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Pronold: CSU-Affäre schadet der Demokratie

Die neue Affäre der CSU habe der Demokratie geschadet, sagt Florian Pronold, Landesvorsitzender der SPD in Bayern. Damit werde Politikverdrossenheit bei den Bürgern gefördert. Verwandte dürften von Abgeordneten auf keinen Fall beschäftigt werden.

Florian Pronold im Gespräch mit Martin Zagatta | 26.04.2013
    Martin Zagatta: Erst der Fall Hoeneß und dann auch noch diese Raffgier-Affäre. Für die CSU kommt es im Moment knüppeldick. Der Chef der Landtagsfraktion, Georg Schmid, musste schon zurücktreten, weil er seine Frau ganz üppig aus der Staatskasse bezahlt hat. Und dass dies kein Einzelfall ist, das könnte den Christ-Sozialen noch ganz schön schaden im Wahlkampf. Heute Vormittag, gerade eben, ist die Fraktion zu einer Krisensitzung zusammengekommen.
    Die CSU ist also in ernsten Schwierigkeiten. Eigentlich müsste davon die Opposition, die SPD in Bayern profitieren, doch die ist in Umfragen so schwach, dass bezweifelt wird, ob ihr das jetzt sehr viel nutzen wird. – Florian Pronold ist der SPD-Vorsitzende in Bayern und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Pronold!

    Florian Pronold: Guten Tag.

    Zagatta: Herr Pronold, bevor Sie über die CSU schimpfen, ist denn die SPD – das klang ja in dem Bericht unseres Korrespondenten eben an -, ist die denn ganz außen vor in dieser Affäre? Man hört ja, dass auch SPD-Abgeordnete da Geschwister beschäftigen.

    Pronold: Das hört man nicht nur, das ist sogar bekannt. Das war aber von der bisherigen Regelung im bayerischen Landtag überhaupt nicht umfasst und das sind jetzt Nebelkerzen, die die CSU versucht zu werfen, um von ihrem eigenen unanständigen Verhalten abzulenken.

    Zagatta: Ist das in Ordnung, dass man da Geschwister beschäftigt?

    Pronold: Nein, ist nicht in Ordnung. Wir haben im Deutschen Bundestag eine Regelung, dass man überhaupt keine Verwandten beschäftigen darf. Nur der bayerische Landtag hat im Jahr 2000 beschlossen, dass Verwandte ersten Grades nicht beschäftigt werden, eine Übergangsregelung gemacht und die Schwestern und Brüder ausdrücklich ausgenommen. Die SPD-Landtagsfraktion hat nicht nur gefordert, dass man jetzt die Transparenzregeln wie im Deutschen Bundestag anwendet, sondern auch dieselben Grundsätze, was Beschäftigung von Verwandten angeht. Auf gar keinen Fall dürfen aus meiner Sicht Verwandte beschäftigt werden, und das wird auch zukünftig so Gesetz sein im bayerischen Landtag. Aber man soll nicht, wenn man selbst nicht nur im Glashaus sitzt, sondern Scherben um sich herum hat, noch versuchen, Nebelkerzen zu werfen und Steine, so wie es die CSU jetzt macht.

    Zagatta: Der frühere CSU-Chef Huber hat uns heute Morgen im Interview gesagt, er habe von nichts gewusst, der derzeitige Parteichef Seehofer wohl auch nicht. Waren Sie denn informiert über diese Zustände bei der CSU, oder ist Ihnen das jetzt auch relativ neu?

    Pronold: Ich war nicht informiert über diese Zustände. Ich konnte mir auch so was nicht vorstellen, dass man eine Übergangsregelung macht und diese 13 Jahre lang missbraucht und auch noch kurz vorher seine eigenen minderjährigen Kinder einstellt, um denen das Taschengeld auf Steuerzahlerkosten zu finanzieren. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Ich hätte der CSU viel zu getraut, aber so eine Dreistigkeit, wie sie bei den Fällen Schmid oder bei dem CSU-Haushaltsausschussvorsitzenden jetzt aufgetreten sind, hätte ich nicht erwartet. Und es ist immer noch ein Problem Seehofer, weil auch drei seiner Kabinettsmitglieder hier in unbekannter Höhe Zahlungen an Familienangehörige aus dem Steuersäckel getätigt haben.

    Zagatta: Das heißt, Sie rechnen wahrscheinlich mit weiteren Rücktritten. Wie wirkt sich das denn jetzt auf den Wahlkampf aus aus Ihrer Sicht? Die FAZ, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" heute, die schreibt zum Beispiel, die CSU in ihrem Lauf zur absoluten Mehrheit hält weder ein Hoeneß noch ein Schüttel-Schorsch auf. So sehen das doch viele Bayern?

    Pronold: Das nehme ich nicht so wahr. Es gibt eine Politik seit einem halben Jahr, dass die CSU versucht, mit meist selbst gekauften Umfragen so zu tun, als wäre sie wieder an der absoluten Mehrheit. In ihren eigenen Umfragen kommt raus, dass die deutliche Mehrheit der Bayern überhaupt keine absolute Mehrheit mehr der CSU wollen. Ich stelle fest, auf unseren Veranstaltungen, dass Christian Ude einen unheimlichen Zulauf hat. Wir hatten in Bayern einen größeren Aschermittwoch als die CSU; wer hätte das einmal geglaubt? Also Umfragen kann man kaufen, Wählerinnen und Wähler nicht, und ich bin mir sicher, dass das spannend bleibt bis zum Wahlabend und dass dort eine echte Chance besteht, auch mit diesem Amigo-Sumpf Schluss zu machen.

    Zagatta: Jetzt sagen aber Experten oder auch Meinungsforscher, die sich damit beschäftigen, unzufriedene CSU-Wähler, die jetzt geschockt sind über diese neue Affäre, die laufen ja nicht zur SPD über, sondern vielleicht eher zu den Freien Wählern. Ihnen wird das unter Umständen gar nicht so sehr helfen?

    Pronold: Ich würde einfach dafür plädieren, dass man Wählerinnen und Wähler einfach als mündige Bürger betrachtet und ihnen die Entscheidung überlässt, was sie machen. Und alle großen Umfragen der letzten Jahre haben sich nachher am Wahlabend als Makulatur herausgestellt. Das, was meine Hauptsorge allerdings ist, ist eine andere, nämlich die Hauptsorge ist, dass es insgesamt der Demokratie schadet, dass die Menschen insgesamt wieder verdrossen sind, weil sie sagen, die Politiker bedienen sich alle selber, die stopfen sich die Taschen voll. Wissen Sie, ich bin, seit ich im Deutschen Bundestag bin, gläserner Abgeordneter. Ich gehe wirklich mit gutem Beispiel voran. Ich veröffentliche viel mehr, als ich müsste, und lege alles und mache alles transparent, lege alles offen, mache alles transparent. Und mich ärgert, dass wirklich hier wieder der Eindruck entsteht, da sind wieder die Politiker, die sich die Taschen vollstopfen, weil die Masse der Menschen in Bayern, auch in der Politik, sind anders als diese CSU-Amigos.

    Zagatta: Aber zumindest nicht der Präsident des erfolgreichsten Fußballklubs ausgerechnet da in Bayern. Der ist ja auch immer als Saubermann aufgetreten. Jetzt steht Uli Hoeneß derart in der Kritik. Was sagen Sie denn zu dem Fall? Müsste der nicht auch zurücktreten?

    Pronold: Ich werde mich nicht einmischen in die Frage, was der FC Bayern macht. Ich habe mich da klar geäußert. Für mich gibt es keinen Unterschied, wer Steuern hinterzieht. Es ist kein Kavaliersdelikt, sondern es ist ein Verhalten, das uns als Gesellschaft schadet, weil dieses Geld, was dort hinterzogen wird, fehlt für die Rente, fehlt für Kinderplätze und, und, und. Und deswegen darf man da nicht einfach drüber hinweggehen. Aber die entscheidende Frage ist, dass wir insgesamt dem Uli Hoeneß jetzt eines verdanken, nämlich dass er deutlich gemacht hat mit seiner klaren Aussage – und dafür bin ich ihm wirklich dankbar -, dass die ganzen Steuerhinterzieher darauf gehofft haben, dass sie einen billigen und anonymen Ablasshandel bekommen durch das Schweizer Steuerabkommen, das Schwarz-Gelb ja unbedingt aushandeln wollte.

    Zagatta: Kann denn so jemand an der Spitze eines Fußballvereins, eines so herausgehobenen Fußballvereins wie Bayern München bleiben, oder können Sie jetzt nur seine Ablösung nicht fordern, weil Millionen Ihrer Wähler da auch Bayern-Fans sind, also Fans des FC Bayern?

    Pronold: Ich bin seit dem achten Lebensjahr auch Bayern-Fan und ich finde, das ist eine Sache, die der Verein und die Uli Hoeneß selber beantworten müssen.

    Zagatta: Er kann auch bleiben, wenn er will?

    Pronold: Ich baue darauf, dass es auch mal eine gewisse Einsichtsfähigkeit gibt. Warum soll ich mich einmischen in die Frage von Sport? Wenn es umgekehrt gemacht wird, würde ich mir das ja auch verbieten, wenn Sportler dann uns sagen, wie Politik funktioniert. Ich finde, man muss ein Vorbild sein, wenn man eine öffentliche Person ist, egal ob im Sport oder in der Politik, und das ist ja kein Kavaliersdelikt, was da gemacht worden ist. Ich finde, da muss man Konsequenzen daraus ziehen. Aber welche Konsequenzen gezogen werden, das müssen auch die Menschen selber entscheiden, und ich glaube, Uli Hoeneß ist sehr bewusst. Er sagt ja selber, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Aber einen großen Fehler kann man nicht nur dadurch aus der Welt schaffen, dass man es bekennt, sondern vielleicht auch, indem man handelt.

    Zagatta: Eine politische Konsequenz ist ja, dass jetzt die Diskussion wieder aufgekommen ist, ob eine Selbstanzeige, so wie wir das bisher haben bei solchen Steuerdelikten, ob die überhaupt in Zukunft noch strafbefreiend sein soll. Wieso ist die SPD da nicht eindeutiger und sagt, ja, das sollte man eigentlich abschaffen?

    Pronold: Wir sind dafür, dass sie abgeschafft wird. Es gibt trotzdem eine Diskussion über die Frage, in welcher Art und Weise, in welchem Umfang. Ich halte das mittlerweile …

    Zagatta: Herr Steinbrück ist auch dafür, oder haben wir den falsch verstanden?

    Pronold: Es ist ein Nebenkriegsschauplatz, weil sie haben seit einigen Jahren eine veränderte Rechtslage bei der Selbstanzeige und sie haben eine veränderte Weltlage, weil wir zukünftig mit fast allen Staaten Auskunftsverfahren haben, sodass der Raum für diese strafbefreiende Selbstanzeige kaum noch gegeben sein wird. Das, worüber wir uns unterhalten haben, ist folgender Fall: Was passiert denn, wenn einer einmal absichtlich bestimmte Zinseinkünfte nicht angegeben hat, und jedes Jahr treten die Einkünfte wieder auf? Dann gibt es für den in so Bagatellfällen keine Möglichkeit mehr, zurückzukommen, ohne gleich mit dem Strafgesetz bedroht zu werden. Da kann man drüber nachdenken, ob man für solche Fälle eine Möglichkeit vorsieht. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Für die Masse der Fälle gibt es in Zukunft überhaupt keine Notwendigkeit mehr, strafbefreiend zurückzutreten. Das ist nämlich etwas, was die ehrlichen Steuerzahler zurecht ärgert.

    Zagatta: Florian Pronold, der SPD-Vorsitzende in Bayern. Herr Pronold, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Pronold: Ich bedanke mich und wünsche noch einen schönen Nachmittag.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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