Beatrix Novy: Festivals gibt es viele. Aber diese Woche beginnen die bekanntesten, die Urfestspiele des Sommers im deutschsprachigen Raum, Bayreuth und Salzburg. Mit der "Parsifal"-Inszenierung von Stefan Herheim wird in Bayreuth eine Finissage eröffnet, die letzten Festspiele unter dem 88-jährigen Patriarchen Wolfgang Wagner. Seine Tochter Katharina weist jetzt schon neue Wege der Festivalvermarktung. Zum ersten Mal werden Internetnutzer die Meistersinger weltweit live mitschauen können, kostet allerdings eine Kleinigkeit. Und zum ersten Mal wird es am Ort des Geschehen selbst ein Public Viewing der Meistersinger geben, auf dem Bayreuther Volksfestplatz, und kombiniert natürlich mit Gaumenfreude. Da wird die Oper zum Event, aber wer bei Fußballmeisterschaften mit Tausenden auf den Schirm geschaut hat schon mal, der weiß, Public Viewing selbst ist das Event. Die Hauptsache wird da zur Nebensache. Wir wollten nun von Klaus Zehelein, dem Präsidenten der Bayerischen Theaterakademie und früheren langjährigen Intendanten der Stuttgarter Staatsoper wissen, wie er zu den neuen Bemühungen im Festivalbetrieb steht.
Klaus Zehelein: Ach, wissen Sie, ich glaube, dass mit den drei Tenören eine Entwicklung begann, die ich für sehr, sehr schwierig halte. Und zwar setzt sich vor die Identität, wenn man überhaupt noch davon reden kann, eines Kunstwerkes, die Publikation dieses Kunstwerkes. Das ist eine glatte Formel, die heute gilt.
Novy: Die gilt ja nun überall. Verpackung ist längst wichtiger geworden als Inhalt. Repräsentation, das wird in jeder Firma so gehandhabt. Muss das denn unbedingt Auswirkungen, schlechte Auswirkungen auf den Inhalt haben?
Zehelein: Ich würde nicht sagen, dass es Auswirkungen auf den Inhalt hat, aber Auswirkungen auf den Umgang mit Kunst. Wenn ich da eine Knackwurst habe oder eine Fränkische Ente vor mir habe und die Meistersänger dabei sehe, werde ich mich nicht aufraffen können, sehr genau zuzuhören und zuzuschauen. Gegen dieses Massengucken ist überhaupt nichts zu sagen, wenn es in einer Konzentration wäre. Ich glaube immer noch, dass es notwendig ist, sehr, sehr genau zuzuhören und zuzuschauen.
Novy: Nun sind Festspiele ja immer schon etwas Spektakuläres gewesen. Sie sind eigentlich von Grund auf spektakulär. Ist also der Grundgedanke nicht sogar übererfüllt, wenn jetzt zum Beispiel die Meistersinger nicht nur im Public Viewing erlebt werden können, sondern auch im Live-Stream?
Zehelein: Es ist etwas ganz Schönes eigentlich mit den Festspielen, dass Menschen zusammenkommen, um meistens Musik oder Theater zu erfahren. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch so, dass die meisten Festspiele tourismuszentriert sind und es ist eben nicht mehr die Sache, um die es dann geht, oft genug, sondern es ist, es ist eben die Begleiterscheinung unter denen Kunst publiziert wird. Schauen Sie, wenn ich jetzt an Salzburg denke, als die Netrebko abgesagt hat, ein Konzert, dann schien es ja so in der Öffentlichkeit, in der Rezeption, als würden die ganzen Salzburger Festspiele zusammenbrechen, nicht.
Novy: Das Argument dafür ist ja, dass Schichten an klassische Musik herangeführt werden, die da sonst nicht hinkämen.
Zehelein: Ich glaube, dass diese Argumentation nicht richtig ist.
Novy: Sie glauben, über das Star-Prinzip ist das nicht möglich?
Zehelein: Nein, glaube ich überhaupt nicht.
Novy: Ist es eher gegenläufig?
Zehelein: Na, das ist doch ein Narzissmusprinzip, das Star-Prinzip.
Novy: Bayreuth und auch Salzburg ragen immer noch heraus aus einem sehr angeschwollenen Festivalbetrieb. Es gibt ja ungeheuer viele Festspiele und Festivals mittlerweile. Aber ...
Zehelein: Oh ja. Es gibt Festivals, die bestehen aus einem Konzert.
Novy: ... Und es gibt sie auch zu allen Jahreszeiten mittlerweile.
Zehelein: Ja.
Novy: Aber Bayreuth und Salzburg, so verschieden sie sind, haben immer noch was sehr Besonderes. Zu Recht, Ihrer Meinung nach?
Zehelein: Ja. Also bei Bayreuth ist das unzweifelhaft. Dadurch, dass der Meister selbst das Festspielhaus gebaut hat. Es ist ein Vermächtnis. Ich denke, es ist doch nichts dagegen zu sagen, dass Salzburg und Bayreuth stattfindet. Man muss sich nur fragen, in welchen Rahmenbedingungen eigentlich finden die Dinge statt. Ich denke, dass die Eigenproduktionen weitaus mehr Gewicht haben müssten und ich denke auch, dass die Eigenproduktionen mehr Raum auch in den Produktionszeiten bräuchten. Wie gesagt, das gilt für beide. Das gilt für Bayreuth sowohl als auch für Salzburg, um zu anderen und außergewöhnlichen Ergebnissen auch zu kommen. Das ist es doch, um was es geht. Es ist doch die Möglichkeit, dass das Außergewöhnliche zu hören und zu sehen ist.
Novy: Dazu müssten allerdings, damit Festspiele wieder Exklusivproduktionen auf die Beine stellen können, natürlich auch die finanziellen Mittel reichen, denn das ist ja wahrscheinlich das Hauptproblem.
Zehelein: Ich glaube, ein Hauptproblem ist, dass Festspiele in dem Sinne pluralistisch agieren, indem sie sehr, sehr viel anbieten, um sehr viele Zuschauer zu gewinnen. Und man müsste sehr genau überlegen, und das gilt ja übrigens für Opernhäuser genauso, ob eine gewisse Konzentration auf den Festspielen jetzt, ich meine jetzt Salzburg, bei Bayreuth ist das ja klar, das ist ja beschränkt auf den Kanon, der seit 1973 beschlossen ist, es gilt also für Salzburg, was ich sage, ob es nicht richtiger wäre, sich auf Produktionen zu konzentrieren. Eine große Konzentration dann auch herzustellen für jene, die das hören und sehen werden.
Novy: Konzentration statt Verzettelung ...
Zehelein: Ja.
Novy: ... Qualität statt Quantität.
Zehelein: Ja, das denke ich, müsste überlegt werden. Wenn man vom Stadttheater kommt wie ich, hat man ja bestimmte Erfahrungen gemacht. Wenn ich über die 15 Jahre Stuttgart nachdenke, der Staatsoper Stuttgart, und über die letzten Jahre Salzburg, dann meine ich einfach, dass das Außergewöhnliche sich zu wenig ereignet hat in Salzburg. Ganz einfach.
Novy: Überlegungen zum Festivalbetrieb. Das war der Präsident der Bayrischen Theaterakademie, Klaus Zehelein.
Klaus Zehelein: Ach, wissen Sie, ich glaube, dass mit den drei Tenören eine Entwicklung begann, die ich für sehr, sehr schwierig halte. Und zwar setzt sich vor die Identität, wenn man überhaupt noch davon reden kann, eines Kunstwerkes, die Publikation dieses Kunstwerkes. Das ist eine glatte Formel, die heute gilt.
Novy: Die gilt ja nun überall. Verpackung ist längst wichtiger geworden als Inhalt. Repräsentation, das wird in jeder Firma so gehandhabt. Muss das denn unbedingt Auswirkungen, schlechte Auswirkungen auf den Inhalt haben?
Zehelein: Ich würde nicht sagen, dass es Auswirkungen auf den Inhalt hat, aber Auswirkungen auf den Umgang mit Kunst. Wenn ich da eine Knackwurst habe oder eine Fränkische Ente vor mir habe und die Meistersänger dabei sehe, werde ich mich nicht aufraffen können, sehr genau zuzuhören und zuzuschauen. Gegen dieses Massengucken ist überhaupt nichts zu sagen, wenn es in einer Konzentration wäre. Ich glaube immer noch, dass es notwendig ist, sehr, sehr genau zuzuhören und zuzuschauen.
Novy: Nun sind Festspiele ja immer schon etwas Spektakuläres gewesen. Sie sind eigentlich von Grund auf spektakulär. Ist also der Grundgedanke nicht sogar übererfüllt, wenn jetzt zum Beispiel die Meistersinger nicht nur im Public Viewing erlebt werden können, sondern auch im Live-Stream?
Zehelein: Es ist etwas ganz Schönes eigentlich mit den Festspielen, dass Menschen zusammenkommen, um meistens Musik oder Theater zu erfahren. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch so, dass die meisten Festspiele tourismuszentriert sind und es ist eben nicht mehr die Sache, um die es dann geht, oft genug, sondern es ist, es ist eben die Begleiterscheinung unter denen Kunst publiziert wird. Schauen Sie, wenn ich jetzt an Salzburg denke, als die Netrebko abgesagt hat, ein Konzert, dann schien es ja so in der Öffentlichkeit, in der Rezeption, als würden die ganzen Salzburger Festspiele zusammenbrechen, nicht.
Novy: Das Argument dafür ist ja, dass Schichten an klassische Musik herangeführt werden, die da sonst nicht hinkämen.
Zehelein: Ich glaube, dass diese Argumentation nicht richtig ist.
Novy: Sie glauben, über das Star-Prinzip ist das nicht möglich?
Zehelein: Nein, glaube ich überhaupt nicht.
Novy: Ist es eher gegenläufig?
Zehelein: Na, das ist doch ein Narzissmusprinzip, das Star-Prinzip.
Novy: Bayreuth und auch Salzburg ragen immer noch heraus aus einem sehr angeschwollenen Festivalbetrieb. Es gibt ja ungeheuer viele Festspiele und Festivals mittlerweile. Aber ...
Zehelein: Oh ja. Es gibt Festivals, die bestehen aus einem Konzert.
Novy: ... Und es gibt sie auch zu allen Jahreszeiten mittlerweile.
Zehelein: Ja.
Novy: Aber Bayreuth und Salzburg, so verschieden sie sind, haben immer noch was sehr Besonderes. Zu Recht, Ihrer Meinung nach?
Zehelein: Ja. Also bei Bayreuth ist das unzweifelhaft. Dadurch, dass der Meister selbst das Festspielhaus gebaut hat. Es ist ein Vermächtnis. Ich denke, es ist doch nichts dagegen zu sagen, dass Salzburg und Bayreuth stattfindet. Man muss sich nur fragen, in welchen Rahmenbedingungen eigentlich finden die Dinge statt. Ich denke, dass die Eigenproduktionen weitaus mehr Gewicht haben müssten und ich denke auch, dass die Eigenproduktionen mehr Raum auch in den Produktionszeiten bräuchten. Wie gesagt, das gilt für beide. Das gilt für Bayreuth sowohl als auch für Salzburg, um zu anderen und außergewöhnlichen Ergebnissen auch zu kommen. Das ist es doch, um was es geht. Es ist doch die Möglichkeit, dass das Außergewöhnliche zu hören und zu sehen ist.
Novy: Dazu müssten allerdings, damit Festspiele wieder Exklusivproduktionen auf die Beine stellen können, natürlich auch die finanziellen Mittel reichen, denn das ist ja wahrscheinlich das Hauptproblem.
Zehelein: Ich glaube, ein Hauptproblem ist, dass Festspiele in dem Sinne pluralistisch agieren, indem sie sehr, sehr viel anbieten, um sehr viele Zuschauer zu gewinnen. Und man müsste sehr genau überlegen, und das gilt ja übrigens für Opernhäuser genauso, ob eine gewisse Konzentration auf den Festspielen jetzt, ich meine jetzt Salzburg, bei Bayreuth ist das ja klar, das ist ja beschränkt auf den Kanon, der seit 1973 beschlossen ist, es gilt also für Salzburg, was ich sage, ob es nicht richtiger wäre, sich auf Produktionen zu konzentrieren. Eine große Konzentration dann auch herzustellen für jene, die das hören und sehen werden.
Novy: Konzentration statt Verzettelung ...
Zehelein: Ja.
Novy: ... Qualität statt Quantität.
Zehelein: Ja, das denke ich, müsste überlegt werden. Wenn man vom Stadttheater kommt wie ich, hat man ja bestimmte Erfahrungen gemacht. Wenn ich über die 15 Jahre Stuttgart nachdenke, der Staatsoper Stuttgart, und über die letzten Jahre Salzburg, dann meine ich einfach, dass das Außergewöhnliche sich zu wenig ereignet hat in Salzburg. Ganz einfach.
Novy: Überlegungen zum Festivalbetrieb. Das war der Präsident der Bayrischen Theaterakademie, Klaus Zehelein.