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Klimaflüchtlinge
Millionen Menschen verlassen ihre Heimat

Der Klimawandel als Begründung fürs Bleiberecht – Neuseeland hat gerade zum ersten Mal einer Familie erlaubt, zu bleiben, weil die beiden kleinen Kinder in ihrer Heimat stark gefährdet wären. Die Familie stammt aus dem pazifischen Inselstaat Tuvalu. Von den Nöten der Bewohner erfährt die Welt alljährlich während der UN-Klimakonferenzen.

Von Georg Ehring | 11.12.2014
    Zwei Grad Erwärmung seien viel zu viel. Schon heute, mit einer Erwärmung um weniger als ein Grad bedrohe der Klimawandel seine Heimat. Enele Sopoaga, Ministerpräsident von Tuvalu, redet beim Klimagipfel in Lima den Delegierten ins Gewissen.
    "Der Klimawandel ist die größte Bedrohung, der sich mein Land gegenüber sieht. Mein Volk, die Frauen und Kinder von Tuvalu, wir stehen vor der Bedrohung des Lebens, der Sicherheit und des Wohlstands jedes einzelnen Menschen auf den Inseln von Tuvalu."
    Der Staat im Pazifik besteht aus kleinen Inseln, nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Dessen Anstieg infolge des Klimawandels kann die Inseln unbewohnbar und eine ganze Nation zu einem Volk von Flüchtlingen machen, und es hat schon Überlegungen gegeben, die ganze Inselgruppe zu evakuieren. Inselstaaten wie Tuvalu sind besonders krasse Beispiele. Wetter und Klima sorgen jedoch auch auf dem Festland dafür dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen – und zwar mehr als allgemein bekannt.
    "Wetterkatastrophen haben dazu geführt, dass seit dem Jahr 2008 mehr als 140 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Die wichtigsten Ursachen waren Fluten und Stürme,"
    sagt Justin Gimetta, der im Auftrag der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR Wanderungsbewegungen analysiert hat.
    Fluten und Stürme vertreiben Menschen
    Manche dieser Wetterereignisse werden durch den Klimawandel häufiger, Hitzewellen zum Beispiel oder vermutlich auch besonders schwere Wirbelstürme. Küstenlinien dürften sich durch den Anstieg des Meeresspiegels verschieben, auch das kann Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Beim Klimagipfel in Lima fordert die UN-Organisation für Flüchtlinge Hilfe für diese wachsende Zahl von Menschen. Betroffen seien wie so oft vor allem die Armen, die sich nur schwer selbst helfen können. Bei der Anpassung an den Klimawandel komme es auch darauf an, Bedingungen zu schaffen, die solche Wanderungen überflüssig machen oder, wenn dies nicht geht, menschenwürdig zu gestalten. Koko Warner von der UN-Universität.
    "Die Möglichkeiten sind groß und wir müssen die Bedürfnisse dieser verwundbaren Menschen in den anstehenden Entscheidungen berücksichtigen. Wir drücken noch einmal unsere Hoffnung aus, dass die Mobilität der Menschen anerkannt wird, dass man versucht, sie vorherzusehen, und sie in die Pläne einbezieht. Dann haben die Menschen die Möglichkeit, sicher und in Würde woanders hinzuziehen, wenn sie es tun."
    Flucht vor Wetterkatastrophen eher die Ausnahme
    Der weitaus größte Teil der Klimaflüchtlinge bleibe übrigens im Heimatland, grenzüberschreitende Flucht von Wetterkatastrophen sei eher die Ausnahme.
    Walter Kaelin leitet die Nansen-Initiative für Menschen, die durch Katastrophen ihre Heimat verlassen müssen. Sie hat in verschiedenen Weltregionen Menschen befragt, die mit dem Risiko einer solchen Flucht leben – und manchmal auf den ersten Blick überraschende Lösungsvorschläge bekommen.
    "Am Horn von Afrika war der Ruf nach Anerkennung des Potenzials der Hilfe der Familienmitglieder ein interessantes Ergebnis. Um sich an Umweltstress anzupassen, sollten einige Mitglieder der Familien die Möglichkeit erhalten, ins Ausland zu gehen, um dort verdientes Geld in die Heimat zu schicken und später mit neuen Qualifikationen zurückzukehren. Mit anderen Worten: Die Migration wird als Maßnahme der Anpassung genutzt."
    In Lima wird über den weltweiten Rechtsrahmen für den Klimaschutz der nächsten Jahrzehnte verhandelt. Die UN-Organisation für Flüchtlinge drängt darauf, dass auch die Flucht vor klimabedingten Schäden dabei anerkannt wird, denn vollständig vermeiden lässt sie sich nicht mehr.