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Proteste der PDS während der Bush-Rede im Bundestag

Meurer: Ob es nun eine historische Rede war oder nicht. Der amerikanische Präsident George Bush hat gestern im Bundestag manchen seiner Kritiker regelrecht verblüfft. Der Grünen-Abgeordnete und Pazifist Winfried Hermann hat etwa nach der Rede folgendes gesagt: Es sei eine erstaunlich zurückhaltende Rede gewesen. "Ich habe gewartet, ob Bush etwas sagt, dass ich den Saal verlassen muss. Das war nicht der Fall." Anders bei der PDS. Dort entrollten drei Abgeordnete ein Transparent, worauf stand: "Mr. Schröder and Mr. Bush: Stop your wars!" Macht Schluss mit euren Kriegen. Und dann verließen die drei den Saal. Das ganze geschah offenbar gegen den Willen des PDS-Fraktionsvorsitzenden Roland Claus, den ich jetzt herzlich begrüße. Guten Morgen, Herr Claus.

    Claus: Schönen guten Morgen! Hallo!

    Meurer: Wie haben Sie denn gestern Nachmittag die Szene erlebt?

    Claus: Ich war überrascht wie andere auch. Und es ging nicht nur darum, dass es gegen meinen Willen geschehen ist. Denn wir haben uns sehr wohl in der Fraktion über die Vorbereitung auf die Rede des amerikanischen Präsidenten unterhalten. Und die drei Kollegen haben nicht nur mich verblüfft, sondern alle Kolleginnen und Kollegen. Ich hab das bedauert. Wir hatten uns anders verständigt. Unsere Fraktion hat zu den Unterstützern der Großdemonstration am Dienstag gehört. Die war sehr erfolgreich. Ich würde dazu gerne lieber Fragen beantworten. Wir hatten uns aber gesagt: Zur Demokratie gehört auch, dass man auch konträr andere Auffassungen, zum Teil konträr, im Parlament aushalten muss. Und so habe ich denn auch das Bedauern dem amerikanischen Präsidenten mitgeteilt. Er hat es freundlich gelassen aufgenommen. Und ich hoffe mal, dass die Gelassenheit jetzt auch in der deutschen Politik im Ungang mit diesem Ereignis einzieht.

    Meurer: Auf welche Linie hatten Sie sich denn in der Fraktion vorher geeinigt für die Rede?

    Claus: Wir haben gesagt, wir werden uns inhaltlich mit diesen Positionen auseinandersetzen. Und eine inhaltliche Auseinandersetzung wird immer dann erschwert, wenn sie durch vordergründige Symbolik aus der Welt gedrängt wird. Denn natürlich haben auch wir diese Politik analysiert, hatten Erwartungen an diese Rede und haben ja dann auch unsere inhaltlichen Positionen bereits veröffentlicht.

    Meurer: Ich habe deswegen noch mal nach der Linie gefragt, weil es mal hieß, es sei daran gedacht gewesen, dass die PDS-Abgeordneten mit T-Shirts in den Bundestag kommen wollten mit entsprechenden Aufdrucken. Diese Idee war dann wohl schnell wieder vom Tisch?

    Claus: Das war nicht ernsthaft erwogen worden von uns, weil das genau die Art von Symbolik gewesen wäre, die uns von einer inhaltlichen Kritik der Politik eher entfernt als ihr nahegebracht hätte.

    Meurer: Haben die drei Ihrer Partei geschadet mit ihrem Verhalten?

    Claus: So drastisch würde ich das nicht sehen. Wir müssen uns in der Fraktion darüber verständigen. Es war ein Alleingang hinter dem Rücken der Fraktion. Da muss die Fraktion jetzt drüber sprechen und ich denk mal dieses Maß an Gelassenheit ist dabei ganz nützlich.

    Meurer: Hat es irgendwas zu bedeuten, dass die drei alle aus westlichen PDS-Landesverbänden kommen?

    Claus: Das würde ich nicht überbewerten. Die Frage ist eher, wie man zu einer Politik steht. Ob man sagt: Mit einer solchen Symbolik versuche ich, den besonders energischen und harten Kern einer Wählerschaft anzusprechen. Oder ob man sich an die ganze Gesellschaft wendet und sagt: Wir wollen mit unseren friedenspolitischen Positionen noch viel mehr Menschen erreichen als das bislang der Fall ist. Und für diesen Vorgang, für den ich stehe, halte ich solche Aktionen nicht für geeignet.

    Meurer: Wie fanden Sie denn die Rede des US-Präsidenten gestern?

    Claus: Sie war insofern schon bemerkenswert, als dass ich mal glaube, er hat sich sehr wohl mit den europäischen Empfindungen, Gedanken, auch Kritiken auseinandergesetzt. Und trotzdem ist es natürlich eine Rede, die den Krieg als Mittel der Politik legitimiert und für diese Legitimation um Zustimmung wirbt. Darüber können auch relativ milde und freundlich gesetzte Worte nicht hinwegtäuschen. Das ist klar und auch deutlich ausgesprochen. Wenn es um eine Akzeptanz des Krieges als Mittel in der Politik geht und wenn das damit durchgesetzt wird, dann kann man es leider auch historisch nennen, würde ich hier gerne sagen. Die deutsche Politik hat ja vor dem Besuch des Präsidenten auch durch eine Reihe von Vertretern der Koalition den Mund ziemlich voll genommen, was man ihm alles sagen möge und sagen wolle. Davon war dann zumindest öffentlich nichts zu hören.

    Meurer: Haben Sie bei der Rede mal geklatscht?

    Claus: Es gab zwei Stellen oder drei, an denen es auch für uns durchaus möglich war Beifall zu geben. Und zwar als es um die Entwicklung der deutsch-amerikanischen Beziehungen ging. Da haben wir ja nun ausdrücklich kein Problem mit. Ich will nur erinnern: Die PDS hat wie die anderen im Bundestag vertretenden Parteien seinerzeit nach den Terror-Anschlägen vom 11. September mit zu den Aufrufern zu dieser großen Demonstration am Brandenburger Tor gehört. Wir verstehen unsere Ablehnung von Kriegseinsätzen ja auch nicht in irgendeiner Weise als Antiamerikanismus. Ich hatte selbst im amerikanischen Außenministerium im Februar Gelegenheit, unsere Position mal etwas gründlicher als bei so einem Kurzbesuch wie gestern zu diskutieren. Und ich habe gefunden, dass die US-Regierung durchaus mit Kritiken vielleicht besser umgehen kann als man dies in Europa zu formulieren bereit ist.

    Meurer: Bestreiten Sie, dass es in Ihrer Partei oder an der Basis antiamerikanische Strömungen gibt?

    Claus: Es mag so etwas überall in der Gesellschaft geben, aber es ist nicht das Dominierende, was uns dazu veranlasst zu sagen: Krieg ist die falsche Antwort auf den Terror. Wir bedienen hier nicht irgendwelche unterschwelligen Gefühle, da sind glaube ich momentan andere dominant in der Politik. Es geht uns schon darum zu sagen: Wenn dem globalisierten Terror der globalisierte Krieg folgen würde, dann hätte sich nicht eine Logik der Vernunft, sondern die Logik der Terroristen durchgesetzt.

    Meurer: Der PDS-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag Roland Claus bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen, Herr Claus, und auf Wiederhören.

    Claus: Auf Wiederhören. Dankeschön!

    Link: Interview als RealAudio