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Protestwelle gegen Sparkurs an Medizin-Uni

Sachsen-Anhalt hat mit Magdeburg und Halle zwei Uni-Kliniken. Aufgrund klammer Landeshaushaltskasse halten sich Gerüchte, dass der Standort Halle aufgeben werden soll. Dagegen protestierten Studierende, Rektoren und Hochschulmitarbeiter mit einem landesweiten Aktionstag.

Von Christoph Richter | 04.07.2013
    Eine Protestwelle ungeahnten Ausmaßes rollt seit Monaten über das Land. Neben Künstlern sind es hauptsächlich Studierende, Rektoren und Hochschulmitarbeiter, die gegen die Sparauflagen protestieren. Wenn es nach dem Willen der Landesregierung geht, sollen die Hochschulen ab kommendem Jahr 50 Millionen Euro einsparen, auch die Reduzierung der Studierendenzahlen ist noch immer nicht vom Tisch. Da das notorisch klamme Sachsen-Anhalt mit Magdeburg und Halle zwei Uni-Kliniken hat, halten sich Gerüchte, dass man den Standort Halle aufgeben wolle. Befürchtungen, die jetzt durch vorab bekannt gewordene Details eines Gutachtens des Wissenschaftsrates, das das Land in Auftrag gegeben hat, neuen Diskussionsstoff bekommen haben.

    "Also es müssen solche Strukturen geschaffen werden, dass man vernünftig arbeiten kann",

    Tumorforscher Daniel Gündel. Doktorand an der Uni-Klinik Halle.

    "Gerade bei der Hochschulmedizin wär es sehr kontraproduktiv, wenn man einen Standort dermaßen schwächt und abgebaut wird."

    So soll die Empfehlung des Wissenschaftsrats lauten "die vorklinische Ausbildung in Halle aufzugeben", und nach Magdeburg zu verlegen. Gegenüber dem Deutschlandfunk wollte man das allerdings weder bestätigen noch dementieren. Für den Dekan der Uniklinik Halle Michael Gekle eine fatale Fehlentscheidung, und wäre das Aus der Uni-Medizin in Halle eine fatale Fehlentscheidung.

    "Wenn sie eine Universitätsmedizin haben, müssen sie attraktiv sein. Für gute Leute, die sie hierherholen. Wenn sie jetzt aber nur noch die Klinik übrig haben, sind sie unattraktiv. Sie werden es nicht schaffen, den dementsprechenden Nachwuchs zu rekrutieren. Sie werden es nicht schaffen Führungspersonal zu rekrutieren."

    Weiter empfiehlt der Wissenschaftsrat – das von Bund und Ländern getragene bedeutendste wissenschaftspolitische Beratungsgremium – die Forschung und Lehre in Halle auf den Schwerpunkt Epidemologie, sowie Gesundheits- und Pflegewissenschaften zu konzentrieren. Kritisiert wird ein mangelndes Forschungs-Output. Bei den eingeworbenen Drittmitteln läge man weit unterm Bundesdurchschnitt. So habe man zwischen 2009 und 2011 jährlich 11, 4 Millionen Euro akquiriert, der Mittelwert läge aber bei 31,2 Millionen Euro.

    "Aber das haben wir nie geleugnet. Im Bereich Forschung gibt es Licht und Schatten. Und wir haben Forschungsbereiche, von denen wir wissen, die sind zu schwach, das haben wir bei der Diskussion mit dem Wissenschaftsrat klar dargestellt. Wir haben auch Konzepte dargelegt, wie man das entwickeln kann."

    Fatal wäre es, wenn man dem Standort Uni-Medizin Halle an der Saale - an dem 2200 angehende Mediziner studieren - keine Chance geben würde, so Gekle weiter. Und einen traditionsreichen Ort mir nichts dir nichts einfach aufgeben würde, an dem 1754 einst mit Dorothea Erxleben die erste Medizinerin Deutschlands ihren Doktortitel erworben hat. Physiologe Michael Gekle ergänzt selbstkritisch, man wisse, was man für Hausaufgaben zu machen habe.

    "Wir müssen unsere Erfolge in der Lehre jetzt weiter vorantreiben. Wir werden jetzt im theoretischen Bereich, das Curriculum modernisieren, wir machen die Professionalisierung der Lehre, des Studiums. Und wir werden im Bereich der Forschung weiter fokussieren. Weil wir wissen, dass wir mit unseren Kennzahlen: Verbundforschung, Publikationen, besser werden müssen."

    Der Wissenschaftsrat schaue zu stoisch auf die Zahlen, zu wenig aber auf die landespolitische Bedeutung des Uni-Klinik-Standorts Halle würdige. Unterstreicht Simone Heinemann-Meerz, Präsidentin der Landesärztekammer Sachsen-Anhalt.

    "Die Medizin übernimmt ja hier auch Versorgungsaufgaben. Es ist ja nicht so, dass die nur vor sich hin forschen und Studenten ausbilden. Sondern die versorgen die Bevölkerung richtig hochqualitativ. Also Krebspatienten, Tumorpatienten, Herzchirurgie, Nierentransplantation, das findet alles in Halle statt."

    Letztlich warnt der Hallenser Dekan Michael Gekle davor, das Wissenschaftsratsgutachten als Blaupause zu nehmen, um es eins zu eins umzusetzen, das jedoch nur eine Empfehlung sei. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Gekle fordert Reflexion, Nachdenken, Vernunft. Und hofft händeringend, dass die Bulldozer-Rasenmäher-Methode derzeit vielleicht doch in Sachsen-Anhalt keine Konjunktur habe.

    "Wir müssen die Politik des Landes überzeugen, dass der Wissenschaftsrat alleine vielleicht für dieses Land nicht recht hat, sondern dass man die Empfehlung kritisch lesen muss und nur teilweise realisieren darf."