung bekommen kann, es gibt dazu auch die Referatewerkstatt, die hilft bei allem, wenn es um den mündlichen Vortrag geht, es gibt das allgemeine Beratungszentrum der uni, es gibt Mentoringprogramme in den einzelnen Fakultäten, wo Studierende immer Rat und Tat finden, fachlichen Rat aber auch übergreifenden."
    Die Uni Duisburg Essen hat übrigens nicht mitgemacht bei der langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeit. Sie bietet an beiden Campi wechselnd etwa zwei Mal im Jahr lange Samstage der aufgeschobenen Hausarbeiten an. Und zwar aus Überzeugung:
    "Denn es geht ja gerade darum, die lange Nacht zu vermeiden, das Durcharbeiten, die Nervosität, die Übermüdung zu verhindern und ein strukturiertes rechtzeitiges und kontinuierliches Arbeiten sich selbst auch anzutrainieren."