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Prozess gegen Kik
Klage wegen Verjährung abgewiesen

Kann ein Unternehmen für seinen Zulieferer in Haftung genommen werden? Auch um diese Frage ging es im Prozess gegen den Textildiscounter Kik. Er war Hauptkunde einer Textilfabrik in Pakistan – in der bei einem Brand 258 Menschen starben. Das Dortmunder Landgericht hat die Klage abgewiesen – wegen Verjährung.

Moritz Küpper im Gespräch mit Eva Bahner | 10.01.2019
    Ladenzeile von KiK
    Kann ein Unternehmen wie Kik in Haftung genommen werden für einen Zulieferer? Diese Frage ist weiter ungeklärt (Imago/ Jochen Tack)
    Eva Bahner: Im September 2012 kamen bei einem Brand in Karachi, in der Textilfabrik Ali Enterprises insgesamt 258 Menschen zu Tode, zahlreiche weitere wurden verletzt. Nicht das einzige, aber eins der großen Unglücke in der globalen Textilproduktion, die Verbraucher und die auch die Branche aufrüttelten. Da der Discounter Kik der Hauptkunde war, sollte die Verantwortung nun erstmals juristisch geklärt werden. Vier Pakistaner hatten geklagt auf Schmerzensgeld, es gab bereits einen Termin, nun hat das Dortmunder Landgericht die Klage abgewiesen – Frage an unseren NRW-Korrespondenten: Warum?
    Moritz Küpper: Wegen Verjährung – und damit aus formalen Gründen. Das hat das Gericht zuerst zu prüfen - und kam eben nun zu dem Schluss, dass es die Klage aus formalen Gründen nicht zulassen könne, weil das Ganze nach pakistanischem Recht – und nach dem wurde da in Dortmund verhandelt – verjährt ist. Damit bleiben aber eben alle inhaltlichen Fragen offen, vor allem eben die Frage, ob die vier Kläger, drei Hinterbliebene und ein Überlebender, Ansprüche gegenüber "Kik" haben könnten oder nicht. Und eben auch der gesamte Fragekomplex, der – sozusagen branchenunabhängig – so viel Interesse auf sich gezogen hat, nämlich: Inwieweit müssen Unternehmen, deutsche Unternehmen, Verantwortung für Geschehnisse in einem ihrer Zuliefererbetriebe übernehmen? Darauf basiert ja das ganze Geschäftsprinzip der Globalisierung.
    Auch Unternehmen fordern Rechtssicherheit
    Bahner: Und deshalb wurde dem Verfahren eine grundlegende Bedeutung zugemessen – unabhängig von der Frage der Brandursache war damit auch die Hoffnung verbunden, dass man klären könne – inwieweit Unternehmen tatsächlich für ihre Zulieferer in anderen Ländern in Haftung genommen werden können – das heißt, die Chance wurde jetzt vertan?
    Küpper: So kann man das sehen, beziehungsweise so sehen es auch die Kläger, die von Vereinigungen wie beispielsweise dem "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR) unterstützt werden. Und Miriam Saage-Maaß vom ECCHR, die betonte auch nach dem Verfahren, dass alle diese Entscheidung verfolgt hätten. Für sie steht fest: "Das aktuelle Recht wird der globalisierten Wirtschaft nicht gerecht."
    Aber: Von einer vertanen Chance vor Gericht zu sprechen, ist natürlich schwierig. Denn bei Prozessen geht es erst um die Formalien, um die Frage, ob es eine Zuständigkeit gibt oder eben, ob die Vorfälle verjährt sind, was die Richter in diesem Fall eben bejaht haben.
    Vielleicht ist da jetzt eher der Gesetzgeber gefragt. Denn nicht nur die Klägerseite bedauerte, dass diese wichtigen Fragen jetzt nicht behandelt wurden, sondern auch "Kik" selbst. Dort sah man sich zwar in seiner Rechtsauffassung bestätigt, betonte aber eben auch, dass Unternehmen Rechtssicherheit benötigen, weshalb man bei "Kik" schon länger für eine "klare gesetzliche Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene" plädiere.
    Berufung ist nicht ausgeschlossen
    Bahner: Das heißt, auch dieser Fall wird nicht neu verhandelt werden – oder werden die Kläger in Berufung gehen?
    Küpper: Diese Frage ist noch offen. Das Oberlandesgericht Hamm wäre die nächste Instanz, die man anrufen könnte. Bei der klägerunterstützenden Vereinigung ECCHR will man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, diese analysieren, dann entscheiden. Natürlich spricht einiges dagegen, dass eine solche Berufung Erfolg haben könnte, da es ja eben formale und keine inhaltlichen Gründe waren, weswegen die Klage abgewiesen wurde. Auf der anderen Seite hat man somit eine große Aufmerksamkeit bekommen – und darum geht es den Klägern natürlich auch. Natürlich - das Schmerzensgeld von jeweils 30.000 Euro, das eingeklagt wurde, das ist relevant. Aber natürlich geht es um das große Ganze, um die Aufmerksamkeit auf diese Abläufe zu lenken und dann die Hoffnung, dass sich daran etwas ändert.