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Proteste nach Tod von George Floyd
"Eine Explosion, auf die wir hätten vorbereitet sein müssen"

Die Polizeigewalt in den USA habe viel mit der dortigen Polizeikultur zu tun - das sei auch unter anderen US-Präsidenten ein Problem gewesen, sagte US-Journalist Jim Amos im Dlf. Der gewaltsame Tod von George Floyd habe das Fass aber zum Überlaufen gebracht. Donald Trump schaffe es nun nicht das Land zu einen.

Jim Amos im Gespräch mit Sandra Schulz | 02.06.2020
Protesters hold up signs as they demonstrate in outrage over the death of George Floyd by a Minneapolis police officer at a rally in lower Manhattan in New York, United States.
In die Proteste gegen Polizeigewalt und Rassimus in den USA, würden sich auch verstärkt Weiße gesellen, sagte US-Journalist Jim Amos im Dlf (picture alliance / Brian Smith )
US-Präsident Donald Trump droht wegen der gewaltsamen Proteste in vielen amerikanischen Städten mit einem Einsatz der Armee. Mehrere US-Bundesstaaten würden bei der Aufgabe versagen, wieder für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Deshalb werde er alle verfügbaren polizeilichen und militärischen Kräfte mobilisieren. Hintergrund sind die seit Tagen anhaltenden Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Rassismus, die teils auch von Ausschreitungen und Plünderungen begleitet werden. Auslöser der Proteste war der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis.

Jim Amos, früherer Chefredakteur der "Times Picayune" in New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana, sagte im Deutschlandfunk, dass die Polizeigewalt in den USA viel mit der Polizeikultur der USA zu tun habe. Dafür sei Donald Trump nicht primär verantwortlich. "Was in Minnesota, was in Minneapolis passiert ist, hätte ebenso gut unter George Bush oder Barack Obama passieren können", sagte er im Dlf. Allerdings zeige der Umgang des Präsidenten mit dem Fall einmal mehr, dass Trump nicht dazu fähig sei, die Aufgabe des Präsidenten wahrzunehmen, um das Land zu vereinen. Ein begabter Politiker wie zum Beispiel Barack Obama sei dazu fähig gewesen, sagte Amos.

Lesen Sie hier das vollständige Interview.

Sandra Schulz: Herr Amos, Wie ist die Lage in Louisiana?
Jim Amos: In den Großstädten von Louisiana, in hauptsächlich New Orleans, wo ich wohne und wo wir 1,3 Millionen Einwohner haben, ist die Lage nicht mit Minneapolis vergleichbar. Wir haben in den letzten paar Tagen Demonstrationen gehabt, aber es ist nicht zu Plünderungen und Ausschreitungen gekommen.
Gestern am Sonntag war eine Menge Menschen vor der Kathedrale von New Orleans. Die knieten und beteten um Frieden. Das ist eher die Stimmung hier.
"Die Explosion war vorhersehbar"
Schulz: Sie verfolgen natürlich die Lage im Land. Was explodiert da gerade in den Vereinigten Staaten?
Amos: Es ist eine Explosion, auf die wir eigentlich hätten vorbereitet sein müssen. Die Lage für schwarze Menschen in diesem Land ist wirklich schwer zu entschuldigen und die täglichen Beleidigungen, die man als schwarzer Mensch - Ich als Journalist habe ja viele schwarze Kollegen, die diese Beleidigungen erdulden müssen.
Die Explosion war also vorhersehbar und wie der Präsident sie behandelt hat, ist nicht lobenswert und ist eigentlich kein Rezept dafür, die Lage zu entspannen. Ob es ein Rezept dafür ist, im November wiedergewählt zu werden, ist wahrscheinlich zu früh, das vorherzusagen.
Schulz: Trump hat sich jetzt ja geäußert. Er droht, das Militär zu schicken, sagt aber auch, dass er es versteht, wenn man abgestoßen ist von der Tat in Minnesota. Haben Sie den Eindruck, dass er verstanden hat, worum es geht?
Amos: Von seinem Verstand für die Lage, glaube ich, hat er sich eingeredet, dass seine Unterstützerbasis ihn noch befürwortet, obwohl die letzten Umfragen für ihn ziemlich schlecht sind, und die große Frage ist, ob die 53 Prozent der weißen weiblichen Wähler, die wirklich viel damit zu tun gehabt haben, dass er 2016 gewählt wurde, ihn noch unterstützen, bezweifele ich.
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Schulz: Jetzt droht er, das Militär zu schicken. Was ist Ihre Einschätzung? Was ist Ihre Prognose? Wie wird es weitergehen?
Amos: Erst mal habe ich immer das Gefühl mit ihm, dass nach diesem aggressiven Gerede oft dann doch nichts passiert, und dann würde ich auch sagen, die legale Basis dafür, einen Einsatz gegen US-Bürger zu unternehmen, ist sehr zweifelhaft, dass das passieren würde.
"Die negative Bewertung jetzt viel stärker geworden ist"
Schulz: Trump sagt ja ganz klar, dass es ihm darum geht, das Eigentum und das Leben der Bürger zu schützen. Wie blicken Sie auf die Ausschreitungen, die wir jetzt auch sehen, zum Beispiel diesen Angriff auf CNN in Atlanta?
Amos: Ich bin und viele meiner Freunde sind auch der Meinung, dass man wirklich die friedlichen Demonstranten nicht mit den gewalttätigen verwechseln darf und dass man diese Unterschiede respektieren muss. Die meisten Ausschreitungen passieren spät nachts, nachdem die friedlichen Demonstranten nachhause gegangen sind.
Und dann besteht natürlich auch die Frage, ob sie angeheizt werden durch Rechtsradikale oder vielleicht auch Linksradikale. Es gibt eigentlich keine Indizien für Rechts oder Links in dem Bezug.
Ich glaube, wenn ein weißer Polizist fast neun Minuten lang sein Knie auf den Hals eines schwarzen Mannes drückt und das ganze Land zusehen kann, dass das doch einen Effekt hat und dass es anders ist als die berühmte Law and Order Krise von 1968, als Richard Nixon gewählt wurde.
Schulz: Anders, weil jetzt schlimmer, oder weil dem auch ein Fünkchen Hoffnung inne ruht?
Amos: Ja, eine Hoffnung inne ruht. Das Land weiß über diese Bedingungen, wie die schwarze Bevölkerung lebt, weiß viel mehr Bescheid darüber, als es vor etlichen Jahrzehnten der Fall war. Zu der Zeit, politisch gesehen, war Richard Nixon ja der Herausforderer.
Der Präsident damals wurde ja nicht wiedergewählt, während Donald Trump ja jetzt über diese ganzen Demonstrationen und die Ausschreitungen der regierende Präsident ist. Dadurch unterscheidet sich die Lage.
Schulz: Aber trifft dieses Bescheid wissen, wie Sie sagen, nicht auch zusammen mit jetzt einer viel stärkeren Polarisierung?
Amos: Es ist ein gespaltenes Land und, ja, ein viel polarisierteres Land. Aber wenn man auf die Umfragen schaut und was für eine Unterstützung dieser Präsident hat, sieht man doch, dass die negative Bewertung jetzt viel stärker geworden ist.
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Schulz: Aber das Rennen ist nach wie vor offen.
Amos: Das Rennen ist nach wie vor offen, obwohl der demokratische Kandidat jetzt laut Umfragen viel stärker geworden ist.
Schulz: Sie müssen uns vielleicht das Grundproblem noch mal erklären. Sie haben gerade die Bürgerrechtsbewegung angesprochen, die USA in den 60er-Jahren. Warum hat so viele Jahrzehnte später Ihr Land so ein massives Rassismusproblem?
Amos: Diese Frage zu beantworten, haben sich schon viele Mühe gegeben. Und ich würde auch darauf hinweisen: Ja, der Rassismus ist noch stark in den USA, aber in den Demonstrationen in Städten wie Birmingham, dem Geburtsort der Bürgerrechtsbewegung, neben den schwarzen Demonstranten auch viele weiße Demonstranten protestieren, und das ist in vielen Städten der Fall.
Und, dass es nicht nur Ausschreitungen und Plünderungen und Brandstiftungen sind, sondern auch ordentliche Proteste, die gerechtfertigt sind.
"Da würde ich Donald Trump nicht total beschuldigen"
Schulz: Das ist das Neue, dass Weiße jetzt dabei sind?
Amos: Im Gegensatz zu der Bürgerrechtsbewegung ja, überwiegend.
Schulz: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, war jetzt dieser Fall aus Minnesota. Wir wissen aber, dass er sich einreiht in eine wirklich lange Reihe von ähnlichen Fällen, die es auch zum Beispiel gegeben hat unter einem Präsidenten Obama. Wieviel von dieser Gewalt, von diesen Ausschreitungen, von der Eskalation geht jetzt überhaupt auf das Konto von Donald Trump?
Amos: Ich glaube, dass die Polizeigewalt in den USA viel mit der Polizeikultur der USA zu tun hat, und da würde ich Donald Trump nicht total beschuldigen. Was in Minnesota, was in Minneapolis passiert ist, hätte ebenso gut unter George Bush oder Barack Obama passieren können.
Wie der Präsident damit umgegangen ist – ich meine, es ist doch die Rolle des Präsidenten, die Aufgabe des Präsidenten, das Land zu vereinen, und wenn es auch noch so polarisiert ist, und ein begabter Politiker wie zum Beispiel Barack Obama ist dazu fähig. Donald Trump, glaube ich, nicht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.