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Putin und die "Panama Papers"
Die Milliarden der Anderen

Die "Panama Papers" brachten auch Wladimir Putin in die Schlagzeilen, in ihnen tauchte sein langjähriger Freund Sergej Roldugin auf. Viele sahen bestätigt, dass Russlands Präsident ein Milliardenvermögen besitzt, das er über Freunde verwalten lässt. Doch Transparency International meint: Putin spielt in der Welt der russischen oberen Zehntausend finanziell eine eher kleine Rolle.

Von Gesine Dornblüth | 31.05.2016
    Russland Präsident Wladimir Putin
    Russland Präsident Wladimir Putin: "Kein Streben nach persönlichem Reichtum" (picture alliance / dpa / Mikhail Metzel)
    Panama-Party in Moskau. Mehrere dutzend überwiegend junge Menschen sitzen an Tischen hinter Laptops, bei Pizza und Tee. Ilja Schumanow trägt ein T-Shirt mit den Aufdrucken von Superman, Batman und anderen Comic-Helden sowie der Aufschrift "Justice", "Gerechtigkeit". Schumanow arbeitet für Transparency International Russland und ist Gastgeber der Party. Die Teilnehmer lernen, mit dem kürzlich veröffentlichten Datensatz der "Panama Papers" zu arbeiten, sollen russische Beamte und ihre Offshore-Firmen ausfindig machen.
    "Der Premierminister Islands hat seinen Posten geräumt, in Spanien hat ein Minister seinen Posten geräumt, einer der leitenden Funktionäre der Ethik-Kommission der FIFA hat seinen Posten geräumt. In Russland gab es keine Rücktritte."
    "Es wäre traumhaft, wenn es einer allein wäre"
    Dabei führten die Recherchen des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten direkt ins Umfeld des russischen Staatspräsidenten. Putins Kritiker sahen sich bestätigt. Er gilt ihnen schon lange als korrupt, als getrieben vom Verlangen nach persönlicher Bereicherung. Über sein angebliches Vermögen kursieren absurd hohe Zahlen im zweistelligen Milliardenbereich. Putin habe, sagen seine Kritiker, von den 90er-Jahren an ein Netzwerk aus befreundeten Geschäftsleuten, Datschennachbarn, Judopartnern und ehemaligen Geheimdienstkollegen aufgebaut und sie und ihre Kinder an den Schaltstellen der Macht platziert, auch in Schlüsselpositionen russischer Banken und Energieunternehmen.
    Die kremlkritische Wochenzeitschrift "The New Times" schätzte 2011, der Putin-Clan kontrolliere Aktiva im Wert von 10 bis 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Für Anhänger des Oppositionspolitikers Alexej Nawalnyj ist Putin eine Art Mastermind.
    Elena Panfilowa von Transparency International sieht das anders: "Es wäre traumhaft, wenn es einer allein wäre. Leider ist das nicht so. Es ist auch gar nicht so schlimm, dass er möglicherweise etwas besitzt oder nicht. Schlimm ist, dass sich unter ihm eine riesige Menge von Leuten befindet, die auf unerklärliche Weise alles an sich gerafft und in die Offshore-Firmen gesteckt hat. Das ist eine kollektive Geschichte. Und Putins Rolle darin ist, gelinde gesagt, klein."
    "Alle haben einen Palast, also brauche ich auch einen"
    Panfilowa hat viele Jahre das russische Büro von Transparency International geleitet, inzwischen ist sie stellvertretende Direktorin der internationalen Organisation. Sie glaubt nicht, das Putin nach persönlichem Reichtum strebt:
    "Das ist eher so ein einheitliches Verhaltensmuster in diesen Kreisen: Alle haben einen Palast, also brauche ich auch einen. Alle haben einen Lexus, also muss ich auch einen Lexus haben. Alle Kinder studieren im Ausland? Meine Kinder studieren auch im Ausland. Das sind ungeschriebene Regeln. Putin muss keine Anweisungen geben, das tun andere für ihn. Sie erraten, was er für richtig hält."
    "Früher oder später kommt irgendetwas ans Licht"
    In letzter Zeit berichteten mehrere Medien über den Reichtum von Putins mutmaßlicher Tochter und ihrem Ehemann. Der stieg laut "Forbes" innerhalb nur eines Jahres zum Dollar-Milliardär auf. Elena Panfilowa von Transparency International sieht zwar Indizien für Putins möglichen Reichtum, aber keine Beweise: "Mit Papieren steht es in der Sache bisher nicht besonders gut. Weil in Putins Umfeld alle ihre Spuren sehr gut und hochprofessionell löschen."
    Optimistisch ist sie dennoch: "In 17 Jahren meiner Arbeit habe ich eines gelernt: Man muss Geduld haben. Früher oder später kommt irgendetwas ans Licht. So, wie die Welt jetzt funktioniert, hinterlässt Eigentum Spuren. Dokumentierte Spuren."
    Panfilowa glaubt, dass sich immer mehr Menschen daran setzen werden, diese Spuren ausfindig zu machen. Auch in Russland. Insbesondere nach den Enthüllungen der Offshore-Leaks. Die Panama-Party in Moskau mit den dutzenden Teilnehmern sei ein Beweis dafür.