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Protest gegen Autobahnbau
Blockadeaktion in Hessen führt zu schwerem Unfall

Die Proteste gegen den Weiterbau der A49 zwischen Kassel und Gießen werden radikaler, seit die Rodungen für die geplante Trasse begonnen haben. Eine Autobahnblockade führte dabei nun zu einem schweren Unfall. Die parlamentarische Beobachterin der Grünen befürchtet die Eskalation des Konfliktes.

Von Ludger Fittkau |
    Hessen, Idstein: Umweltaktivisten hängen an einer Brücke über der Autobahn 3 und protestieren gegen die Rodung von Bäumen im Herrenwald und Dannenröder Forst bei Stadtallendorf im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau der Autobahn 49.
    Umweltaktivisten blockieren die Autobahn 3 (Jörg Halisch/dpa)
    Schon mehrmals hatten Klimaaktivistinnen und Aktivisten mit riskanten Abseilaktionen von hessischen Autobahnbrücken in den letzten Wochen kilometerlange Staus verursacht. Doch heute hatten die Blockadeaktionen gegen den Weiterbau der A 49 durch den sogenannten Dannenröder Forst in Hessen schwerwiegende Folgen: Als sich rund zehn Menschen am Dienstagmorgen von einer Brücke über die A3 bei Idstein im Taunus abseilten und damit einen Stau auslösten, krachte ein Auto Richtung Köln fahrend auf einen Lkw.
    Dabei wurde nach Polizeiangaben der Fahrer eingeklemmt und schwer verletzt. Ein Rettungshubschrauber war im Einsatz. Katy Walther ist verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im hessischen Landtag. Sie ist seit Wochen bei den Protesten im Dannenröder Wald als parlamentarische Beobachterin im Einsatz und sieht eine Radikalisierung in Teilen der Protestbewegung vor Ort:
    "Wir sehen in den letzten Tagen eine Zuspitzung der Gewalt, die sich im Umfeld des Dannenröder Forstes manifestiert. Es gibt direkte Angriffe auf die Polizei. Und ich würde mir wirklich wünschen, dass alle im Auge haben, dass wir dort Menschen sind und dass jeder dort seinen Job macht. Die einen kämpfen für ihre Zukunft im Klimaschutz, die anderen müssen dort den Rechtsstaat durchsetzen und die Waldarbeiter Unterstützung beziehungsweise die Baufirmen, um ihre Arbeit machen zu können. Und ich wünsche mir, dass dort niemand zu Schaden kommt."
    "Wir sind hier, um unsere Zukunft zu verteidigen"
    Der Unfall auf der A3 infolge der Protestaktion ist jedoch nun der erste schwere Zwischenfall mit gesundheitlichen Folgen für einen Menschen bei den seit Wochen andauernden Protesten. Sie richten sich gegen ein rund 30 Kilometer langes Teilstück der A 49 von Kassel Richtung Gießen. Es soll durch dichte Waldgebiete in Mittelhessen geführt werden, die mit altem Eichenbestand und vergleichsweise gesundem Mischwald als besonders klimaresistent gelten. Außerdem dient die Region als Grundwasserspeicher, aus dem die Stadt Frankfurt am Main zum Teil ihr Trinkwasser bekommt.
    Mehrere hundert zumeist junge Klimaaktivistinnen und Aktivisten haben seit rund einem Jahr Waldgebiete auf der geplanten Autobahntrasse besetzt. Marie, eine junge Besetzerin, die ihren Namen nicht nennen will: "Wir wissen, dass die Menschen in Deutschland die Verkehrswende wollen. Und natürlich müssen die Leute jetzt in den Wald kommen und das persönlich klar machen. Wenn die Bundesregierung uns zwingt, uns mit unseren Körpern Zerstörung in den Weg zu setzen. Wenn sie uns zwingt, uns Polizeigewalt auszusetzen. Das ist nichts, was Menschen aus Abenteuerlust machen. Sondern wir sind hier, weil wir unsere Zukunft verteidigen."
    "Ich würde mir wünschen, dass es zu keiner Situation kommt wie im Hambacher Forst"
    Seitdem am 1. Oktober die Rodungen in Teilbereichen begonnen haben, werden die Aktionen der Waldbesetzer im Umland deutlich aggressiver. Die Blockade der A3 mit den Umfallfolgen und einem schwer verletzten Menschen geht über Baumbesetzungen und Sitzblockaden im Dannenröder Forst selbst hinaus. Katy Walther, die grüne Landtagsabgeordnete in Hessen und parlamentarischen Beobachterin des Protestes, befürchtet eine mögliche Eskalation:
    "Ich würde mir wünschen, dass es zu keiner Situation kommt wie im Hambacher Forst. Dass ein Mensch auf der Strecke bleibt, dass jemand dort mit seiner Gesundheit oder seinem Leben bezahlt. Und das müssen wir, glaube ich, alle versuchen zu erreichen. Bei aller Wut und aller Enttäuschung, die an diesem Projekt hängt."