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Wikileaks verliert unter Hackern Sympathien

Die Kritik am Wikileaks-Gründer ist nicht mehr zu überhören: Assange verfolge eine eigene politische Agenda und mische sich in Wahlkämpfe ein, heißt es. Unter Hackern wird daher nach neuen investigativen Plattformen gesucht. Auch eine Zusammenarbeit mit öffentlich-rechtlichen Sendern wird diskutiert.

Von Peter Welchering | 06.01.2018
    Besucher des Kongresses des Chaos Computer Clubs (CCC) sitzen in Hamburg im Kongresszentrum CCH an ihren Laptops.
    Besucher des Kongresses des Chaos Computer Clubs (CCC) sitzen in Hamburg im Kongresszentrum CCH an ihren Laptops. (dpa / Axel Heimken)
    Julian Assange hatte während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes tausende persönliche Mails von John Podesta, dem Wahlkampfmanager Hillary Clintons, auf Wikileaks veröffentlicht. Aus diesen Mails wurde ersichtlich, wie das Clinton-Wahlkampfteam Medien und einzelne Journalisten beeinflussen wollte. Assange veröffentlichte vertrauliche Reden Hillary Clintons vor Wall-Street-Bankern, die ein schlechtes Licht auf ihre Politik warfen. Das haben viele Aktivisten als einseitige Wahlkampfhilfe für Donald Trump verstanden. Und sie fragten ganz offen: Wie soll die Arbeit von Wikileaks zukünftig aussehen?
    Anke Domscheit-Berg von der Bundestagsfraktion Die Linke bringt die Vorbehalte so auf den Punkt:
    "Das Problem ist, glaube ich, nicht die Plattform Wikileaks allein, sondern der Kopf, der mit der Plattform verbunden wird, nämlich Julian Assange. Und da muss man sagen: Die Art und Weise, wie er seit einiger Zeit, schon etwas länger als ein paar Monate, in der Öffentlichkeit auftritt, mit einer, finde ich, doch offen erkennbaren eigenen politischen Agenda - und sich da in Präsidentschaftswahlkämpfe in den USA oder anderswo einmischt, auf Twitter und in anderen Plattformen, das geht über den eigentlichen Anspruch der Wikileaks-Plattform weit hinaus, die eigentlich ja neutral agieren wollte und einfach Whistleblowern einen anonymen Weg des sicheren Leakens anbieten wollte und eben nicht unbedingt eine eigene Meinung einnehmen."
    "Nicht sehr klug, was er da gemacht hat"
    Die Veröffentlichungspraxis von Julian Assange im amerikanischen Wahlkampf ist auch im Vorstand der Wau-Holland-Stiftung kritisiert worden. Immerhin finanziert die Stiftung zum großen Teil die Enthüllungsplattform Wikileaks, allein im Jahr 2017 mit 250.000 Euro. Stiftungsvorstand Klaus Schleisiek zum Vorwurf, Julian Assange habe im US-Wahlkampf seine eigene politische Agenda verfolgt.
    "Das hat er sicherlich, dass er in den amerikanischen Wahlkampf eingegriffen hat. Und wir haben es auch teilweise kontrovers in der Stiftung diskutiert. Jetzt so in der Rückschau finden wir das nicht sehr klug, was er da gemacht hat. Das haben wir ihm vermittelt, und konsequenterweise haben wir auch diese Aufbereitung auch nicht finanziert."

    Reporter der amerikanischen Tageszeitung Washington Post wollen das aber nicht so ganz glauben. Sie recherchieren gerade, was hinter den Hacks im amerikanischen Wahlkampf steckt und was Stiftungen rund um Wikileaks, wie die Wau-Holland-Stiftung, damit zu tun haben.
    Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs
    Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs: "Mittlerweile hat sich die Sicht auf WikiLeaks verändert." (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Klaus Schleisiek: "Im amerikanischen Journalismus gibt es zurzeit Recherchen, um nachzuweisen, dass diese Daten von Russen in Russland gehackt worden sind und Wikileaks zugespielt worden sind. Wir sind Teil dieser Recherchen und auch dazu befragt worden."
    "Öffentliche Daten zu nutzen war, schon immer Teil der Hacker-Ethik"
    In der Hacker Community kostet das Julian Assange, aber auch Wikileaks Sympathien. Contanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs fasst das so zusammen:
    "Mittlerweile hat sich die Sicht auf WikiLeaks auch hier verändert. Auch dadurch, dass die Person Julian Assange sehr viel Politik macht und sich in besonders den US-Wahlkampf natürlich auch sehr aktiv eingemischt hat. Ich glaube aber, dass die Idee die hier jemals ursprünglich präsentiert wurde, nämlich eine Plattform zu haben, wo man selbst Dokumente nachlesen kann, immer noch sehr im Sinne des CCC ist. Denn öffentliche Daten nutzen war schon immer Teil der Hacker-Ethik."
    Deshalb verstärkt sich gerade die Suche nach einer Alternative zu Wikileaks. Die Hacker denken da an mehrere kleinere Plattformen, aber auch an stärkerer Zusammenarbeit zum Beispiel mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Gemeinsam könne man aus dem Material von Whistleblowern gute Geschichten machen. Eine spannende Diskussion hat da begonnen.