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Psalmengesang
Trau dich!

Es wird schwieriger, in Gottesdiensten Vorsänger zu finden. Ein Problem ist, dass die heute gebräuchlichen, an die gregorianischen Psalmtöne angelehnten Modelle musikalisch und gesangstechnisch oft zu anspruchsvoll sind. Ein neues Buch setzt auf einfache Melodien und gut lesbare Notenschrift.

Von Andrea Braun | 31.05.2019
Gläubige singen beim Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt auf dem Katholikentag in Münster.
Öffentlich singen wie hier beim Katholikentag - das trauen sich immer weniger Menschen (picture-alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
Der Antwortpsalm, auch Graduale genannt, ist ein wesentlicher Teil des katholischen Wortgottesdienstes. Er steht in der Liturgie nach der Lesung, und normalerweise singt der Kantor dabei einen Kehrvers vor, den die Gemeinde wiederholt, dann kommt der Kantor mit den Psalmversen, die Gemeinde schließt mit dem Kehrvers. Soweit die Theorie. In der Praxis sehe das heute oft ganz anders aus, beklagt Michael Pfeifer, Referent für liturgische Bildung im Bistum Würzburg:
"Erfahrungsgemäß ist es so, dass alle Publikationen, die über den Antwortpsalm schreiben, immer erstmal einsteigen mit wie wichtig er sei - und dann im zweiten Satz nachschieben müssen: Ja, aber trotzdem ist er nach 50 Jahren im deutschen Sprachraum immer noch nicht wirklich angekommen."
Musikalisch anspruchsvoll
Das Problem ist nämlich: Die heute gebräuchlichen, an die gregorianischen Psalmtöne angelehnten Modelle stehen meist in einer historischen Notenschrift, die für Nicht-Fachleute irritierend sein kann. Und sie sind musikalisch und gesangstechnisch oft zu anspruchsvoll für die ja meist ehrenamtlichen Kantoren und Lektoren in den Gemeinden.
Das hebt die ohnehin vorhandene psychologische Hürde, sich alleine vor das Volk zu stellen und zu singen, noch zusätzlich an, und immer öfter wird der Antwortpsalm also ganz unfeierlich gesprochen, wenn es keinen Kirchenmusiker oder guten Sänger in einer Pfarrei gibt.
Der Wunsch, dieser Problematik endlich einmal Abhilfe zu schaffen, trieb Michael Pfeifer schon lange um. Regelmäßig experimentierte er bei Kursen für ehrenamtliche Kantoren, die er im Bistum Würzburg hält, wie man es ihnen leichter machen könnte. Der Gedanke, man könne das Resultat dieser Experimente in ein Buch fassen, entstand dann vor etwa zehn Jahren bei einem Workshop, den Pfeifer gemeinsam mit Andreas Unterguggenberger hielt – seinerzeit Stiftskantor in Aschaffenburg, inzwischen Domkapellmeister in Passau.
"Da hat er Blut geleckt, hat gemerkt, ja, das funktioniert ja wirklich. Und im Nachhinein hat er dann gemeint, es muss sich nur mal jemand trauen, das so zu schreiben. Und dann habe ich gesagt, ja, o.k., mache ich. Aber es war ein wunderschönes Zusammenarbeiten, also es ist jetzt nicht so, dass einer den Text und einer die Musik gemacht hätte, sondern wir haben wirklich ineinander an jedem Ton rumgeschraubt und haben durch die Workshops dann auch gemerkt: Ja, das kann man noch einfacher machen und das geht noch eleganter."
Einfache Kehrverse, einfache Psalmverse
Diese Einfachheit soll nun ermöglichen, dass Lektoren, die sich bisher nicht getraut haben zu singen, das einmal ausprobieren. Zu allen Psalmen werden dafür einfache Kehrverse vorgeschlagen – man kann aber auch die aus dem Gotteslob nehmen – und dann kommen die Psalmverse, die oft nur drei oder vier Töne verwenden. Außerdem helfen ein normales Fünfliniensystem für die Noten, kleine Tonabstände und Tonhöhen im Bereich der Sprechstimme bei der Umsetzung.
"Es geht von einem ganz simplen Sprechgesang aus, dass man gewissermaßen den Ton aus der Stimme herausnimmt, und so stufenweise bestimmte Melodien versucht zu setzen und am Schluss wieder runterkommt. Also eine deklamatorische Art des Singens, dass man auf jeden Fall dem Text den Vorrang einräumen kann und nicht lange nachdenken muss, was stehen da eigentlich für komplizierte Zeichen, Unterstreichungen, Sternchen, Schrägstriche, Pfeile im Text."
Die Tatsache, dass der Verlag nach nicht einmal einem halben Jahr schon an die zweite Auflage des schicken roten Bandes denken muss, spricht dabei für sich:
"Am spannendsten waren für mich die Reaktionen aus der Praxis, die gesagt haben: man kann's super nachsingen, man hat keinen Stress mit der Vorbereitung, selbst der Organist kommt damit klar, obwohl jetzt keine Begleitung notiert ist – und das war eigentlich das, was Mut gemacht hat."
Musikbeispiele auf der Homepage
Momentan arbeitet Andreas Unterguggenberger übrigens daran, sämtliche Psalmen auch noch als Musikbeispiele auf die Homepage des Buchs zu bringen, damit der Kantor sich im Ernstfall in der Sakristei Kehrvers und Psalmvers schnell nochmal auf dem Handy anhören und dann im Gottesdienst mutig loslegen kann.
Und absurd, aber wahr: Die letztendliche Absicht des Psalmenbuchs sei eigentlich, sich selbst überflüssig zu machen, meint Michael Pfeifer:
"Es ist auch als Vorübung in der Einleitung vorgeschlagen, dass man den Text zunächst spricht, dann auf einem Ton vor sich hin kantiliert und guckt, wie die Töne zu setzen sind. Dann hat man immer noch dieses Sprechgefühl und wird nicht verleitet, zu kantabel zu singen. Das ist auch mehr eine Anleitung zum Improvisieren, und ich denke mal, dass jeder, der mal ein, zwei Jahre mit dem Buch gearbeitet hat, es gar nicht mehr braucht, sondern direkt nach dem Lektionar singt. Also frei improvisiert, sich den Kehrvers vielleicht noch hinschreibt und loslegt. Das ist das Ziel."