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Prozess um Kuhglockenlärm
Risse in der bayerischen Idylle

Seit vier Jahren dauert bereits ein Rechtsstreit zwischen einer Bäuerin und ihren Nachbarn in Holzkirchen im Süden Bayerns. Das zugezogene Paar stört sich am Lärm der Kuhglocken. Stadt- und Landleben stehen sich in diesem Rechtsstreit offenbar unversöhnlich gegenüber.

Von Carol Lupu | 12.02.2019
    Auf einer Schweizer Alm steht eine Kuh mit einer Kuhglocke um den Hals und trotzt dem schlechten Wetter.
    Sorgt im bayerischen Holzkirchen für Ärger: Das Läuten von Kuhglocken (picture alliance / dpa / Eddy Risch)
    "Das ist die Helene, das ist die Sabrina, das ist die Sonnhild und die Halma…"
    Regine Killer geht durch den Kuhstall, in dem der ganze Stolz ihres Hofes steht.
    "Das sind jetzt 40 Kühe und 25 Stück Jungvieh."
    Regine Killer kommt aus einer Gegend wie im Bilderbuch. Im Hintergrund ragen die Alpen hervor. Hier vorne im Hügelland liegen die Dörfer mit Zwiebeltürmen und Bauernhäusern. Und überall stehen die braunen Kühe.
    "Ich bin 1999 durch Einheirat hierher gekommen."
    Für die Bäuerin und ihre Familie ist das Milchvieh ihr Lebensunterhalt:
    "4.45 Uhr aufstehen. Gehe ich in den Stall, weil ich bin ja alleine, weil mein Mann ist ja schon vor 14 Jahren verstorben. Bin dann bis ca. Viertel nach sieben, halb acht im Stall – also werden alle gemolken. Es gibt immer was zu tun, und auf Nacht gehe ich halt wieder in den Stall."
    Regine Killer muss auch noch ihre Kinder mitversorgen:
    "Einen Sohn und eine Tochter, die sind jetzt in der Lehre, gerade, in der Ausbildung, aber wenn sie da sind, dann helfen die mit."
    Im Sommer kommen die Kühe auf die Weide. Die jungen und stürmischen Jungbullen werden von den Kühen getrennt und fressen ihr Gras in einem Extrabereich der Weide. Und die jungen Bullen finden als Herde auch gern mal einen Weg durch den Zaun.
    Kuhglocken sind in Bayern eine Tradition
    "Ja, genau, und darum haben wir Glocken dran, insbesondere in der Nacht, wenn sie ausbrechen, dass man sie dann hört."
    Dass Kühe Glocken tragen, ist selbstverständlich in Bayern und wird seit Jahrhunderten so praktiziert. Auch bei Regine Killer, bis sie einen neuen Nachbarn bekommt.
    "Angeblich hat er es 2011 gekauft und ‘14 sind die eingezogen."
    Zwischen dem neuen Nachbarn und Regine Killer steht eine Weide. Die Bäuerin schaut dem Nachbarn direkt an die Hausfront, nur ist das Grundstück einen knappen Kilometer entfernt. Die Weide zwischen beiden Parteien gehört der Gemeinde Holzkirchen. 2015 pachtet Regine Killer die Weide vor ihrem Haus und lässt die Kühe darauf los.
    "Ungefähr zehn Tage hat es gedauert, dann sind die Nachbarn hier gestanden, dann haben wir miteinander geredet, und dann bis auf eine Glocke habe ich alle abgenommen – war ihm zu wenig, dann habe ich ein Schreiben gekriegt, habe einen nicht so schönen Anruf gekriegt und dann bin ich zum Anwalt gegangen."
    Sehr "unschön" soll es dann weitergegangen sein, das berichten alle, die mit dem Fall befasst sind: die Journalisten und Dorfeinwohner. Die klagenden Nachbarn wollen nicht mit Namen genannt werden, und auch nichts zu dem Fall sagen.
    "Der Anruf war sehr provokant, sag ich jetzt mal, der hat mir schon gedroht. Meine Tochter hat das Telefonat mitbekommen, also die hat schon Angst gekriegt, um mich."
    Der Nachbar droht, er kriege die Bäuerin schon klein
    Mit Klagen über Klagen soll er gedroht haben, und auch damit, dass er die Witwe und Bäuerin schon klein kriege. Er hätte genug Geld, um Anwalt und Gerichtskosten zu zahlen. Regine Killer bekommt daraufhin von Rechtsanwalt Post, aber nicht nur sie, auch der Bürgermeister von Holzkirchen, Olaf von Löwis:
    "Also, wir kriegen Rechtsanwaltspost und da stand drin, die Gemeinde wird aufgefordert - per Klageschrift - die Bäuerin aufzufordern, dass sie die Kühe nicht mehr weiden lässt, beziehungsweise die Kuhglocken nicht mehr anbringt."
    So eine Aufforderung in einer Gegend voller Bauern und Kühe, das ist auch der Bürgermeister nicht gewohnt:
    "Ich habe erst gedacht, ich bin im falschen Film. Ich kenne diese Bäuerin, ich kenne die Situation dort, also, ich war irritiert bis verärgert, ich hätte mir gewünscht, dass ich persönlich angesprochen werde, dann hätte ich das Verhältnis besser begleiten können."
    Vier Jahre Rechtsstreit und kein Ende. Den Fall kennt jeder auf der Straße in Holzkirchen und die Stimmung geht zu Gunsten der Bäuerin.
    "Kühe haben schon immer Glocken."
    "Die Kühe sollen läuten so lang sie wollen, ich habe da gar nichts da gegeben. Ich finde es schön."
    "Ich finde das lächerlich."
    "Wenn Leute hierher ziehen, haben sie die Gepflogenheiten zu beachten"
    "Wenn einer meint, sich streiten zu müssen, dann soll er die Gerichte beschäftigen, oder sich auf das Wesentliche konzentrieren."
    "Der soll nach München zurückziehen, woher er gekommen ist, wenn Leute hierher ziehen, auf Land raus, dann haben sie die Landgepflogenheiten zu beachten."
    Regine Killer wird mittlerweile von deutschen und ausländischen Sendern wie die BBC zu dem Fall befragt. Sie hat sich zu einer Symbolfigur entwickelt, in der Stadtkultur und Landleben aufeinanderprallen:
    "Ich möchte ehrlich gesagt, nichts als meine Ruh, ich tue nichts Verbotenes, nichts was andere Bauern auch tun."