Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Protest gegen Solarkürzung in Berlin

Die Bundesregierung kürzt Anfang April die Förderung für Solaranlagen. In der Hauptstadt formiert sich Protest gegen die Reduzierung: Die Solarwirtschaft sieht dadurch 100.000 Arbeitsplätze gefährdet. Befürworter hingegen versprechen sich von der Kürzung einen niedrigeren Strompreis.

Benjamin Hammer im Gespräch mit Philip Banse | 05.03.2012
    Benjamin Hammer: Philip Banse in Berlin, wer genau geht da auf die Straße? Und welchen Vorwurf machen sie der Regierung?

    Philip Banse: Der Bundesverband Solarwirtschaft hat die Demonstration organisiert. Die große Lobby-Organisation der Solar-Branche befürchtet, dass die Bundesregierung die Energiewende stoppt und 100.000 Arbeitsplätze gefährdet. Auslöser für diese Befürchtungen ist der Plan, Strom aus Sonnenenergie weniger zu fördern als bisher: Die sogenannte Einspeisevergütung, also der staatlich garantierte Preis, den Besitzer von Solaranlagen über 20 Jahre für ihren Strom bekommen, dieser Garantiepreis der sinkt ab dem 1. April um 20 bis 30 Prozent, je nach Größe der Anlage. Diese Senkung ist unter Experten im Prinzip nicht umstritten. Denn Solaranlagen sind zuletzt extrem viel billiger geworden, sodass auch der Strom nicht mehr zu so hohen Garantiepreisen abgekauft werden muss. Auf der Demonstration besonders kritisiert werden wird die geplante Verordnungsermächtigung. Mit ihr könnten Wirtschaft- und Umweltministerium künftig ohne mühsames Gesetzgebungsverfahren festlegen, wie viel Sonnenstromer bekommen. Wird nach Ansicht der Minister zu viel Sonnenstrom produziert, wollen sie den Garantiepreis runtersetzen können. So werde der Sonnenstrompreis dem politischen Spiel unterworfen, kritisierte Felix Matthes vom Öko-Institut. Große Öko-Stromprojekte seien schwerer zu planen, das "Vertrauen ins System" gehe verloren. Wichtig ist aber: Wer jetzt schon ein Solar-Anlage hat, oder mit seiner gerade im Bau befindlichen Solar-Anlage vor dem 1. April erstmals Strom produziert, der bekommt, noch den jetzigen Garantiepreis von gut 24 Cent je Kilowattstunde und zwar 20 Jahre. Wer seinen Sonnenstrom erstmals nach dem 1. April einspeist, bekommt dann nur noch gut 19 Cent – aber auch für 20 Jahre garantiert. Wer also einmal die Anlage auf dem Dach hat, muss keine Angst haben, dass er weniger für seinen Strom bekommt.

    Hammer: Herr Banse, wir alle haben die Solarförderung in den letzten Jahren mitgetragen, denn die Fördergelder wurden auf den ganz normalen Strompreis umgelegt. Werden jetzt die Preise sinken, wenn auch die Solarförderung sinkt?

    Banse: Wie es sich auswirkt, wenn Sonnenstromer immer weniger Geld von allen Stromverbrauchern bekommen, ist umstritten. Das Prognos-Institut hat im Auftrag der Solarstrom-Lobby ausgerechnet, dass Verbraucher durch die jetzigen Kürzungen in den kommenden Jahren 30 bis 60 Cent sparen. 30 bis 60 Cent pro Monat klingt nicht viel, aber die Zahlens seien "schön gerechnet", sagt Felix Matthes vom Öko-Institut, weil Prognos einen sehr hohen Strompreis zu Grunde gelegt habe, wodurch die Ersparnis sehr gering ausfalle. Der Verbraucherzentrale Bundesverband rechnet denn auch damit, dass Verbraucher durch die Kürzung der Solarförderung pro Monat rund zwei Euro sparen dürften. Das Umweltministerium hat die Frage, wie viel Verbraucher durch die Kürzung der Solarförderung sparen, heute Vormittag nicht beantwortet. Das Öko-Institut rechnet nicht damit, dass der Strompreis sinkt. Allenfalls könnte der Anstieg des Strompreises gedämpft werden, wenn Sonnenstromer weniger Geld bekommen. Strom wird also nicht billiger, er wird nur nicht so schnell teurer wie gedacht. Die meisten Verbraucher könnten ein Vielfaches sparen, wenn sie einfach den Stromanbieter wechseln.

    Hammer: Die Kritiker werfen der Bundesregierung vor, bei der Energiewende auf die Bremse zu treten. Gestern hat der Koalitionsausschuss aber angekündigt, dass man jetzt richtig Gas geben will. Was hat die Regierung vor?

    Banse: Im Beschluss von gestern Abend steht, dass das Energiekonzept "zügig und konsequent" umgesetzt werden solle. So soll der dringend benötigte Stromnetzausbau vorangebracht werden, in dem zum Beispiel geklärt werden soll, wer bei Windanlagen auf dem Meer für welche Schäden haftet. Das soll Investoren mehr Sicherheit gebe. Der rechtliche Rahmen soll verbessert werden für digitale Stromzähler, die Verbrauchern mehr Überblick gegeben und Strom cleverer einkaufen können sollen. Auch sollen Neubauten weniger Energie verbrauchen dürfen. Hierfür sollen jährlich 1,5 Milliarden Euro bereitstehen.