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"Putin ist ein Dieb!"

Die russische Führung besteht trotz erheblicher Manipulationswürfe darauf: Die jüngsten Parlamentswahlen seien fair und frei gewesen. Aber anstatt wie sonst zu Hause und im Internet zu schimpfen, gingen die Russen dieses Mal zu Tausenden auf die Straße - sie haben genug.

Von Mareike Aden |
    "Putin ist ein Dieb" – rufen rund 8000 Menschen auf Moskaus Straßen und fordern ein freies Russland ohne Wladimir Putin. Trotz strömendem Regen waren sie auf einmal da, kurz nach den Duma-Wahlen. Sie fühlen sich von Putin bestohlen – um ihre Stimme bei der Parlamentswahl. Auf einer Bühne vor den meist jungen Demonstrierenden standen die Wortführer der außerparlamentarischen Opposition - voller Adrenalin und sichtlich optimistischer als bei früheren Demonstrationen. Einer von ihnen ist der berühmte Antikorruptionsblogger und Jurist Aleksey Navalny.

    "Putin hat immer weniger positive Szenarien übrig, er verliert seine Legitimität. Die Tausenden, die hier sind, sehen ihn als Feind, sie werden ihn nie wieder akzeptieren. Früher ja da hatte er tatsächlich Unterstützung, aber er hat sie verspielt."

    Auch wenn der Oppositionspolitiker Boris Nemzow, einst unter Boris Jelzin Vizepremier, nun Kreml-Feind, die umstrittenen nationalistischen Ansichten von Navalny nicht teilt: Gegen Putin stehen sie derzeit Seite an Seite.

    "Die Mächtigen haben dem Volk 13 Millionen Stimmen gestohlen, ihr wirkliches Resultat liegt bei 30 Prozent, aber sie haben sich 50 Prozent aufgeschrieben. Wir müssen eine breite Koalition gegen Putin aufstellen, denn solange er an der Macht ist, hat das russische Volk keine Chance auf freie Wahlen."

    Bereits vor der Wahl hatte die Opposition die Erlaubnis für eine Versammlung am Montag bekommen, doch als sie zum Gebäude der Wahlkommission ziehen, werden Hunderte festgenommen, darunter Oppositionsaktivist Ilja Jaschin und Blogger Navalny. Beide sind nun zu 15 Tagen Arrest verurteilt worden - zwei von mindestens 600 Menschen, die seit Sonntag verhaftet wurden. Die Zeitung Kommersant berichtete sogar von über 1000 russischen Bürgern in Haft – so viele wie seit Jahren nicht mehr.

    Am Dienstag wandten die Sicherheitskräfte eine neue Strategie an: Als Kremlgegner zum Triumphplatz strömten, schallte ihnen das Trommeln von rund 1000 kremltreuen Jugendaktivisten entgegen. Die meisten von ihnen sind aus den Regionen nach Moskau gekarrt worden und liefern seit dem Wahltag medienwirksamen, bestellten Jubel in Moskaus Innenstadt. Während Kremlgegner und auch Journalisten teils brutal festgenommen wurden, blieben die Kremlaktivisten unbehelligt. Das empörte viele:

    "Sie verstehen gar nicht, warum sie hier sind, man hat sie hergebracht. Wenn man sie fragt, sagen sie auswendig gelernte Phrasen auf. Sie verstehen nicht, dass es gerade um die Zukunft unseres Landes geht. Sie verkaufen sich und ihr Land für ein paar Kopeken."


    Im russischen Staatsfernsehen wurden die Proteste erst ignoriert, dann als Bedrohung für Russlands Stabilität dargestellt. Premierminister Wladimir Putin begann unterdessen, sich von der schwächelnden Staatspartei zu distanzieren. Sich selbst und sein System stellte er jedoch nicht infrage. Und Schuld an den Protesten habe vor allem Hillary Clinton, sagte Putin am Donnerstag.

    "Das erste, was die Außenministerin der USA tat, war die Wahl als unfair und unfrei zu beurteilen – bevor es überhaupt Berichte von Wahlbeobachtern gab. Damit hat sie einigen Leuten in unserem Land ein Signal gegeben, die haben es gehört und haben begonnen, aktiv zu werden. Wer im Rahmen des Gesetzes seine Meinung äußert, hat das Recht, gehört zu werden. Aber die Sicherheitsbehörden haben ihre Aufgaben zu erfüllen – sie haben Unterstützung von der Mehrheit der Bevölkerung."

    Putins Worte seien ein Eingeständnis der Verzweiflung, sagt der Moskauer Politologe Dmitrij Oreschkin.

    "Putin weiß einfach nicht, was er sagen soll. Das ist die typische Reaktion eines verlierenden Politikers. Es ist klar, dass alles, was in Russland passiert, auch dort seinen Ursprung hat, nicht in den USA. Die Leute, die gegen Putin protestieren, sind normale Bürger, denen er und seine Politik nicht mehr gefallen. Aber in typischer Sowjetmanier beschuldigt er eine Struktur von außen."

    Für morgen hat die Staatsmacht wieder Tausende von Sicherheitskräften in Alarmbereitschaft versetzt: Die Opposition plant eine Kundgebung – zu der sich über soziale Netzwerke im Internet schon mehrere Zehntausend Menschen angemeldet haben. Die Stadt Moskau gab nach und erlaubt die Versammlung. Doch eine Garantie dafür, dass es friedlich bleibt auf Moskaus Straßen, ist das noch lange nicht – denn die Demonstranten wollen mehr und Putin hat deutlich gemacht, dass er nicht einlenken wird.