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Proteste in Syrien
Wie viel Einfluss hatten Klimaflüchtlinge?

Forscher der Universität Berkeley hatten behauptet, eine Dürre habe die Proteste gegen das syrische Regime befeuert und damit eine wichtige Rolle für den Krieg gespielt. Eine Hamburger Friedensforscherin versuchte, dem auf den Grund zu gehen. Sie führte in Syrien Gespräche mit 30 Familien. Das Ergebnis: Die Dürre hat den Protesten wenn überhaupt nur mittelbar geholfen.

Von Philip Banse | 11.02.2016
    Proteste in der syrischen Stadt Idlib gegen das Assad-Regime, Februar 2012.
    Proteste in der syrischen Stadt Idlib gegen das Assad-Regime, Februar 2012. (BULENT KILIC / AFP)
    "Die Dürre war ein Migrationstreiber unter vielen. Insbesondere die liberalen Wirtschaftsreformen, die Baschar al-Assad begonnen hat, haben den Druck ganz massiv erhöht. Die Dürre traf also das Land in einer Zeit, als die Bedingungen sich ohnehin schon verschlechtert hatten," so die Friedensforscherin Christiane Fröhlich von der Universität der Bundeswehr in Hamburg.
    Dann seien mindestens Hunderttausende aus den Dürregebieten in den Süden des Landes geflohen, allerdings nicht in die Städte, sondern in ländliche Gegenden. Auch hätten diese Binnenflüchtlinge nicht das soziale Kapital gehabt, nicht das Netzwerk, um Proteste gegen das Regime zu orchestrieren.
    "Aber das bedeutet nicht, dass die Dürre überhaupt keine Rolle gespielt hat für die Demonstrationen, denn zu sehen, wie die Regierung den Norden hat verarmen lassen, ohne zu helfen, hat für die Menschen, die in der Landwirtschaft lebten und dort mit den Migranten gearbeitet haben, eine Rolle gespielt, weil sie gesagt haben: Das zeigt uns noch mehr, dass der soziale Vertrag zwischen Regierung und Zivilbevölkerung zumindest zu bröckeln begonnen hat."
    "Klimamigranten haben die Demonstrationen nicht initiiert"
    Kurz: Die Dürre hat Menschen in die Flucht geschlagen, die dann mindestens indirekt die Proteste gegen das Regime befeuert haben. Aber kommt es nicht auf das Gleiche heraus, ob die Dürre-Flüchtlinge selbst protestiert haben oder andere Syrer motivierten zu protestieren?
    "Für mich ist wichtig zu zeigen, dass es nicht die sogenannten Klimamigranten waren, die die Demonstrationen orchestriert und initiiert haben. Weil das auch bedeutet, dass diese von anderen geschätzten 200 Millionen bis eine Milliarde Klimaflüchtlinge bis 2050 nicht automatisch ein Sicherheitsrisiko sind. Denn das wäre wieder die Grundlage für bestimmte Politiken. Dem wollte ich entgegen treten."
    Fröhlich bezog sich auf Schätzungen anderer Studien, die zwischen 200 Millionen bis eine Milliarde Klimaflüchtlinge bis 2050. Um die Fluchtursachen zu bekämpfen, reich es nicht aus, nur gegen die Dürre vorzugehen, so Fröhlich:
    "Denn wenn man zu dem Zeitpunkt, als die Dürre begann in Syrien, gegengesteuert hätte, dann hätte das zunächst nicht unbedingt etwas daran geändert an den sozialen, politischen und demografischen Entwicklungen. Man muss sich all diese Sektoren anschauen, man kann sich nicht nur auf den Umweltsektor konzentrieren.
    Ruft der Klimawandel Dürren hervor?
    Dennoch müssen viele Länder sich natürlich auch auf Dürren vorbereiten, sagt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes. Vor allem dürfen Wälder nicht mehr abgeholzt und müssten wieder aufgeforstet werden. Viele Bereiche Afrikas, die Pazifikküsten Nord- und Südamerikas aber auch Teile Südeuropas müssten mit mehr Dürren rechnen. In anderen Gebieten etwa in Nordeuropa ginge die Dürregefahr dagegen zurück. Dürren würden seit 60 Jahren systematisch untersucht, das sei zu kurz, um genau vorherzusagen, wo Dürren drohen:
    "Es ist wirklich, wirklich schwierig mit Projektionen die zukünftige Dürregefahr belastbar abzuleiten."
    Auch gebe es zwar viele Anzeichen, dass der Klimawandel Dürren hervorruft:
    "Aber der Beweis letztlich fehlt, dass der Klimawandel ein Treiber von Dürren ist."