Gerwald Herter: Aus den USA und aus anderen Ländern ist die Sache nach Deutschland gekommen. Gehirndoping ist auch hierzulande inzwischen in Mode. Angeblich völlig harmlose Medikamente sollen nur eine Wirkung haben: die Leistungsfähigkeit des Hirns zu stärken. Die deutschen Psychotherapeuten warnen vor Missbrauch. Nun bin ich mit dem Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer, Professor Dr. Reiner Richter, in Berlin verbunden. Er kann uns Näheres über die Gefahren sagen. Herr Richter, guten Tag!
Reiner Richter: Guten Tag, Herr Herter.
Herter: Herr Richter, in welchem Maße nimmt Gehirn-Doping in Deutschland zu?
Richter: Wir wissen nicht genau, wie weit es zunimmt, aber wir wissen aus einer repräsentativen Befragung von Menschen, die im Arbeitsleben stehen, durchgeführt von einer großen Kasse, dass von denen fünf Prozent im Verlauf eines Jahres mit dem Ziel der Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit Psychostimulanzien mindestens einmal genommen haben. Das ist doch eine sehr erschreckende Zahl und die stimmt überein mit Zahlen aus den Vereinigten Staaten, wo wir zum Beispiel in bestimmten Gruppen, etwa Studenten, Wissenschaftlern, also im universitären Bereich, Zahlen bis zu 20, 25 Prozent haben. Das heißt, 25 Prozent der Campus-Angehörigen nehmen mindestens einmal im Jahr solche Medikamente zur Leistungssteigerung, wie sie hoffen.
Herter: Welche Gründe hat es, dass in Deutschland Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer offenbar häufiger zu solchen Medikamenten greifen? Ist es die Wirtschaftskrise und der Leistungsdruck?
Richter: Es ist der Leistungsdruck, der ja schon länger auch Thema ist und der sich natürlich jetzt unter der Wirtschaftskrise noch weiter verstärkt hat und – das ist ja zu befürchten – auch noch weiter verstärken wird. Wenn jemand ganz konkret an seinem Arbeitsplatz um denselben fürchten muss, weil er meint, dass seine Leistungen nicht mehr ausreichend sind, dann ist es nachvollziehbar, dass er zu allen möglichen Mitteln, unter anderem auch Medikamenten greift, um diesem Druck standzuhalten. Das Problem dabei ist, dass diese Medikamente in der Regel überhaupt nicht das bewirken, was die Menschen hoffen. Allenfalls eine Steigerung der Aufmerksamkeit und der Konzentrationsfähigkeit, aber das heißt ja noch nicht eine Leistungsfähigkeitsverbesserung, sodass es häufig auch schlichtweg Substanzen sind, die dann vor allem deswegen zu kritisieren sind, weil sie erhebliche Nebenwirkungen haben können.
Herter: Besteht bei verschiedenen Medikamentengruppen Suchtgefahr?
Richter: Wir wissen noch zu wenig darüber, weil es Langzeitstudien bisher noch nicht gibt. Es ist zu vermuten, dass die Amphetamin-Präparate, also Methylphenidat, auch ein Potenzial zur Abhängigkeit haben. Das wissen wir aus einzelnen klinischen Fällen von Patienten, die in Behandlung sind.
Herter: Das sind Aufputschmittel sozusagen?
Richter: Das sind Aufputschmittel, ja. – Aber wir haben schlichtweg keine Daten aus Langzeituntersuchungen, wo wir dann wissen, wie hoch das Risiko tatsächlich ist. Wenn man aber rückblickend schaut, wie häufig sich Psychopharmaka dann erst nach Jahren mit einem Abhängigkeitspotenzial erwiesen haben, dann müssen wir einfach erst einmal davon ausgehen, dass das auch bei diesen Substanzen so ist, bis zum Beweis des Gegenteils.
Herter: Wird die Pharmaindustrie ihrer Verantwortung hier gerecht? Werden diese Mittel aus Ihrer Sicht mit falschen Argumenten beworben?
Richter: Ich glaube nicht. Ich habe das jetzt nicht so gesehen, dass es mit falschen Argumenten beworben wird. Wenn Sie sagen, wird die Pharmaindustrie ihren Ansprüchen gerecht?
Herter: Ihrer Verantwortung!
Richter: Der Verantwortung, gut. – Festzustellen ist, dass die verordneten Substanzen aus diesem Bereich, also die Psychostimulanzien, seit Jahren stetig ansteigen. Wir haben in den letzten 10 Jahren eine Versiebenfachung der verordneten Psychostimulanzien und das kann man nicht erklären durch irgendwelche Zunahme von irgendwelchen Erkrankungen. Das sind ja alles Medikamente, die sogar zum Teil unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Warum das so ist und wer da an welchen Stellen Interesse hat, dass die Verordnungen zunehmen, kann man nur vermuten, aber dass daran die Pharmaindustrie ein Interesse hat, liegt ja nahe.
Herter: Und die Ärzte? Sie sagen selber, teilweise fallen die Stoffe unter das Betäubungsmittelgesetz. Also muss man die auch verschreiben?
Richter: Ja, auf jeden Fall und das ist ja etwas, wo sich die Bundespsychotherapeutenkammer jetzt in den Dialog auch eingeschaltet hat, weil es Tendenzen vor allem aus Amerika, aber andeutungsweise auch schon bei uns gibt, diese Medikamente frei zu verordnen, also von der Rezeptpflicht zu befreien, und das wäre eine völlig falsche Entwicklung, sogar eine gefährliche Entwicklung, vor der wir warnen und auf die wir hinweisen wollen.
Herter: Ist es trotzdem manchmal angesagt, solche Medikamente zu nehmen (in bestimmten Bereichen), und ist eine Begleitung dann wichtig?
Richter: Ja. Das sind ja alles Medikamente, die für die Behandlung bestimmter Erkrankungen zugelassen sind. Zum Beispiel ist Methylphenidat eine Substanz, die zur Behandlung von ADAS – das ist diese Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung bei Kindern und Jugendlichen – zugelassen ist, unter ganz strengen Bedingungen verordnet werden kann, die gerade jetzt jüngst noch mal weiter eingeschränkt worden sind. Also das sind hochwirksame Medikamente bei der Behandlung dieser Erkrankung, die jetzt aber in Amerika – Sie haben es ja am Anfang gesagt – und jetzt zunehmend auch bei uns bei Gesunden eingesetzt werden, verwendet werden, eingenommen werden.
Herter: Professor Dr. Reiner Richter, Präsident der Bundeskammer der Psychotherapeuten, über die Gefahren des sogenannten Gehirndopings. Vielen Dank!
Richter: Bitte schön.
Reiner Richter: Guten Tag, Herr Herter.
Herter: Herr Richter, in welchem Maße nimmt Gehirn-Doping in Deutschland zu?
Richter: Wir wissen nicht genau, wie weit es zunimmt, aber wir wissen aus einer repräsentativen Befragung von Menschen, die im Arbeitsleben stehen, durchgeführt von einer großen Kasse, dass von denen fünf Prozent im Verlauf eines Jahres mit dem Ziel der Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit Psychostimulanzien mindestens einmal genommen haben. Das ist doch eine sehr erschreckende Zahl und die stimmt überein mit Zahlen aus den Vereinigten Staaten, wo wir zum Beispiel in bestimmten Gruppen, etwa Studenten, Wissenschaftlern, also im universitären Bereich, Zahlen bis zu 20, 25 Prozent haben. Das heißt, 25 Prozent der Campus-Angehörigen nehmen mindestens einmal im Jahr solche Medikamente zur Leistungssteigerung, wie sie hoffen.
Herter: Welche Gründe hat es, dass in Deutschland Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer offenbar häufiger zu solchen Medikamenten greifen? Ist es die Wirtschaftskrise und der Leistungsdruck?
Richter: Es ist der Leistungsdruck, der ja schon länger auch Thema ist und der sich natürlich jetzt unter der Wirtschaftskrise noch weiter verstärkt hat und – das ist ja zu befürchten – auch noch weiter verstärken wird. Wenn jemand ganz konkret an seinem Arbeitsplatz um denselben fürchten muss, weil er meint, dass seine Leistungen nicht mehr ausreichend sind, dann ist es nachvollziehbar, dass er zu allen möglichen Mitteln, unter anderem auch Medikamenten greift, um diesem Druck standzuhalten. Das Problem dabei ist, dass diese Medikamente in der Regel überhaupt nicht das bewirken, was die Menschen hoffen. Allenfalls eine Steigerung der Aufmerksamkeit und der Konzentrationsfähigkeit, aber das heißt ja noch nicht eine Leistungsfähigkeitsverbesserung, sodass es häufig auch schlichtweg Substanzen sind, die dann vor allem deswegen zu kritisieren sind, weil sie erhebliche Nebenwirkungen haben können.
Herter: Besteht bei verschiedenen Medikamentengruppen Suchtgefahr?
Richter: Wir wissen noch zu wenig darüber, weil es Langzeitstudien bisher noch nicht gibt. Es ist zu vermuten, dass die Amphetamin-Präparate, also Methylphenidat, auch ein Potenzial zur Abhängigkeit haben. Das wissen wir aus einzelnen klinischen Fällen von Patienten, die in Behandlung sind.
Herter: Das sind Aufputschmittel sozusagen?
Richter: Das sind Aufputschmittel, ja. – Aber wir haben schlichtweg keine Daten aus Langzeituntersuchungen, wo wir dann wissen, wie hoch das Risiko tatsächlich ist. Wenn man aber rückblickend schaut, wie häufig sich Psychopharmaka dann erst nach Jahren mit einem Abhängigkeitspotenzial erwiesen haben, dann müssen wir einfach erst einmal davon ausgehen, dass das auch bei diesen Substanzen so ist, bis zum Beweis des Gegenteils.
Herter: Wird die Pharmaindustrie ihrer Verantwortung hier gerecht? Werden diese Mittel aus Ihrer Sicht mit falschen Argumenten beworben?
Richter: Ich glaube nicht. Ich habe das jetzt nicht so gesehen, dass es mit falschen Argumenten beworben wird. Wenn Sie sagen, wird die Pharmaindustrie ihren Ansprüchen gerecht?
Herter: Ihrer Verantwortung!
Richter: Der Verantwortung, gut. – Festzustellen ist, dass die verordneten Substanzen aus diesem Bereich, also die Psychostimulanzien, seit Jahren stetig ansteigen. Wir haben in den letzten 10 Jahren eine Versiebenfachung der verordneten Psychostimulanzien und das kann man nicht erklären durch irgendwelche Zunahme von irgendwelchen Erkrankungen. Das sind ja alles Medikamente, die sogar zum Teil unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Warum das so ist und wer da an welchen Stellen Interesse hat, dass die Verordnungen zunehmen, kann man nur vermuten, aber dass daran die Pharmaindustrie ein Interesse hat, liegt ja nahe.
Herter: Und die Ärzte? Sie sagen selber, teilweise fallen die Stoffe unter das Betäubungsmittelgesetz. Also muss man die auch verschreiben?
Richter: Ja, auf jeden Fall und das ist ja etwas, wo sich die Bundespsychotherapeutenkammer jetzt in den Dialog auch eingeschaltet hat, weil es Tendenzen vor allem aus Amerika, aber andeutungsweise auch schon bei uns gibt, diese Medikamente frei zu verordnen, also von der Rezeptpflicht zu befreien, und das wäre eine völlig falsche Entwicklung, sogar eine gefährliche Entwicklung, vor der wir warnen und auf die wir hinweisen wollen.
Herter: Ist es trotzdem manchmal angesagt, solche Medikamente zu nehmen (in bestimmten Bereichen), und ist eine Begleitung dann wichtig?
Richter: Ja. Das sind ja alles Medikamente, die für die Behandlung bestimmter Erkrankungen zugelassen sind. Zum Beispiel ist Methylphenidat eine Substanz, die zur Behandlung von ADAS – das ist diese Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung bei Kindern und Jugendlichen – zugelassen ist, unter ganz strengen Bedingungen verordnet werden kann, die gerade jetzt jüngst noch mal weiter eingeschränkt worden sind. Also das sind hochwirksame Medikamente bei der Behandlung dieser Erkrankung, die jetzt aber in Amerika – Sie haben es ja am Anfang gesagt – und jetzt zunehmend auch bei uns bei Gesunden eingesetzt werden, verwendet werden, eingenommen werden.
Herter: Professor Dr. Reiner Richter, Präsident der Bundeskammer der Psychotherapeuten, über die Gefahren des sogenannten Gehirndopings. Vielen Dank!
Richter: Bitte schön.