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Putin in Griechenland
Nüchterne Beziehungen

Der russische Präsident Putin reist in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation nach Griechenland. Es geht vor allem ums Geschäft, aber auch um die besonderen religiösen Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Von Wolfgang Landmesser | 27.05.2016
    Es waren bewegte Zeiten zu Beginn der Syrizaregierung im Frühjahr 2015: Ministerpräsident Alexis Tsipras wollte die griechische Reformpolitik mit den europäischen Geldgebern neu verhandeln. Und viele in Griechenland hofften auf den russischen Präsidentin Putin – als weißen Ritter im Kampf gegen die anderen Euroländer. Wie dieser Ingenieur dachten damals viele.
    "All das passiert ja, gerade damit es zu einer Einigung mit der EU kommt. Das ist, was wir wollen - wir wollen uns doch nicht an Russland wenden. Wir geben aber gleichzeitig ein Zeichen: Sollte keine Hilfe aus dem Westen kommen, dann werden wir die Hilfe aus dem Osten annehmen."
    Im April, kurz vor dem orthodoxen Osterfest, stattete Tsipras dem russischen Präsidenten einen Besuch im Kreml ab. Nach dem Treffen wehrte er sich gegen Vorwürfe, den europäischen Partnern durch eine Sonderbeziehung mit Russland in den Rücken fallen zu wollen.
    "Als souveränes Land der EU respektieren wir die Verträge, die wir unterschrieben haben, vollständig, absolut. Aber diese Verträge schließen es nicht aus, mit Ländern im Osten Beziehungen zu unterhalten, um das hier klarzustellen."
    Keine Hoffnung auf russisches Geld
    Tsipras wollte ein Zeichen setzen, dass Griechenland auch geopolitisch eine Rolle spielt, meint Thanos Dokos, Direktor des Athener Forschungsinstituts Eliamep. Richtig überzeugend war das nicht, findet er. Aber noch illusorischer war die Hoffnung auf russisches Geld.
    "Einige Syriazaleute glaubten, dass Russland als alternative Finanzierungsquelle für Griechenland dienen könnte. Aber das zerschlug sich sehr schnell. Sie hätten es wissen müssen. Russland leistete auch Zypern im Jahr 2013 keine Finanzhilfe. Und dort war der Betrag viel geringer als im Fall Griechenlands."
    Mehr als ein Jahr danach haben sich die Wogen geglättet. Das griechisch-russische Verhältnis ist jetzt eher von Nüchternheit geprägt. Es geht vor allem um das Geschäft. Der russische Präsident reist in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation. Schon beim ersten Treffen mit Tsipras ging es um russische Investitionen in Griechenland. Putin zählte auf, woran russische Firmen interessiert sind.
    "Ob wir Interesse haben, in Griechenland zu investieren? Ja. In erster Linie im Bereich der Infrastrukturprojekte. Das sind Häfen, Flughäfen, Pipelines. Aber nicht nur das. Wir sind bereit, im Energiebereich weiter zusammenzuarbeiten – in der Stromerzeugung und bei der Energie-Lieferung."
    Moskau zeigt Interesse an griechischen Häfen
    Ergebnis des Besuchs könnte sein, dass russische Unternehmen Anteile an griechischen Staatsbetrieben kaufen. So gibt es in Moskau Interesse an der griechischen Bahngesellschaft oder dem Hafen von Thessaloniki.
    Tsipras und Putin unterzeichneten im vergangenen Jahr auch einen Kooperationsvertrag über Turkish Stream, eine Erdgaspipeline, die über die Türkei und Griechenland nach Italien führen sollte. Aber das Projekt liegt still, nachdem sich die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei dramatisch verschlechtert haben.
    Wichtige politische Signale werden von dem Treffen aber nicht ausgehen, sagt Politikwissenschaftler Thanos Dokos voraus.
    "Es wird nicht alles umwerfen. Beide Seiten wollen pragmatisch sein. Sie kooperieren auf unterschiedlichen Feldern. Athen würde gerne eine Brücke bilden zwischen Europa und Russland und dabei helfen, die Beziehungen zu verbessern. Selbstverständlich nicht als Hauptakteur."
    Religion spielt wichtige Rolle
    Nach den Gesprächen mit Ministerpräsident Tsipras und Staatspräsident Pavlopoulos wird Putin weiterreisen auf den Berg Athos im Norden Griechenlands. Am Samstag nimmt er dort an den Feierlichkeiten zum tausendjährigen Bestehen des russischen Klosters Agios Panteleimon teil. Die Bilder vom Besuch im traditionsreichen "Russikon" sind wichtig für Putin.
    "Diese religiöse Diplomatie hat einen interessanten Hintergrund. Religion spielt wieder eine wichtige Rolle in der russischen Politik. Aber es gibt Konkurrenz zwischen dem orthodoxen Patriarchen von Moskau und dem von Konstantinopel. Das ist also durchaus heikel. Russland spielt die religiöse Karte ziemlich effizient."
    Die gemeinsame Geschichte und Religion prägt die griechisch-russischen Beziehungen. Aber nach eineinhalb Jahren Syrizaregierung ist auch deutlich geworden: Die Bindung an den Westen – mit EU und Nato – ist nach wie vor deutlich stärker.