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Proteste in Frankreich
Regierung sucht den Dialog mit den "Gelbwesten"

Mit einem massiven Polizeiaufgebot will die französische Polizei an diesem Wochenende Ausschreitungen bei den angekündigten Protesten der "Gelbwesten" verhindern. Gleichzeitig versucht die Regierung, mit Vertretern der Demonstranten ins Gespräch zu kommen, was aber nicht ganz einfach ist.

Von Martin Bohne | 01.12.2018
    Der französische Minister für Umwelt und nachhaltige Wirtschaft, Francois de Rugy, empfängt zwei Vertreter der "Gelbwesten", Eric Douet und Priscillia Ludosky.
    Der französische Minister für Umwelt und nachhaltige Wirtschaft, Francois de Rugy, empfängt zwei Vertreter der "Gelbwesten", Eric Douet und Priscillia Ludosky. (dga / Michel Stoupak / NurPhoto)
    Die Champs-Élysées vor einer Woche. Mehrere tausend Anhänger der Bewegung der Gelben Westen lieferten sich eine regelrechte Straßenschlacht mit der Polizei, Schaufensterscheiben gingen zu Bruch, Autoreifen gingen in Flammen auf. Tränengas waberte über die Pariser Prachtstraße.
    Das könnte sich heute wiederholen. Über Facebook werden mehrere Aufrufe verbreitet, sich erneut auf den Champs-Elysees zu versammeln. Weit über zehntausend Menschen haben ihr Interesse bekundet.
    Diesmal wollen die Behörden besser vorbereitet sein. 5.000 Polizisten werden mobilisiert. Innenminister Castaner kündigte die Sperrung des zwei Kilometer langen Boulevards für den Autoverkehr an. Und Fußgänger sollen streng kontrolliert werden.
    Sie sehen einen Demonstranten vor einem großen Feuer in Paris.
    Bilder wie dieses will die die französische Regierung an diesem Wochenende verhindern. (dpa/AP Photo/Kamil Zihnioglu)
    Es wird Ausweiskontrollen geben, alle Gepäckstücke werden durchsucht, um selbst gebastelte Sprengkörper, wie sie letzten Samstag zum Einsatz kamen, fernzuhalten. Alles, was - wie Terrassenstühle und Baustellenabsperrungen - vor einer Woche von den Randalierern als Wurfgeschoss missbraucht worden war, musste auf Anordnung der Behörden weggeräumt werden. Viele der Edelboutiquen haben sich verbarrikadiert, auch etliche Restaurants wollen geschlossen bleiben. Den Unternehmern drohen erneut massive Umsatzeinbußen – ganz abgesehen von den Sachschäden, die sich letzten Samstag auf mehr als eine Million Euro summierten.
    Inzwischen umfassende Forderungen
    Frankreich befindet sich seit nunmehr zwei Wochen im Aufruhr. Überall im ganzen Land errichten Männer und Frauen in den gelben Warnwesten, die jeder Autofahrer bei sich führen muss, Straßensperren oder sie blockieren Mautstationen. Entzündet hat sich der Protest an der geplanten Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin. Aber schnell ging es um viel mehr: um die Angst vor sozialem Abstieg und um die Wut auf die da oben und insbesondere auf den als abgehoben empfundenen Präsidenten Macron und seine wirtschaftsfreundlichen Reformen. Entsprechend umfassend sind die Forderungen der Gelbwesten, wie hier vom französischen Fernsehen zusammengetragen.
    Erhöhung des Mindestlohns, die Abschaffung der Vermögenssteuer rückgängig machen, die Erhöhung der Renten – eine Liste mit 40 Forderungen hat die Bewegung gerade veröffentlicht. Drei Viertel der Franzosen sympathisieren Umfragen zufolge mit den Gelben Westen.
    Viele Protestierende wollen von Sprechern nichts wissen
    Präsident Macron hat in dieser Woche zwar erstmals Verständnis für die Anliegen der Gelbwesten geäußert. Aber – abgesehen von einer Anpassung der umstrittenen Ökosteuer an die Benzinpreise – hat er seinen Wirtschaftskurs bekräftigt. Parallel versucht die Regierung aber auch, einen Dialog mit der Bewegung zu beginnen. Gestern hatte Premierminister Philippe den achtköpfigen Sprecherrat eingeladen: Gekommen sind aber nur zwei und einer ging sofort wieder, weil Philippe einer Liveübertragung des Gesprächs im Fernsehen nicht zustimmen wollte.
    Ich wollte, so Jason Herbert, dass alle Franzosen die Diskussion mitverfolgen können. Der Regierungschef zeigte sich enttäuscht, er will die Tür aber offen halten: Wenn die Gelbwesten Vertreter benennen würden, können wir diesen Dialog fortsetzen.
    Wenn – denn bislang ist völlig unklar, ob sich die Bewegung, die sich weitgehend spontan über die sozialen Netzwerke organisiert, eine Struktur geben kann und will. Viele der Protestierenden, wie diese Frau an einer Straßensperre in Marseille, wollen von ernannten Sprechern nichts wissen:
    "Das Volk selbst soll der Sprecher sein."