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Prozess um Nacktfotografien Eva Ionescos

Eva Ionesco, 47-jährige französische Schauspielerin, ist ein ehemaliger Kinderstar. Als sie vier Jahre alt war, veröffentlichte ihre Mutter erste Nacktfotos von Eva. Dagegen klagte sie. Die Auseinandersetzung ist ein Kampf zwischen Persönlichkeitsrechten und Kunstfreiheit.

Stefan Koldehoff im Gespräch Karin Fischer |
    Karin Fischer: Zu unserem ersten Thema: Eva Ionesco, 47-jährige französische Schauspielerin, ist ein ehemaliger Kinderstar – sie diente als Model, genauer: als nacktes Model. Sie war erst vier Jahre alt, als ihre Mutter, die Fotografin Irina Ionesco, die ersten Fotos von ihr veröffentlichte; als sie elf war, druckte der "Playboy" die Nacktfotos. Auch die Zeitschrift "Penthouse" wurde von Irina beliefert. Eva protestierte, wenn auch spät, und verarbeitete ihre Vergangenheit auch in einem Film, der 2011 in Cannes gezeigt wurde, Titel: "I’m not a fucking Princess". - Der Prozess, der jetzt in Paris mit einer Verurteilung der Mutter zu 10.000 Euro Schadenersatz endete, wirft Fragen auf auch zum Umgang von Erwachsenen mit solchen Nacktaufnahmen. Zuerst aber die Frage an meinen Kollegen Stefan Koldehoff: Was waren das denn für Fotos?

    Stefan Koldehoff: Das waren schon sehr eindeutige Fotos. Das war einfach ein pubertierendes nacktes Mädchen mit den primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen, die sich entwickelten, und Irina Ionesco hat irgendwann auch das Sorgerecht für ihre Tochter verloren, weil natürlich die Behörden aufmerksam wurden, auf das, was da mit einem kleinen Mädchen geschah. Ich meine, spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem die Aufnahmen 1976 im Oktober im "Playboy" zu sehen waren, konnte man nicht mehr vorbei gucken, da war klar: Da läuft irgendwas nicht in Ordnung. Übrigens muss man da gar nicht nur auf den Playboy gucken; im Mai 1977 war Eva Ionesco, damals elf Jahre alt, auf dem Cover des "Spiegel" zu sehen in einer Geschichte über Kinder auf dem Sexmarkt, "Die Verkauften Lolitas", und auch der Spiegel glaubte, nicht ohne so ein Foto auskommen zu können, und hat sich dafür dann auch eine Rüge des Deutschen Presserats gefangen.

    Fischer: Dieses kleine, blonde, langhaarige, ein bisschen pausbäckige Mädchen war ja zum Teil schon sehr konventionell inszeniert, also als Lolita, als Blumenmädchen, als Vamp, als kleine Eva, sehr eindeutig erotisch, wie Sie sagen. Hat es damals einen Skandal gemacht, oder wenn nein, warum nicht? Waren das die libertinären 70er-Jahre, oder warum entrollte sich dieser Prozess erst so spät?

    Koldehoff: Nein. Es gab damals eben merkwürdigerweise keinen Skandal, und das ist aus heutiger Sicht mit einem gestiegenen Bewusstsein, Gott sei Dank gestiegenen Bewusstsein für solche Themen, eigentlich ganz unverständlich. Diese Bildbände wurden tausendfach, zehntausendfach verkauft. Das werden sie übrigens bis heute. Den Band – ich habe es gerade noch mal im Internet nachgeguckt -, "Eva: Eloge de Ma Fille", 2004 erst wieder in Tokio neu aufgelegt, natürlich mit Einverständnis der Mutter, können Sie heute für 150 Dollar im Internet bestellen. Es ist also noch nicht vorbei. Ich möchte auch gar nicht, dass da ein falscher Zungenschlag reinkommt, dass alles, was damals – Sie sprachen von libertinärem Geschehen – gedruckt ist, nun gleich verwerflich sei. Ich gebe mal ein anderes Beispiel: Der amerikanische, seit Langem in Deutschland lebende Fotograf Will McBride hat ebenfalls in den 70er-Jahren ein fantastisches Aufklärungsbuch gemacht: "Zeig mal" hieß das. Da wurden Kinder, nackte Kinder gezeigt, die für sich auch die Körpermerkmale und auch Sexualität entdeckten – natürlich nicht in irgendeiner Hardcore-Form, aber da sind nackte Kinder mit nackten Geschlechtsorganen zu sehen. Das finde ich persönlich sehr unproblematisch, weil das überhaupt nichts Voyeuristisches oder gar Pornografisches hat. Die Bilder von Irina Ionesco, die sie von ihrer Tochter gemacht hat, sind deutlich anders: Da wird in den Schritt reinfotografiert, da werden laszive Mienen und Mimiken und Gesten geprobt mit Federstola und mit entblößten Brüsten. Damals war es kein Thema, heute ist es eins.

    Fischer: Sie haben das gesagt: Beim Thema Missbrauch ist man heute natürlich auch durchs Internet einfach hellhöriger geworden. – Nun wollte Eva Ionesco eigentlich alle Fotos oder auch Negative ausgehändigt bekommen, sie will die Kontrolle über diese Fotos haben, dem hat das Gericht nicht stattgegeben. Und auch die 10.000 Euro Strafe sind ja weit jenseits der 200.000, die Eva eigentlich gefordert hat. Was bedeutet das, wie kommt so ein Urteil nun zustande?

    Koldehoff: Das ist eigentlich erstaunlich. Ich habe gerade versucht, den französischen Rechtsanwalt, der sie vertritt, zu erreichen; das ist mir leider nicht gelungen. Es liegt auch noch kein schriftliches Urteil vor, sagte mir die Kanzlei. Aber es zeigt nun sehr deutlich: Eva Ionesco hatte 200.000 Euro verlangt und die Herausgabe sämtlicher Bilder; zugestimmt hat man nur einer Teilherausgabe. Und: Vor allen Dingen darf die Mutter die Bilder auch weiterhin verwerten. Auch das wollte die Tochter eigentlich verbieten lassen, auch das ist ihr nicht gelungen. Es ist wieder der alte Kampf zwischen Persönlichkeitsrechten und Kunstfreiheit, denn natürlich reklamiert die inzwischen 87-jährige Mutter für sich, das seien künstlerische Produktionen, die sie weiter verbreiten dürfe. Das ist der eine Punkt und der andere Punkt ist sicherlich auch der, dass es ein Zurück in die Dose der Pandora überhaupt nicht mehr gibt im Zeitalter des Internets. Die Bilder sind in der Welt, Sie finden sie im Internet, Sie finden sie in Zeitschriften, der "Spiegel" von 1976 wird bei eBay zu hohen Preisen gehandelt. Also ich fürchte, es gibt gar keine Möglichkeit mehr, noch irgendwas zu verhindern.

    Fischer: Herzlichen Dank an Stefan Koldehoff für diesen Bericht vom Streit Ionesco gegen Ionesco wegen Nacktfotos des Kindes und jungen Mädchens Eva.


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