Durak: Hat das Verbot der rechtsextremen Gruppe Skinheads Sächsische Schweiz von vor über einem Jahr Erfolge gezeitigt oder nicht? Einen großen Abschreckungseffekt versprechen sich die sächsischen Behörden von dem gestern angelaufenen Prozess gegen Mitglieder der SSS. Ob diese Erwartungen eintreffen, wird sich möglicherweise erst mit einem entsprechenden Urteil zeigen. Dennoch heißt es aus dem Verfassungsschutz von Sachsen: Die Militanz dieser Szene sei größer geworden, dazu noch mit wachsendem Zulauf. In der Stadt Pirna ist gar eine Sonderkommission Rechtsextremismus eingerichtet worden. Wird Sachsen dieser Entwicklung Herr? Horst Rasch, CDU, ist Innenminister der Landesregierung und nun am Telefon. Herr Rasch, die SSS ist verboten, die Gewaltbereitschaft in der Szene hat zugenommen. Wie erklären Sie sich das?
Rasch: Wir haben grundsätzlich einen Tendenzwandel dergestalt, dass die NPD Mitglieder verliert und es einen Zulauf gibt, einerseits zu einer kulturellen rechtsextremistisch geprägten Jugendbewegung, wo also mehr die äußeren Zeichen des Rechtsextremismus überwiegen und wir nicht von einem verfestigten Rechtsextremismus der Jugendlichen reden können, und andrerseits zu einer militanten Bewegung hin, wie sie durch die Mitglieder der SSS repräsentiert wird.
Durak: Die Skinheads Sächsische Schweiz sind seit April vergangenen Jahres verboten, das heißt sie hatten genug Zeit, sich anderweitig umzutun. Haben Sie da irgendwelche Erkenntnisse?
Rasch: Es ist tatsächlich so, dass die Mitglieder in verschiedenen anderen Gruppierungen oder auch einzeln oder in Freundeskreisen auftreten. Wir haben nach wie vor durch die Möglichkeiten des Verfassungsschutzes, aber auch durch unsere polizeilichen Aktivitäten diese Entwicklung unter Kontrolle. Allerdings sind die handelnden Personen eben in der Landschaft präsent.
Durak: Heißt das, Sie haben auch, was die Gruppe betrifft, auf Informationen, auf V-Männer zurückgegriffen?
Rasch: Wir nützen alle Informationsmöglichkeiten, die dem Verfassungsschutz zur Verfügung stehen, und wir sind auch darauf angewiesen, diese Möglichkeiten einzusetzen.
Durak: Das heißt, es gibt mindestens einen V-Mann?
Rasch: Es ist deutlich, dass ich über die Frage des Einsatzes von V-Leuten natürlich nicht öffentlich sprechen werde, weil wir auch diese Möglichkeit der Arbeit des Verfassungsschutzes nicht gefährden dürfen.
Durak: Als Innenminister sind sie ja sozusagen in gleicher Frage auch involviert, nämlich beim NPD-Verbotsverfahren. Da geht ja die Diskussion, inwieweit V-Männer der Behörden Einfluss auf die Politik, auf die Aktionen der NPD genommen haben. Können Sie eine zu große Einflussnahme Ihrer Informanten auf die Gruppe Skinheads Sächsische Schweiz ausschließen?
Rasch: Davon gehe ich im Grundsatz aus. Ich bin sicher, dass unser Verfassungsschutz in dieser Beziehung seine grundsätzlichen Arbeitsrichtlinien auch in der Praxis einhält. Ich will allerdings auch nicht verhehlen, dass die Relation, die Sie eben hergestellt haben, für uns eine zusätzliche Komplizierung der Situation darstellt. Die Verunsicherungen, die in diesem NPD-Verbotsverfahren aufgetreten sind, bedeuten natürlich auch Auftrieb für die Kräfte, die im rechtsextremen Spektrum nach wie vor tätig sind. Ich bin schon der festen Überzeugung, dass wir dringend den Erfolg einer Verurteilung der hier handelnden Täter brauchen, um klarzustellen, wo die Möglichkeiten und die Grenzen der Bewegungsmöglichkeiten im Rechtsstaat sind.
Durak: Sind Sie dafür, das NPD-Verbotsverfahren aufzugeben?
Rasch: Ich bin nicht dafür. Ich meine, es sollte fortgesetzt werden. Aber wenn ich jetzt von diesen Möglichkeiten des Rechtstaats spreche, auch mit den Mitteln des Gesetzes, solcher Entwicklungen Herr zu werden, dann meine ich insbesondere die Verfahren, die gegen ehemalige Mitglieder der Skinheads Sächsische Schweiz gestern angelaufen sind.
Durak: Von der ARD wird berichtet, dass im Landkreis Löbau-Zittau der Nationale Jugendblock - das ist eine Organisation, die von ihrem Verfassungsschutz als aktive nationalsozialistische Organisation eingestuft ist - vom Landkreis mit Fördermittel bedacht wurde. Wie ist denn so etwas möglich?
Rasch: Wenn die Informationen zutreffend sind, dann ist das tatsächlich in der Vergangenheit erfolgt. Ich will mal zugunsten des Landkreises Löbau-Zittau annehmen, dass das zu einem Zeitpunkt geschehen ist, als man sich über den Charakter dieses Nationalen Jugendblocks noch nicht vollständig klar war. Es ist wohl im Augenblick so, dass die entsprechende Förderung gestoppt ist und einer erneuten Prüfung unterzogen wird. Sie können aber sicher sein, dass ich als Innenminister, der da zugleich die Rechtsaufsicht führt, diesen Vorgang sehr genau kontrollieren lassen werde.
Durak: Sie sind ja erst seit kurzem Innenminister, aber zumindest die letzte Förderung fand 2001 statt. Der Verfassungsschutz hat schon vorher gesprochen. Ich kann mir trotzdem nicht erklären, wie das passieren kann.
Rasch: Nun, dort sind dann die Spielräume, die sich daraus ergeben, dass wir kommunale Selbstverwaltung praktizieren, und dass eben damit die Entscheidungsspielräume auf kommunaler Ebene recht groß sind, und die Rechtsaufsicht oft dann einkreist, wenn offensichtliche Fehlentwicklungen im Gange sind, und das sind vor allem Entwicklungen, die unter rechtlichen Gesichtspunkten gerückt werden müssen.
Durak: Sie haben jahrelange Erfahrungen im Innenausschuss des Landtages, sind bestens mit den Problemen vertraut. Woher rekrutieren die Rechten ihre Anhänger in Sachsen?
Rasch: Man muss dazu sagen, dass schon zu DDR-Zeiten ein deutliches Spektrum rechtsextremistischer Bewegungen im Lande vorhanden war. Das ist damals einfach politisch unter dem Teppich gekehrt und verschwiegen worden. Hinzu kommt dann die Folge der jahrzehntelangen Abschottung, das heißt die Menschen sind bei uns nicht gewöhnt, mit Ausländern umzugehen oder all die anderen Möglichkeiten und Schönheiten eines weltoffenen Lebens für sich selbst zu entdecken. Und dadurch, meine ich, haben unter anderem derartige Tendenzen einen gewissen Nährboden. Hinzu kommt, dass man sicher nicht leugnen kann, dass die gesellschaftliche Ablehnung gegen extremistische Verhaltensweisen in Sachsen erst allmählich wächst. Da ist, glaube ich, im Augenblick ein Prozess im Gange, gerade in der Sächsischen Schweiz, wo sich sozusagen Gegenkräfte formieren.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Rasch: Wir haben grundsätzlich einen Tendenzwandel dergestalt, dass die NPD Mitglieder verliert und es einen Zulauf gibt, einerseits zu einer kulturellen rechtsextremistisch geprägten Jugendbewegung, wo also mehr die äußeren Zeichen des Rechtsextremismus überwiegen und wir nicht von einem verfestigten Rechtsextremismus der Jugendlichen reden können, und andrerseits zu einer militanten Bewegung hin, wie sie durch die Mitglieder der SSS repräsentiert wird.
Durak: Die Skinheads Sächsische Schweiz sind seit April vergangenen Jahres verboten, das heißt sie hatten genug Zeit, sich anderweitig umzutun. Haben Sie da irgendwelche Erkenntnisse?
Rasch: Es ist tatsächlich so, dass die Mitglieder in verschiedenen anderen Gruppierungen oder auch einzeln oder in Freundeskreisen auftreten. Wir haben nach wie vor durch die Möglichkeiten des Verfassungsschutzes, aber auch durch unsere polizeilichen Aktivitäten diese Entwicklung unter Kontrolle. Allerdings sind die handelnden Personen eben in der Landschaft präsent.
Durak: Heißt das, Sie haben auch, was die Gruppe betrifft, auf Informationen, auf V-Männer zurückgegriffen?
Rasch: Wir nützen alle Informationsmöglichkeiten, die dem Verfassungsschutz zur Verfügung stehen, und wir sind auch darauf angewiesen, diese Möglichkeiten einzusetzen.
Durak: Das heißt, es gibt mindestens einen V-Mann?
Rasch: Es ist deutlich, dass ich über die Frage des Einsatzes von V-Leuten natürlich nicht öffentlich sprechen werde, weil wir auch diese Möglichkeit der Arbeit des Verfassungsschutzes nicht gefährden dürfen.
Durak: Als Innenminister sind sie ja sozusagen in gleicher Frage auch involviert, nämlich beim NPD-Verbotsverfahren. Da geht ja die Diskussion, inwieweit V-Männer der Behörden Einfluss auf die Politik, auf die Aktionen der NPD genommen haben. Können Sie eine zu große Einflussnahme Ihrer Informanten auf die Gruppe Skinheads Sächsische Schweiz ausschließen?
Rasch: Davon gehe ich im Grundsatz aus. Ich bin sicher, dass unser Verfassungsschutz in dieser Beziehung seine grundsätzlichen Arbeitsrichtlinien auch in der Praxis einhält. Ich will allerdings auch nicht verhehlen, dass die Relation, die Sie eben hergestellt haben, für uns eine zusätzliche Komplizierung der Situation darstellt. Die Verunsicherungen, die in diesem NPD-Verbotsverfahren aufgetreten sind, bedeuten natürlich auch Auftrieb für die Kräfte, die im rechtsextremen Spektrum nach wie vor tätig sind. Ich bin schon der festen Überzeugung, dass wir dringend den Erfolg einer Verurteilung der hier handelnden Täter brauchen, um klarzustellen, wo die Möglichkeiten und die Grenzen der Bewegungsmöglichkeiten im Rechtsstaat sind.
Durak: Sind Sie dafür, das NPD-Verbotsverfahren aufzugeben?
Rasch: Ich bin nicht dafür. Ich meine, es sollte fortgesetzt werden. Aber wenn ich jetzt von diesen Möglichkeiten des Rechtstaats spreche, auch mit den Mitteln des Gesetzes, solcher Entwicklungen Herr zu werden, dann meine ich insbesondere die Verfahren, die gegen ehemalige Mitglieder der Skinheads Sächsische Schweiz gestern angelaufen sind.
Durak: Von der ARD wird berichtet, dass im Landkreis Löbau-Zittau der Nationale Jugendblock - das ist eine Organisation, die von ihrem Verfassungsschutz als aktive nationalsozialistische Organisation eingestuft ist - vom Landkreis mit Fördermittel bedacht wurde. Wie ist denn so etwas möglich?
Rasch: Wenn die Informationen zutreffend sind, dann ist das tatsächlich in der Vergangenheit erfolgt. Ich will mal zugunsten des Landkreises Löbau-Zittau annehmen, dass das zu einem Zeitpunkt geschehen ist, als man sich über den Charakter dieses Nationalen Jugendblocks noch nicht vollständig klar war. Es ist wohl im Augenblick so, dass die entsprechende Förderung gestoppt ist und einer erneuten Prüfung unterzogen wird. Sie können aber sicher sein, dass ich als Innenminister, der da zugleich die Rechtsaufsicht führt, diesen Vorgang sehr genau kontrollieren lassen werde.
Durak: Sie sind ja erst seit kurzem Innenminister, aber zumindest die letzte Förderung fand 2001 statt. Der Verfassungsschutz hat schon vorher gesprochen. Ich kann mir trotzdem nicht erklären, wie das passieren kann.
Rasch: Nun, dort sind dann die Spielräume, die sich daraus ergeben, dass wir kommunale Selbstverwaltung praktizieren, und dass eben damit die Entscheidungsspielräume auf kommunaler Ebene recht groß sind, und die Rechtsaufsicht oft dann einkreist, wenn offensichtliche Fehlentwicklungen im Gange sind, und das sind vor allem Entwicklungen, die unter rechtlichen Gesichtspunkten gerückt werden müssen.
Durak: Sie haben jahrelange Erfahrungen im Innenausschuss des Landtages, sind bestens mit den Problemen vertraut. Woher rekrutieren die Rechten ihre Anhänger in Sachsen?
Rasch: Man muss dazu sagen, dass schon zu DDR-Zeiten ein deutliches Spektrum rechtsextremistischer Bewegungen im Lande vorhanden war. Das ist damals einfach politisch unter dem Teppich gekehrt und verschwiegen worden. Hinzu kommt dann die Folge der jahrzehntelangen Abschottung, das heißt die Menschen sind bei uns nicht gewöhnt, mit Ausländern umzugehen oder all die anderen Möglichkeiten und Schönheiten eines weltoffenen Lebens für sich selbst zu entdecken. Und dadurch, meine ich, haben unter anderem derartige Tendenzen einen gewissen Nährboden. Hinzu kommt, dass man sicher nicht leugnen kann, dass die gesellschaftliche Ablehnung gegen extremistische Verhaltensweisen in Sachsen erst allmählich wächst. Da ist, glaube ich, im Augenblick ein Prozess im Gange, gerade in der Sächsischen Schweiz, wo sich sozusagen Gegenkräfte formieren.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio